Rheinisches Ärzteblatt 11/2023

Evaluation der Weiterbildung November 2023 Heft 11 / 30.10.2023 77. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts Letzte Rettung Organspende Der 21-jährige Dimitrios lebt mit seinem dritten Herzen Bessere Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten Ärzteschaft sorgt sich um Datenhoheit der Patienten MFA-Ausbildung am Berufskolleg Ärztinnen und Ärzte gewährleisten praxisnahe Berufsvorbereitung

Prof. Dr. med. Georg Marckmann, MPH, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Diskussion und anschließend Empfang Zahlt sich Ethik aus? Patientenversorgung im Spannungsverhältnis zwischen Medizin und Ökonomie Begrüßung am Montag, den 20. November 2023, um 19:00 Uhr im Haus der Ärzteschaft, Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Einladung zur Anmeldung und Information Für die Teilnahme ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Sollten Sie noch Rückfragen haben, können Sie sich gerne an Nina Rüttgen unter nina.ruettgen@aekno.de oder Tel.: 02 11 4302-2120 wenden. www.aekno.de/hoppe-vorlesung-2023 JörgV-oDrleiesutrnigch-Hoppe- 2023

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 3 Heft 11 • November 2023 Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes Von Äpfeln, Birnen und Faktenblättern Auf die Protesttage der Apothekerinnen und Apotheker und der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte im Sommer dieses Jahres, reagierte das BMG mit „Faktenblättern“. Diese hatten das Ziel, die Proteste als unbegründet abzustempeln. Als die Beschäftigten der Krankenhäuser am 20. September mit bundesweiten Kundgebungen auf die fehlende Refinanzierung der Tarifabschlüsse für 2024 und die weiterhin hohen Energiekosten im nächsten Jahr aufmerksam machten, reagierte das BMG ebenfalls wieder mit einem „Faktenblatt“. Dazu zwei Anmerkungen: Wenn über 100.000 Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen sich in der Bedrängnis sehen, gegen die aktuelle Gesundheitspolitik zu protestieren, um auf Nöte wie teure aber insuffiziente Digitalisierung, überbordende Bürokratie, fehlende Praxisnachfolger sowie fehlende Kompensation für steigende Energie- und Personalkosten hinzuweisen, dann ist es für einen Gesundheitsminister etwas knapp bloß mit Faktenblättern zu reagieren. Da würde man sich vielmehr Gespräche und direkte Kommunikation mit jenen Berufsgruppen wünschen, die für die gesundheitliche Daseinsversorgung der Bevölkerung eine Schlüsselrolle einnehmen. Kommunikation und Zuhören würden nämlich bedeuten, die Probleme wahrzunehmen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Stattdessen: Faktenblätter. Nun ist gegen Fakten als solche nichts einzuwenden und sich an Fakten zu halten, ist auch nicht falsch. Falsch fühlt es sich aber an, wenn das BMG über sogenannte Faktenblätter der Öffentlichkeit suggeriert, dass Ärzteschaft, Medizinische Fachangestellte, Pflege, Apothekerschaft und weitere Berufe im Gesundheitswesen gar keinen Grund zur Beschwerde hätten, weil während der Coronazeit beispielsweise an die Krankenhäuser hohe Ausgleichszahlungen und Freihaltepauschalen geflossen seien und Praxisinhaber alleine mit den mehr als 97 Millionen Corona-Impfungen einen Mehrumsatz von insgesamt mindestens zwei Milliarden Euro erzielt hätten. Zwar stimmen diese Fakten, doch was haben beispielsweise die Zahlungen für die Coronaimpfungen im Jahr 2021 mit der finanziellen Situation der ambulanten Versorgung von heute zu tun, die von Inflation und Tarif- sowie Energiekostensteigerungen aufgrund des Angriffskriegs Putins auf die Ukraine geprägt ist? Hier werden faktisch Äpfel mit Birnen verglichen, was bei der Lösung der Probleme leider zur Fehlanzeige führt. Was den Unmut der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen in der ambulanten wie in der stationären Versorgung und in der verfassten Ärzteschaft weiter steigert, ist vor allem die fehlende Kommunikationsbereitschaft des Gesundheitsministers mit denjenigen, die täglich in der Versorgung stehen und erleben, wo unser Gesundheitswesen verbessert werden könnte. Statt diesen Erfahrungsschatz gemeinsam für Reformen zu heben, wird den ärztlichen Körperschaften Lobbyismus und Geldgier vorgeworfen. Statt uns in Überlegungen einzubeziehen, wie in einer Gesellschaft des langen Lebens und der damit verbundenen steigenden Nachfrage von medizinischen Leistungen und gleichzeitigem Fachkräftemangel die ambulante medizinische Versorgung weiter gewährleistet werden kann, werden wir mit unausgegorenen Konzepten zu Primärversorgungszentren und Gesundheitskiosken konfrontiert. Gleichzeitig erleben wir, dass Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag wie die Entbudgetierung der Hausärzte, Entbürokratisierungsmaßnahmen oder die Umsetzung der neuen Approbationsordnung nicht eingelöst werden. Die anstehenden Herausforderungen unseres Gesundheitswesens werden wir nur gemeinsam bewältigen. Die ärztlichen Körperschaften haben in der Vergangenheit mehrfach – wie bei der Krankenhausplanung in NRW – bewiesen, dass sie konstruktiv und mit viel praktischer Expertise Reformen prägen und befördern können. Im Sinne einer guten Patientenversorgung wäre es für den Bundesgesundheitsminister daher sicher ratsam, weniger auf Faktenblätter als auf die Expertise der Selbstverwaltung zu setzen.

