Rheinisches Ärzteblatt / Heft 10 / 2024 27 Um in Deutschland ärztlich tätig sein zu dürfen, müssen Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland vor der Ärztekammer den sicheren Umgang mit der deutschen (Fach)-Sprache nachweisen. Prüflinge und Prüfer schildern, warum eine gute Vorbereitung darauf unerlässlich ist. Marc Strohm Estelle Achard stammt aus Nîmes in Südfrankreich. Die 28-jährige angehende Gynäkologin gelangte über Umwege ins Rheinland. Denn nach dem Medizinstudium im belgischen Liège fand sie dort keine Weiterbildungsmöglichkeiten in ihrem Wunschfach, der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. In Deutschland dagegen habe sie die Wahl gehabt, sagt Achard im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Ein weiterer Grund, warum es die Französin nach Deutschland zog, war die Liebe: Ihr Partner ist Deutscher und absolviert hierzulande eine Weiterbildung in der Chirurgie. Bevor sie jedoch in Nordrhein mit ihrer Weiterbildung beginnen konnte, musste Achard unter anderem belegen, dass sie über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt, um ihre Patienten angemessen versorgen zu können. In einer rund einstündigen Fachsprachprüfung vor der Ärztekammer Nordrhein galt es, ein Anamnesegespräch mit einem Patienten zu führen, eine Verdachtsdiagnose zu formulieren und mögliche Therapieoptionen verständlich darzulegen. Dabei, so Achard, müsse man berücksichtigen, dass die Patienten in der Regel nicht mit medizinischen Fachausdrücken vertraut seien und man sich daher laienverständlich ausdrücken müsse. Beendet werde die Prüfung mit einem „Kollegengespräch“, in dem man die eigene Diagnosestellung und die entsprechenden Therapievorschläge mit zwei ehrenamtlichen ärztlichen Fachsprachprüfern erörtere. Die Grundlagen der deutschen Sprache hat sich Achard innerhalb von zwei Jahren in mehreren Online- und Präsenz-Sprachkursen in Sprachschulen in Düsseldorf angeeignet. „Ich habe in der Schule nie Deutsch gelernt und daher bereitete mir insbesondere die Grammatik große Schwierigkeiten“, sagt sie. Weniger Probleme habe sie jedoch mit dem Fachvokabular gehabt: Da Französisch eine romanische Sprache sei, habe sie sich viele lateinische Fachbegriffe aus der Medizin herleiten können. Nachdem sie das für die Fachsprachprüfung notwendige Sprachzertifikat B2 erreicht hatte, besuchte Achard zusätzlich einen speziellen Vorbereitungskurs für die Fachsprachprüfung. „Diese Sprachkurse sind sehr teuer und ich bin froh, dass mich meine Familie finanziell unterstützen konnte“, sagt sie rückblickend. Auch von der Arbeitsagentur habe sie für den Fachsprachkurs eine finanzielle Unterstützung erhalten (siehe Kasten auf Seite 28). Achard hält einen solchen Kurs für die Vorbereitung auf die Fachsprachprüfung für unerlässlich. Darüber hinaus hospitierte sie über mehrere Monate hinweg in einer Hausarztpraxis in Kempen am Niederrhein. „Die Hospitation ermöglichte mir einen weniger schulischen Zugang zur deutschen Sprache und zum medizinischen Vokabular. Zudem konnte ich dort wertvolle Einblicke in das deutsche Gesundheitssystem erhalten“, berichtet sie. Eine solche Hospitation könne sie jedem Prüfling nur empfehlen, und zwar am besten „in einem breit aufgestellten Fachgebiet wie der Inneren Medizin“. Zusätzliche Unterstützung fand Achard in den sozialen Medien. Dort habe sie Kontakt zu anderen ausländischen Ärztinnen und Ärzten geknüpft, die sich entweder wie sie auf die Prüfung vorbereiteten oder diese bereits erfolgreich abgelegt hatten. Für Achard hat sich die Mühe ausgezahlt: Sie bestand ihre Fachsprachprüfung im Februar dieses Jahres auf Anhieb. Prüfungen auf Rekordhoch In Nordrhein ist die Zahl der Fachsprachprüfungen über die Jahre hinweg kontinuierlich gestiegen: Während die Kammer im Jahr 2015 noch 382 Fachsprachprüfungen abnahm, erreichte die Zahl im Jahr 2023 mit 2.040 Fachsprachprüfungen ein Rekordhoch. Hoch ist allerdings auch die Durchfallquote: 2023 lag diese bei 35,8 Prozent (2022: 33 Prozent). Einer der ehrenamtlichen Fachsprachprüfer bei der Ärztekammer Nordrhein ist Dr. Jaswant Singh. Der Internist, Kardiologe und Angiologe nimmt seit 2015 Fachsprachprüfungen ab und beobachtet, dass immer mehr Prüflinge nicht ausreichend vorbereitet in die Prüfung kommen. In manchen Fällen überschätzten die Prüfungskandidaten schlichtweg ihre Sprachkenntnisse. Entsprechend wichtig ist es Singh, den Kandidaten ihre Leistung zu spiegeln. Das macht er auch im eigenen Krankenhaus, wo er selbst ausländische Hospitanten betreut. Aus seiner Erfahrung heraus laufen in der Prüfung das Kollegengespräch und die schriftliche Dokumentation in der Regel besser als das Gespräch Forum Gut vorbereitet in die Fachsprachprüfung „Ich empfehle jedem Arzt vor der Fachsprachprüfung eine Hospitation in einem breit aufgestellten Fach wie der Inneren Medizin, um die Alltagssprache in der medizinischen Kommunikation zu erlernen.“ Foto: Pauline André mit den Schauspielpatienten. Manche Prüflinge ließen sich bereits durch komplizierte Namen der Patienten verunsichern. Singh rät, in solchen Fällen keine Hemmungen zu haben und die Patienten aufzufordern, Gesagtes zu wiederholen oder sich schwierige Namen buchstabieren zu lassen. Das gleiche gelte für fremde Vokabeln, mit denen auch bestens vorbereitete Prüflinge während der Fachsprachprüfung konfrontiert sein können. Berichte beispielsweise ein Patient von seinem „Leberfleck“, gelte es, bei der unbekannten Vokabel nachzuhaken und sich den Sachverhalt umschreiben zu lassen. Tunlichst vermeiden sollten die Prüflinge, auf auswendig gelernte Sätze oder Floskeln zurückzugreifen. Die Prüfer
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