Videokonferenz am xx, xx , von xx:00 –xx:00 Uhr Videokonferenz: Titel Va Online Die Veranstaltungen sind kostenfrei. Anmeldung erforderlich über unsere Homepage www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Bei Interesse senden wir Ihnen gerne unseren Newsletter: iqn@aekno.de IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: 0211 4302-2752 oder -2751 iqn@aekno.de Internet www.iqn.de Anmeldung und Information Programmänderung möglich! Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes, Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation PD Dr. med. Björn Bühring, Chefarzt Klinik für Rheumatologie, Immunologie und Osteologie, Krankenhaus St. Josef, Wuppertal Osteoporose: Ein Überblick Prof. Dr. med. Christopher Niedhart, Orthopädische Gemeinschaftspraxis, Heinsberg Osteoporose aus endokrinologischer Sicht Dr. med. Monica Negrean, Chefärztin Klinik für Diabetologie und Endokrinologie, St. Vinzenz-Hospital, Köln Diagnostik der Osteoporose im Jahr 2023 PD Dr. med. Björn Bühring Therapie der Osteoporose: Aktueller Stand und Ausblick Univ.-Prof. Dr. med. Uwe Maus, Leitender Arzt Endoprothetik und Osteologie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Osteoporose Mittwoch, 8. November 2023,15:30 –17:45 Uhr, Live Online-Seminar Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen und richtig handeln, Teil 10 Mittwoch, 29. November 2023, 15:30 –17:45 Uhr, Live Online-Seminar Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes, Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Leon Philipp, Ärztlicher Leiter Kinderschutzgruppe Helios St. Johannes Klinikum, Duisburg Vernachlässigung und psychische Gewalt an Kindern Dr. med. Gabriele Komesker, Leiterin Kinderschutzambulanz Ev. Krankenhaus Düsseldorf Vernachlässigung und psychische Gewalt an älteren Kindern und Jugendlichen – ein oft vernachlässigtes Thema Birgit Köppe-Gaisendrees, Leiterin Ärztliche Kinderschutzambulanz, Bergisch Land e.V., Remscheid Familiengericht und Kinderschutz – Chance und Grenzen Anette Reher, Direktorin, Amtsgericht Beckum Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Begrüßung Dr. med. Martina Levartz, MPH, Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Prof. Dr. med. Hartmut Vatter, Direktor Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Bonn Wann ist eine OP notwendig und sinnvoll, wann nicht? Prof. Dr. med. Hartmut Vatter Anforderungen an die Aufklärung und die Durchführung der Operation Prof. Dr. med. Viola Bullmann, Chefärztin Orthopädie II und Wirbelsäulenchirurgie, Stv. Ärztliche Direktorin, St. Franziskus-Hospital Köln Anforderungen an die Nachsorge Dr. med. Jürgen Hekler, Ärztlicher Direktor Rehabilitationsklinik für orthopädische Erkrankungen, Aggertalklinik, Engelskirchen Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten 92. Fortbildungsveranstaltung „Aus Fehlern lernen“ in Zusammenarbeit mit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein Eingriffe an der Wirbelsäule Indikation, Durchführung und Nachsorge Mittwoch, 22. November 2023,15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 5 Evaluation der Weiterbildung Das dritte Herz 869 Menschen spendeten im vergangenen Jahr nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe – ein neuer Tiefstand. Dimitrios Christodoulou hatte Glück. Dem 21-Jährigen retteten die Herzen von Fremden zweimal das Leben. Bessere Nutzung von Gesundheitsdaten Es fehlt in Deutschland an rasch verfügbaren Daten, die eine bessere Forschung und Versorgung ermöglichen. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz soll hier Abhilfe schaffen. Ärzte sorgen sich um die Datenhoheit der Patienten. Meinung Von Äpfeln, Birnen und Faktenblättern Seite 3 Magazin Seiten 6 bis 10 Krankenhäuser verlangen Ausgleich für Inflation und Tarifkosten · Vor 50 Jahren · Initiative „NRW rettet Leben“ gestartet · Facharztprüfungen: Anmeldeschluss und Termine · BMG sieht Versorgung mit Kinderarzneimitteln weitgehend gesichert · Kammer Online · Dr. Gerhard Vogt wurde 95 Jahre alt · Mailing-Protest gegen den Praxenkollaps · Studium und Berufseinstieg Thema Evaluation der Weiterbildung Seite 12 Spezial Das dritte Herz Seite 14 Gesundheits- und Sozialpolitik Gesundheitsdaten: Kritik an versichertenindividueller Auswertung Seite 18 Praxis Nachwuchsgewinnung: KVNO-Stadtpartie erfolgreich gestartet Seite 19 Erreichbarkeit der 116 117 verbessert Seite 20 Ärzte gesucht: Fachlehrermangel beim Medizinfachkundeunterricht Seite 21 Forum Vom Wert ärztlicher Selbstverwaltung Seite 22 Im UnRuhestand Seite 23 Betroffene wollen ernst genommen werden Seite 24 Wissenschaft und Fortbildung Fehlerhafte Behandlung einer Amblyopie – Folge 140 der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ Seite 26 Tagungen und Kurse Seite 29 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 30 RÄ Regional Seite 33 Bücher Seite 36 An Rhein und Ruhr Seite 38 Kulturspiegel Der berühmteste Schuss der Schweiz Seite 39 Amtliche Bekanntmachungen Seite 40 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 40 Mein Beruf „Der Wechsel ins Labor war ein großer Schritt“ Seite 51 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: vegefox.com/stock.adobe.com Heft 11 • November 2023 57 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung in Nordrhein würden ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen. Die Ärztekammer nimmt Ergebnisse ihrer jüngsten Umfrage zur Situation in der Weiterbildung zum Anlass für strukturelle Verbesserungen.

Magazin 6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 Protestkundgebung in Düsseldorf Krankenhäuser verlangen Ausgleich für Inflation und Tarifkosten Gut 9.000 Beschäftigte der nordrhein-westfälischen Krankenhäuser haben am 20. September vor dem Landtag in Düsseldorf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach aufgefordert, für eine ausreichende Finanzierung der Kliniken zu sorgen. Notwendig sei eine nachhaltige Refinanzierung der Kostensteigerungen durch die Inflation und die ab 2024 geltenden Tarifsteigerungen von rund zehn Prozent. Die tatsächlichen Kostenentwicklungen würden unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht ansatzweise abgebildet, hieß es von den Initiatoren der Protestveranstaltung, der NRW-Allianz für die Krankenhäuser, der auch die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe angehören. Die Krankenhäuser könnten auf die enormen Kostensteigerungen für Energie, Lebensmittel, Medizinprodukte oder auch Dienstleistungen nicht mit höheren Preisen reagieren. Um die Steigerung der Betriebskosten, zu denen auch die Personalkosten gehören, angemessen abbilden zu können, müssten die entsprechenden Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB) V geändert werden. Dafür sei der Bund zuständig. Die Kundgebung in Düsseldorf war Teil eines bundesweiten Protesttages. Bundesgesundheitsminister Lauterbach reagierte auf die Proteste mit einem „Faktenblatt“, in dem er unter anderem auf die Finanzhilfen für die Krankenhäuser aufgrund der Coronapandemie und gestiegener Energiekosten verwies sowie die Länder an ihre Verantwortung für die Investitionskostenfinanzierung erinnerte. HK Deutscher Ärztetag Bourmer rückt auf Bundesebene vor Auf dem 76. Deutschen Ärztetag 1973 in München stand die Neuwahl des Präsidenten der Bundesärztekammer auf der Tagesordnung, wie das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) in seiner ersten Novemberausgabe vor 50 Jahren berichtete. Der bisherige Präsident, Professor Dr. Ernst Fromm, hatte im August 1973 aus persönlichen Gründen seinen Rücktritt erklärt. Zu seinem Nachfolger wählten die Abgeordneten im ersten Wahlgang Professor Dr. HansJoachim Sewering. Es gab keinen Gegenkandidaten. Nach seiner Wahl erklärte dieser, er werde „beharrlich für die Erhaltung der freien Arztwahl und die freie ärztliche Berufsausübung kämpfen“. Da Sewering zuvor Vizepräsident der Bundesärztekammer war, mussten die Delegierten diesen Posten ebenfalls neu besetzen. „Schon im ersten Wahlgang gelang es Dr. Bourmer, die nach der Satzung erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen weit zu übertreffen“, so das RÄ. Der zukünftige Präsident der Ärztekammer Nordrhein (1981 bis 1993) erhielt 146 Stimmen, die Mitbewerber 55 beziehungsweise 30. Dr. Horst Bourmer, der am 17. August 1920 in Köln geboren wurde, war seit 1956 im Vorstand der Ärztekammer Nordrhein. Mitglied im Marburger Bund war er seit 1948, und von 1972 bis 1989 bekleidete er das Amt des Vorsitzenden des Hartmannbundes, dem damals in Deutschland größten freien ärztlichen Verband. Bourmer wurde kurz vor dem Deutschen Ärztetag im September 1973 in Baden-Baden in seinem Amt als Bundesvorsitzender des Hartmannbundes bestätigt, wie das RÄ in der gleichen Ausgabe mitteilte. bre „Die beste Medizin: saubere Finanzierung“ unter diesem Motto hatte die NRW-Allianz für die Krankenhäuser zum Protest aufgerufen. Foto: Sabine Schindler-Marlow Cannabis-Konsum Dokumentierte Störungen Bei 108.313 gesetzlich Versicherten in Deutschland wurde im Jahr 2021 eine psychische Störung beziehungsweise Verhaltensstörung durch Cannabinoide dokumentiert. Dies ergab eine Auswertung der Abrechnungsdaten von Versicherten im Alter von zehn bis 54 Jahren durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Dies entspricht einer bundesweiten Diagnoseprävalenz von 29 Fällen je 10.000 GKV-Versicherte. Der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried wies bei der Vorstellung der Daten auf die mit dem Konsum von Cannabis einhergehenden gesundheitlichen Risiken hin. Diese dürften ebenso wenig unterschätzt werden wie das Suchtpotenzial von Cannabinoiden. tg Schmerzmittel Daten zur Verordnung Laut dem aktuellen BarmerArzneimittelreport 2023 werden Patienten häufig für sie ungeeignete Schmerzmittel verordnet. Unter rund 17,1 Millionen gesetzlich Versicherten mit einer medikamentösen Schmerztherapie (2021; Versicherte ab 18 Jahren) wurden 526.000 bei Herzinsuffizienz entgegen medizinischen Leitlinien nichtsteroidale Antirheumatika verschrieben. Kritisiert wird in dem Report zudem ein zu breiter und riskanter Einsatz von Opioiden bei Patienten ohne Tumorerkrankung. Auch bei den Verordnungsdaten von Metamizol ließen die Analysen auf einen zu unkritischen Einsatz schließen. tg

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 7 Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und ZusatzWeiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 26. Februar bis 1. März 2024. Anmeldeschluss: Mittwoch, 10. Januar 2024 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Weiterbildung Digitale Fallsammlung in der Radiologie Künftig dürfen in der radiologischen Weiterbildung auch zertifizierte digitale Fallsammlungen genutzt werden. Eine entsprechende Modifikation wurde von der Bundesärztekammer in die (Muster-)Weiterbildungsordnung aufgenommen. So kann nun bis zu einem Drittel der 1.500 Fälle, die in der radiologischen Weiterbildung im Bereich Mammadiagnostik zu bearbeiten sind, über die Arbeit mit digitalen Fallsammlungen angerechnet werden. Zuvor muss dies allerdings noch in der Weiter- bildungsordnung der Landesärztekammer umgesetzt werden. Die am Würzburger Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie erprobte Fallsammlung „Blended Learning Mamadiagnostik“ steht auf der digitalen Lernplattform „conrad“ der Deutschen Röntgengesellschaft zur Verfügung. tg Pflege-Report: Große regionale Unterschiede Große regionale Unterschiede bei der Versorgungsqualität von Menschen in Pflegeheimen hat der Pflege-Report 2023 des Wissenschaftlichen Instituts (WIdO) der AOK nach einer Auswertung der Abrechnungsdaten von rund 350.000 Pflegeheimbewohnern im Jahr 2021 ausgemacht. Untersucht wurden unter anderem die Häufigkeit einer Dauermedikation mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln, vermeidbare Krankenhausaufenthalte am Lebensende, das Auftreten von Dekubitus oder der Einsatz von für ältere Menschen ungeeigneter Medikation. Im Online-Portal „Qualitätsatlas Pflege“ des WIdO lassen sich die Ergebnisse nach Bundesländern und Kreisen vergleichen. HK Kurz gemeldet Medikationsfehler bei Kindern vermeiden Um im Notfall die Anwendung von Medikamenten bei Kindern zu erleichtern, hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) eine Kindernotfallkarte entwickelt. Nach Indikationen sortiert und farblich gut zu unterscheiden stellt die Karte die Angaben der zu applizierenden Medikamente für Kinder unterschiedlicher Alters- und Gewichtsklassen dar. Sie kann unter www.divi.de heruntergeladen werden. Die exakte Berechnung der gewichtsadaptierten Medikamentenapplikation sei eine der größten Herausforderungen für den Rettungsdienst, erklärte die DIVI. Sie führe nicht selten zu folgenschweren Dosierungsfehlern. HK Mammografie-Screening künftig bis 75 Jahre Zukünftig können auch Frauen im Alter von 70 bis 75 Jahre alle zwei Jahre am Mammografie-Screening teilnehmen. Wie der Gemeinsame Bundesausschuss Ende September mitteilte, können sich die neu Anspruchsberechtigen voraussichtlich ab dem 1. Juli 2024 selbst für einen Untersuchungstermin anmelden – eine Übergangslösung, bis das persönliche Einladungsverfahren auch auf diese Altersgruppe ausgeweitet ist. Der Ausdehnung des Früherkennungsangebots auf zusätzlich 2,5 Millionen Frauen lägen positive Bewertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und des Bundesamts für Strahlenschutz zugrunde. HK Laienreanimation Initiative „NRW rettet Leben“ gestartet Um den Menschen in Nordrhein-Westfalen Wissen und Techniken der Wiederbelebung zu vermitteln, hat die Ärztekammer Nordrhein gemeinsam mit der Ärztekammer Westfalen-Lippe und dem Deutschen Rat für Wiederbelebung (GRC) die Initiative „NRW rettet Leben“ gestartet. „Jährlich sterben deutschlandweit rund 60.000 Menschen an HerzKreislauf-Versagen. Dabei könnten 10.000 Leben zusätzlich gerettet werden, wenn die Laienreanimation flächendeckend angewendet würde“, sagte der GRC-Vorstandsvorsitzende Univ.-Professor Dr. Bernd W. Böttiger bei der Auftaktveranstaltung am 21. September im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Diese richtete sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung. Ziel war es, das „Curriculum Laienreanimation“ vorzustellen und über Wege zu diskutieren, wie sich Reanimationsschulungen flächendeckend und regelmäßig in der öffentlichen Verwaltung etablieren lassen, etwa in Form einer „aktiven Mittagspause.“ MST „Prüfen, Rufen, Drücken“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung trainieren Wiederbelebungsmaßnahmen. Foto: Sabine Schindler-Marlow www.aekno.de/wissenswertes/ laienreanimation

Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 Breite 57mm aekno 12pt Breite 39mm aekno 12pt Kinderarzneimittel BMG sieht Versorgung im Herbst und Winter weitgehend gesichert Auf die gegenüber dem Vorjahr deutlich verbesserte Versorgungslage bei Kinderarzneimitteln wies Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am 14. September bei einem „Kinderarzneimittelgipfel“ unter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hin. Die Produktionsmengen bei den kritischen Arzneimitteln und Antibiotika seien deutlich gesteigert worden, teilweise um bis zu 100 Prozent, die Produktion laufe auf Hochtouren. Unter Vermeidung von Hamsterkäufen sei die Versorgung mit Kinderarzneimitteln im Herbst und Winter 2023/2024 weitgehend gesichert, heißt es in einem vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorgelegten 5-Punkte-Plan. Sollte es trotzdem zu Engpässen kommen, seien zusätzliche Importe möglich. Hingewiesen wird im 5-Punkte-Plan auch auf die Bedeutung einer sparsamen und evidenzbasierten Verschreibung von Antibiotika bei Kindern und Jugendlichen; Festbeträge blieben bei dringlichen Kinderarzneimitteln weiter ausgesetzt, Rabattverträge würden ausgeschlossen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) bewertet die Initiative des BMG positiv; es bedürfe einer gemeinsamen Anstrengung aller an der Versorgung beteiligten Akteure. Die DGKJ werde zudem die Liste zu alternativen Kinderarzneimitteln bei Versorgungsengpässen von Antibiotika aktualisieren und allen Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten zur Verfügung stellen. tg Selbstverwaltung Kammerwahlen 2024 – alles im Blick warum es sich lohnt zu wählen, oder sich ehrenamtlich in der Ärztekammer Nordrhein zu engagieren. Ein Zeitplan zum Ablauf der Wahlen, wichtige Rechtsvorschriften wie die Wahlordnungen und Hinweise zum Aufstellen einer eigenen Wahlliste stehen ebenfalls zur Verfügung. Auch die Amtlichen Bekanntmachungen rund um die Wahlen zur Kammerversammlung und zu den Kreisstellenvorständen werden aufgeführt. Die Seiten werden bis zum Abschluss der Wahlen laufend aktualisiert. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail-­ Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre Die Vorbereitungen zu den Kammerwahlen im kommenden Jahr sind angelaufen. Auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein www.aekno.de werden alle Informatio- nen rund um die Wahl zur Kammerver- sammlung und zu den Kreisstellenvorständen an einer Stelle gebündelt. In der Rubrik „Ärztekammer“ ist ein Unterkapitel „Wahlen2024“ eingerichtet, das auch direkt über www.aekno.de/aerztekammer/wahlen2024 erreicht werden kann. Hier finden Kammermitglieder sämtliche Informationen sowie Kontaktdaten der Ansprechpartnerinnen der Kammer, die für Fragen rund um die Wahlen zur Verfügung stehen. Die Seiten bieten neben allgemeinen Informationen auch Anregungen, Bei Fiebersäften und Antibiotika für Kinder war es in der vergangenen Erkältungssaison zu Engpässen gekommen. Foto: PeopleImages/istockphoto.com Landessozialgericht Kommunikation mit Sachverständigen Unter dem Titel „Die Kommunikation zwischen Sachverständigen und Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Zeiten des elektronischen Rechtsverkehrs“ informiert das Landessozialgericht NRW am 22. November sowie am 13. Dezember 2023 von 15 bis 17 Uhr über Neuerungen der elektronischen Kommunikation. Die Veranstaltung, an der man auch online teilnehmen kann, findet im Plenarsaal, Zweigertstr. 54, 45130 Essen statt. Interessierte Gutachter und Sachverständige melden sich bis zum 8. November per E-Mail unter verwaltung@ lsg.nrw.de an. Informationen unter Tel.: 0201 7992-7296 oder -7530. bre Herzbericht 2022 Sterbefälle leicht rückläufig Die Koronare Herzkrankheit (KHK) ist zwar nach wie vor die häufigste Todesursache in Deutschland, die Sterblichkeit ist hingegen leicht rückläufig. Das geht aus dem aktuellen Herzbericht der Deutschen Herzstiftung hervor. Demnach starben im Jahr 2021 rund 120.000 Menschen an den Folgen der KHK, davon 45.000 am akuten Herzinfarkt. Die Sterberate lag bei 129,7 je 100.000 Einwohner (Herzinfarkt: 48,1). Damit sei die KHK-Sterblichkeit gegenüber 2020 leicht gesunken, so der Bericht. Zurückzuführen sei dies vor allem auf Verbesserungen der präventiven, rehabilitativen und therapeutischen Maßnahmen. Der vollständige Herzbericht 2022 ist unter https://herzstiftung.de/ herzbericht abrufbar. HK

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 9 Dr. med. h.c. Gerhard Vogt, ehemaliger Geschäftsführer der Ärztekammer Nordrhein und Chefredakteur des Rheinischen Ärzteblatts, feierte am 16. September in seiner Wahlheimat Düren seinen 95. Geburtstag. Vogt gilt als einer der profiliertesten Kenner der ärztlichen Selbstverwaltung und des Kammerwesens. Neben zahlreichen anderen Publikationen schuf er mit seiner Abhandlung „Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel – eine historische Dokumentation am Beispiel der Ärztekammer Nordrhein“ ein Standardwerk. Der beeindruckende 1.200 Seiten umfassende Band erschien 1998 im Deutschen Ärzteverlag. In Würdigung seiner medizinhistorischen Arbeiten verlieh ihm die Medinische Fakultät der Universität zu Köln 2002 die Ehrendoktorwürde. drohenden Praxenkollaps schaffen“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen. Zeitgleich mit der Mailing-Aktion stellt die KBV den Praxen unter www.kbv.de/ praxenkollaps ein Plakat für das Wartezimmer zur Verfügung. Mitte August hatten Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV bei einem Protesttag in Berlin Forderungen an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach übermittelt. Dieser reagierte auf die Vorschläge der Ärzteschaft bisher nicht. HK Leitlinie Alkohol Leichterer Zugang Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg hat eine Online-Leitlinie zu alkoholbezogenen Störungen entwickelt (www.alkoholleit linie.de), um niedergelassenen Hausärzten und Gynäkologen einen leichteren Zugang zur aktuellen AWMF S3-Leitline „Screening, Diagnose und Behandlung von alkoholbezogenen Störungen“ zu ermöglichen. Die Komplexität der Leitlinie soll damit für die Anwender reduziert werden. Für Ärzte besteht in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, über einen aktuellen CMEBeitrag Fortbildungspunkte zu erwerben (alkoholleitlinie. de/weiterbildung/cme- artikel/). tg Weiterbildung Pflicht zur Seminarteilnahme Für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung Allgemeinmedizin (ÄiW) ist seit Beginn des Jahres die Teilnahme an zwei Seminaren im Bonner Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin Nordrhein verpflichtend. Sie ist Voraussetzung für die Förderung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Die Seminare für ÄiW sind auf das eLogbuch Weiterbildung abgestimmt, sodass die Inhalte nach Besuch des Seminars vom Weiterbildungsbefugten als absolviert markiert werden können. ÄiW, die die obligatorischen Seminare in diesem Jahr noch nicht besucht haben, können das Kompetenzzentrum Weiterbildung zur Anmeldung per E-Mail kontaktieren: Info@kompetenzzentrumnordrhein.de. tg Ärztekammer Nordrhein Dr. med. h.c. Gerhard Vogt wurde 95 Jahre alt Kassenärztliche Bundesvereinigung Mailing-Protest gegen den Praxenkollaps Um auf die schlechten Rahmenbedingungen in den Praxen der niedergelassenen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten aufmerksam zu machen, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) online eine Aktionsseite gestartet. Unter www.praxenkollaps.info können der KBV zufolge Bürgerinnen und Bürger ihre Abgeordneten im Bundestag kontaktieren und auf die schwierige Situation in der ambulanten Versorgung hinweisen. „Wir möchten mit unserem Tool bei den politisch Verantwortlichen ein Bewusstsein für den Die Ärztekammer Nordrhein gratulierte in Düren: (v.l.) Klaus Schumacher, ehemaliger Verwaltungsdirektor, Dr. rer. pol. Wolfgang Klitzsch, ehemaliger Geschäftsführer, Präsident Rudolf Henke, Dr. med. h.c. Gerhard Vogt, Christina HirthammerSchmidt-Bleibtreu, Justitiarin, und die Ehefrau des Jubilars, Renate Vogt Foto: Christian Köhne Der gebürtige Hannoveraner war fast 30 Jahre lang für die Ärzteschaft tätig. Von 1967 bis 1971 bearbeitete er zunächst als Vorstandsreferent und später als Geschäftsführer Fragen des Krankenhauswesens bei der Bundesärztekammer damals noch in Köln. 1971 wechselte er als Geschäftsführer zur Ärztekammer Nordrhein nach Düsseldorf und wurde 1977 zugleich Chefredakteur des Rheinischen Ärzteblatts. Beide Ämter hatte er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1992 inne. In Düren, wo er seit den 1980erJahren lebt, engagierte er sich bis ins hohe Alter für die 2003 gegründete Bürgerstiftung, die sich unter anderem Förderprojekten zum Spracherwerb an Grundschulen verschrieben hat. HK

10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 Magazin – Studium und Berufseinstieg Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) hat für die Petition „Ausbildung statt Ausbeutung – für ein faires PJ“ 102.286 Unterschriften gesammelt und diese kürzlich an das Bundesgesundheitsministerium übergeben. Dabei nutzten die Medizinstudierenden die Gelegenheit, nochmals auf ihre Kernforderungen für ein faires Praktisches Jahr (PJ) aufmerksam zu machen. Dazu zählt die Änderung der Fehlzeitenregelung im PJ. Damit die 30 Fehltage, die jeder Studierende während des PJ zur Verfügung hat, nicht von Krankheitstagen aufgezehrt werden, müsse zwischen Krankheits- und Fehltagen unterschieden werden, was derzeit nicht der Fall sei. Daneben fordert der bvmd eine qualitativ hochwertige Ausbildung sowie einen zeitlichen Mindestabstand von vier Wochen zwischen dem Ende des PJ und dem dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung. Die vierte Forderung bezieht sich auf eine auskömmliche Aufwandsentschädigung in einer Mindesthöhe des BAföG-Höchstsatzes. bre Seit zwei Monaten bin ich zurück von meinem Erasmus-Semester an der Universitat Autónoma de Barcelona. Das Wiederkommen und Ankommen hier in Essen fällt mir doch deutlich schwerer als erwartet. Es war eben nicht einfach nur ein langer Urlaub, sondern ein richtiges Leben mit Alltag, Freunden und Hobbys, das ich mir in kurzer Zeit in einem fremden Land aufgebaut habe und das doch ziemlich anders war als das Leben hier. Hier in Essen hat sich nämlich gar nicht so viel verändert, was zum einen sehr schön ist, sich zum anderen aber auch ein Stück weit unpassend anfühlt. Ich bin gespannt, wie lange ich mich noch in dieser Übergangsphase befinden werde. Mein Unialltag wird nun auch wieder ein ganz anderer sein. In Barcelona war die Lehre Erfolgreiche Petition Medizinstudierende übergeben mehr als 100.000 Unterschriften Mail aus Essen Hannah Stamm Foto: privat Medizinstudierende übergaben für ein fair gestaltetes Praktisches Jahr über 100.000 Unterschriften an das Bundesgesundheitsministerium. Foto: bvmd Approbationsordnung Hausärzte machen Druck Auf dem 44. Deutschen Hausärztinnen- und Hausärztetag in Berlin forderten die Delegierten das Bundesgesundheitsministerium und die Landesgesundheitsministerien auf, die Reform der Approbationsordnung für Ärzte gemäß dem Konsens zum Masterplan Medizinstudium 2020 zu verabschieden und damit unter anderem die Allgemeinmedizin zu stärken. Der Referentenentwurf vom Juni 2023 solle unverändert beschlossen werden, heißt es in dem Beschluss. Die Ausbildung müsse stärker ambulant erfolgen, um dem Versorgungsbedarf der Bevölkerung gerecht zu werden, so die Hausärzte. Gleichzeitig warnten die Delegierten davor, den Begriff „Allgemeinmedizin“ in der Approbationsordnung durch „hausärztliche Versorgung“ zu ersetzen. Die medizinische Ausbildung sei nach Fachgebieten organisiert und „hausärztliche Versorgung“ sei ein sozialrechtlicher Begriff. bre Ranking Bonn und Aachen unter den Top 100 Beim World University Ranking des britischen Magazins Times Higher Education (THE) landete die Rheinisch-­ Westfälische Technische Hochschule Aachen auf Platz 90 und auf Platz fünf unter den deutschen Unis. Die Universität Bonn belegte im internationalen Vergleich Platz 91 und Platz sechs in Deutschland. THE nimmt für das jährliche Ranking rund 1.900 Universitäten aus 108 Ländern unter die Lupe. Die Universitäten werden in fünf Kategorien zu Forschung, Lehre, Internationalisierung und Industrie mit 17 Indikatoren verglichen. Besser als die beiden Hochschulen aus Nordrhein schnitten in dem Ranking die Technische Universität München auf Platz 30, die Ludwig-Maximilians-Universität ebenfalls zu München auf Platz 38, Heidelberg auf Platz 47 und die Humboldt-Universität Berlin auf Platz 87 ab. Hinter Bonn landete die Berliner Charité auf Platz 94 und Tübingen auf Platz 95. Die Kölner Universität belegte Platz 160. www.timeshighereducation.com bre sehr durch theoretische Vorlesungen mit ergänzenden Seminaren und Praktika geprägt. Mein nächstes Semester hier in Deutschland wird ausschließlich aus Praktika in verschiedenen Bereichen wie Chirurgie, Innerer Medizin, Notfallmedizin und Gynäkologie bestehen, worauf ich mich sehr freue. Was mir als besondere Herausforderung in Barcelona im Kopf geblieben ist, ist ein Vortrag im Fach Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, den ich mit einer Gruppe spanischer Studierender auf Spanisch halten musste. Auch wenn es „nur“ rund sieben Minuten waren und ich mir meinen Text gut zurechtgelegt und gelernt hatte, ist es doch etwas ganz anderes nicht in der eigenen Muttersprache zu präsentieren. Glücklicherweise waren sowohl die Dozierenden als auch die Studentinnen und Studenten sehr verständnisvoll und hilfsbereit. Sie haben mich bei jedem Versuch, der Sprache näher zu kommen, bestärkt. Ich hoffe sehr, dass mir zumindest ein Stück des „Barcelona Lebensgefühls“ sowie der Bezug zur Sprache hier erhalten bleiben werden. Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium@ aekno.de.

BERATUNG AUF EINEN BLICK www.aekno.de/aerzte/beratung ARZNEIMITTELBERATUNG Dr. med. Ina Falbrede, 0211 4302 2280 ina.falbrede@aekno.de KRISENINTERVENTION NACH TRAUMATISCHEN ERFAHRUNGEN IM ÄRZTLICHEN BERUF Dr. med. Stefan Spittler, 0172 2425122 dr.stefanspittler@t-online.de BERATUNGSSTELLE FÜR SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ RAin Katharina Eibl, RAin Kristina Hessenkämper, 0211 4302 2306 katharina.eibl@aekno.de, kristina.hessenkaemper@aekno.de MOBBINGBERATUNG Stefanie Esper M. A., 0211 4302 2204 stefanie.esper@aekno.de SUBSTITUTIONSGESTÜTZTE BEHANDLUNG OPIOIDABHÄNGIGER Jo Shibata, 0211 4302 2213 stefan.kleinstueck@aekno.de BERUFSRECHTLICHE BERATUNG 0211 4302 2303 rechtsabteilung@aekno.de CIRS-NRW – PATIENTENSICHERHEIT Judith Singer, 0211 4302 2218 judith.singer@aekno.de GOÄ Dr. med. Anja Pieritz, Dr. med. Kerrin Prangenberg, Sevda Thomas 0211 4302-2133, -2134, -2135 goae@aekno.de GRENZVERLETZUNGEN UND MISSBRAUCH Dr. med. Axel Herzog, Dr. med. Elisabeth Lüking, Nadja Rößner, Thomas Gröning, 0211 4302 2500 patientenberatung@aekno.de INTERVENTIONSPROGRAMM FÜR ABHÄNGIGKEITSKRANKE ÄRZTE Dr. med. Stefan Spittler, 0172 2425122 dr.stefanspittler@t-online.de KRANKENHAUSPLANUNG IN NORDRHEIN-WESTFALEN RAin Lilian Becker, 0211 4302 2115 krankenhausplanung@aekno.de PATIENTENBERATUNG Dr. med. Axel Herzog, Dr. med. Elisabeth Lüking, Nadja Rößner, Thomas Gröning 0211 4302 2500 patientenberatung@aekno.de PRÄVENTIONSGESETZ Sabine Schindler-Marlow, Snezana Marijan 0211 4302 2010, -2031 snezana.marijan@aekno.de ARBEITSSICHERHEIT UND BETRIEBSMEDIZIN Stefanie Esper M. A., 0211 4302 2204 stefanie.esper@aekno.de MEDIZINETHISCHE BERATUNG (GRÜNDUNGSAUSSCHUSS) Stefan Kleinstück, 0211 4302 2208 ethikberatung@aekno.de QS-STRAHLENSCHUTZ Dr. med Birgit Hallmann 0211 4302 2290 qsradnr@aekno.de WEITERBILDUNG Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden Sie auf der Internetseite www.aekno.de/weiterbildung denisismagilov/stock.adobe.com, Ed Telling/istockphoto.com, fizkes/stock.adobe.com, Alvaro Heinzen/istockphoto.com, Till Erdmenger, jeremias münch/stock.adobe.com, wavebreakmediaMicro/stock adobe.com, PeopleImages/istockphoto.com, wavebreakmedia/ istockphoto.com, Vassiliki Latrovali, Viktor_ Gladkov, pressmaster/stock. adobe.com, unsplash/gettyimages, alvarez/istockphoto.com, Minerva Studio/Fotolia, virtua73/Fotolia, Westend61/Fotolia

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 Die Befragung von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (WBA) sowie Weiterbildungsbeauftragten (WBB) hat in der verfassten Ärzteschaft in Deutschland eine lange Tradition. Bereits 2009 startete die Bundesärztekammer unter der Leitung des damaligen Präsidenten, Professor Dr. JörgDietrich Hoppe, der auch Präsident der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) war, die erste bundesweite Evaluation der Weiterbildung. Die Befragung ging auf Beschlüsse zur Qualitäts- und Transparenzsteigerung bei der Weiterbildung auf den Deutschen Ärztetagen 2007 und 2008 zurück. Auch trieb die verfasste Ärzteschaft die Sorge um, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte ins Ausland abwandern oder ihre ärztliche Expertise ohne Weiterbildung in einem Arbeitsbereich außerhalb der Patientenversorgung einbringen könnten. Alle Landesärztekammern mit Ausnahme von Sachsen beteiligten sich 2009 an der Umfrage zur Qualität der Weiterbildung aus der Sicht der Akteure. An dieser ersten bundesweiten Online-Umfrage beteiligten sich bundesweit knapp 30.000 Ärztinnen und Ärzte. Die zweite Umfrage erfolgte im Jahr 2011. Damals beteiligten sich über 9.250 WBB und mehr als 20.500 WBA. Qualität der Weiterbildung im Fokus Seit damals wurden weitere Evaluationen initiiert, wobei eine geplante zweijährige Frequenz nicht durchgehalten wurde und sich die Landesärztekammern unterschiedlich intensiv an den Umfragen beteiligten. Die 2014 initiierte Befragung knüpfte an die beiden vorangegangenen Umfragen an. Auf den Deutschen Ärztetagen 2022 in Bremen und 2023 in Essen verabschiedeten die Abgeordneten erneut Beschlüsse zur Evaluation der Weiterbildung. In dem 2023 gefassten Beschluss heißt es, die Evaluation solle bundesweit einheitlich sein, zur frühzeitigen Erkennung von Schwachpunkten in der Weiterbildung dienen und Analysen ohne daraus folgende Konsequenzen vermeiden. Die Umfragen und deren Ergebnisse sollten zum Austausch und zur Weiterentwicklung der Weiterbildung dienen. Ziel sei zudem, die unterschiedlichen Bedingungen der Weiterbildung in jedem Bundesland transparent und vergleichbar zu machen. ÄkNo-Präsident Rudolf Henke sagte mit Blick auf die Bedeutung der Evaluation: „Eine qualifizierte und strukturierte Weiterbildung ist das Fundament für eine gute Patientenversorgung und die Basis für eine erfüllte Facharztlaufbahn.“ Noch während der Coronapandemie verständigten sich fünf Landesärztekammern, darunter auch die Ärztekammer Nordrhein, auf einen sogenannten Kernfragebogen für die zukünftigen Umfragen, um vergleichbare Ergebnisse zu generieren. Der Kernfragebogen beinhaltet neben wenigen Angaben zur Person und zum Datenschutz insgesamt 14 Fragen zur Weiterbildung beziehungsweise zur Weiterbildungsstätte. Damit ist dieser Fragebogen deutlich entschlackt im Vergleich zu früheren Befragungen. Zum Beispiel sollten 2011 die WBA 106 und die WBB rund 60 Fragen beantworten. Foto: vegefox.com/stock.adobe.com Evaluation der Weiterbildung Regelmäßig nimmt die Ärzteschaft die Qualität der Weiterbildung unter die Lupe. Dabei sind im Laufe der Jahre ganz unterschiedliche Frage- und Analysetools zum Einsatz gekommen. Die jüngste Befragung in Nordrhein und bei anderen Landesärztekammern fand mit einem einheitlichen Online-Fragebogen Anfang des Jahres statt. Die Ergebnisse liegen nun auf dem Tisch und die Ärztekammer Nordrhein nimmt sich erste Maßnahmen vor. von Jürgen Brenn

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 13 Allerdings animieren die Tendenzen zur Weiterentwicklung, da Defizite erkennbar sind.“ Er plädierte dafür, dass die Evaluation als Gradmesser für die Qualität der Weiterbildung weitergeführt werden solle. Als Instrumente zur Verbesserung der Situation empfahl Heep: „Die Befugten müssen wieder mehr geschult werden.“ Pflichtabfragen, wie bereits im Studium regelhaft, sollten für die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zur Routine werden. Nur wenn die Kammer die Situation in der Weiterbildung einschätzen könne, könne sie Missstände beheben, so Heep. Der Leiter der Weiterbildungsabteilung der Ärztekammer Nordrhein, Tkotsch, hob hervor, dass angesichts der Umfrageergebnisse eine Verbesserung des Fehlermanagements in den Weiterbildungsstätten angezeigt sei. „Die Weiterbildungsbefugten sollten ihrer Verantwortung als Weiterbilder höhere Priorität einräumen.“ Dies spiegeln auch die Anmerkungen wider, die die WBA bei der UmAuf dem diesjährigen Ärztetag stellten Dr. Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer WestfalenLippe und sein Amtskollege aus der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Professor Dr. Henrik Herrmann, die Ergebnisse der Befragung aus den Jahren 2022 und 2023 vor. Zwölf Ärztekammern, darunter auch Nordrhein, hatten die WBA zur Facharztweiterbildung befragt. Insgesamt beteiligten sich knapp 11.000 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung an den Online-Umfragen ihrer jeweiligen Ärztekammer. Die Auswertung für die Zusammenschau im Bund übernahm die Bundesärztekammer und für Nordrhein das Institut für ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein. In Nordrhein wurden alle Kammermitglieder unter 45 Jahren ohne Facharztbezeichnung von denen eine E-Mail-Adresse vorlag, angeschrieben, erläutert der Leiter der Weiterbildungsabteilung der ÄkNo, Olaf Tkotsch, die Herangehensweise der Kammer. Rund 8.900 Mitglieder wurden so zu der Online-­ Umfrage eingeladen. Geantwortet haben rund tausend Mitglieder; 60 Prozent davon waren Ärztinnen. Auf Bundesebene waren 55 Prozent der WBA, die sich an der Umfrage beteiligten, weiblich. Die meisten WBA in Nordrhein befanden sich in der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin, Anästhesie oder Allgemeinmedizin. 80 Prozent gaben an, ihre Weiterbildung in Vollzeit zu absolvieren, was dem Bundesdurchschnitt entspricht. Vergleichbare Ergebnisse im Bund und in Nordrhein Die Frage, ob dem WBA ein schriftliches Weiterbildungsprogramm am Anfang der Tätigkeit ausgehändigt wurde, verneinten in Nordrhein 55 Prozent der Befragten. Auf Bundesebene sogar über 60 Prozent. Bundesweit antworteten 26 Prozent mit „Ja“ und in Nordrhein 25 Prozent. Wenn ein Programm ausgehändigt wurde, orientierte sich die Weiterbildung auch zum überwiegenden Teil daran. Dies bestätigten im Bundesdurchschnitt über 75 Prozent der Befragten, in Nordrhein sogar 80 Prozent. Regelmäßige Weiterbildungsgespräche sind in Nordrhein mit rund 55 Prozent der WBA geführt worden. Im Bundesdurchschnitt gaben mehr als 57 Prozent der Assistenzärzte an, dass dies der Fall war. In der Mehrzahl führten der Weiterbildungsbeauftrage oder der jeweilige Chefarzt das Gespräch. In Nordrhein gab knapp ein Viertel der Befragten an, dass an ihrer aktuellen Weiterbildungsstätte nie oder selten offen mit Fehlern und Kritik umgegangen werde. 52 Prozent gaben „überwiegend“ und „immer“ zur Antwort. Auf die Frage, ob sie ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen würden, antworteten 57 Prozent der nordrheinischen WBA mit „Ja“. Im Bundesdurchschnitt fiel die Antwort auf diese Gretchenfrage mit 59 Prozent etwas besser aus. Professor Dr. Hansjörg Heep, Vorstandsmitglied der ÄkNo und Vorsitzender des Ausschusses Weiterbildung, sagte mit Blick auf die nordrheinische Befragung: „Die Ergebnisse lassen nur eine Trendaussage zu. Sie spiegeln wegen der Verteilung auf wenige Fachgebiete nicht unbedingt ein Allgemeinbild wieder. Aushändigung eines Weiterbildungsprogramms 70 60 50 40 30 20 10 0 ja nein keine Angaben 25 % 26 % 55 % 62 % 20 % 12 % Nordrhein Bund Prozent frage gemacht haben. Die Aussagen sind breit gefächert und reichen von „Alles wunderbar“ oder „Meine Weiterbildung ist top!“ bis hin zu „Ausbildung – so etwas gibt es nicht, keine Struktur, man ist in der Hierarchie verloren“. Ein weiteres Problem ist nach den Angaben zahlreicher Befragter der ärztliche und pflegerische Personalmangel in den Weiterbildungsstätten, der oftmals verhindere, dass Oberärztinnen und -ärzte Zeit für die WBA hätten, um ihnen Sachverhalte zu erläutern: Ein Umfrageteilnehmer schrieb: „Bei hohem Zeitdruck durch Personalmangel besteht sehr oft keine Möglichkeit einer Anleitung oder Ausbildung insbesondere im OP.“ Bundesärztekammer und Landesärztekammern, die mit dem Kernfragebogen die Online-Umfrage bestritten hatten, haben zum Teil bereits auf die Kritikpunkte reagiert. So wurde im Juli das elektronische Logbuch um den Punkt „Weiterbildungsprogramm ausgehändigt“, den WBA und WBB ausfüllen müssen, erweitert. Auch wird nach Angaben von Tkotsch noch in diesem Jahr der Kernfragebogen überarbeitet. Bei der Erteilung der Weiterbildungsbefugnis soll in Nordrhein künftig der Fokus verstärkt auf das Weiterbildungsprogramm gerichtet werden. Auch plant die ÄkNo, die Fortbildung „Verantwortung als Weiterbilder“, die derzeit als Online-­ Fortbildung angeboten wird, wieder wie vor der Coronapandemie regelmäßig in Präsenz anzubieten.

14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 15 Das dritte Herz Die Zahl der Organspenden in Deutschland hat einen neuen Tiefstand erreicht. 869 Menschen spendeten im vergangenen Jahr nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Das waren knapp sieben Prozent weniger als 2021. Dimitrios Christodoulou haben Herzen von Fremden das Leben gerettet. von Heike Korzilius Dimitrios kommt direkt aus der Berufsschule in die Ärztekammer Nordrhein. T-Shirt, schwarze Jeans, bunte Sneaker, Freundschaftsbändchen an den Armen – rein äußerlich unterscheidet sich der 21-Jährige nicht von vielen Altersgenossen. Lediglich die breite Narbe an seinem Halsausschnitt lässt auf das schließen, was er in seinem jungen Leben bereits durchgestanden hat. Dimi, wie ihn die meisten nennen, ist zweifach herztransplantiert. Angefangen hatte alles im Jahr 2017. Dimi – gesund, sportlich und topfit, wie er selbst sagt – erkrankte an einer Lungenentzündung, in deren Folge sich eine Herzmuskelentzündung entwickelte. „Ich konnte gar nichts mehr, ich kam nicht mal mehr die Treppen hoch zu unserer Wohnung im zweiten Stock“, erinnert er sich im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Sein Spezial Organspende rettet Leben Im vergangenen Jahr scheiterte in der Hälfte der Fälle eine Organspende an einer fehlenden Zustimmung. In den Fällen, in denen bei einem Verstorbenen die Möglichkeit zu einer Organspende bestand, lag nur bei 15 Prozent eine schriftliche Entscheidung vor. Dimitrios Christodoulou lebt seit November 2022 mit seinem zweiten Spenderherz. Auch das Projekt Lebensritter des Netzwerks Organspende NRW e.V. griff seine Geschichte auf. Das Netzwerk wird im Rahmen der Selbsthilfeförderung durch die Ersatzkassen NRW unterstützt und will Menschen das Thema Organspende näherbringen. Foto groß: sturti/istockphoto.com Foto klein: Lebensritter.de

16 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 einer gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung der ärztlichen und pflegerischen Transplantationsbeauftragten in NRW im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft. Für NRW zeichnete der Geschäftsführende Arzt der DSO-Region Nordrhein-Westfalen ein besonders düsteres Bild. Hier sank die Zahl der postmortalen Organspender 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent, von 206 auf 169. Grebe betonte zugleich, dass im Gegensatz zu den Spenderzahlen die organspendebezogenen Kontakte der Entnahmekrankenhäuser zur DSO zwischen 2021 und 2022 um vier Prozent zugenommen hätten. Insgesamt habe es im vergangenen Jahr 3.256 Kontaktaufnahmen zur DSO gegeben. „Die Zunahme zeigt, dass in den Krankenhäusern das Thema Organspende mehr in den Fokus gerückt ist“, erklärt Grebe gegenüber dem Rheinischen Ärzteblatt. „Leider hat diese positive Entwicklung aber nicht zu mehr Organspenden geführt.“ Im vergangenen Jahr sei die Spende in der Hälfte der Fälle an einer fehlenden Zustimmung gescheitert. Zwar spielten mit zunehmendem Alter der Spenderinnen und Spender auch Kontraindikationen eine Rolle. Deren Anteil habe sich in den letzten Jahren aber kaum verändert. „2022 war tatsächlich eine Ablehnung der Spende der häufigste Grund, weshalb eine mögliche Organentnahme nicht realisiert werden konnte“, sagt Grebe. Die Organspende brauche die breite Unterstützung der Bevölkerung, betont der DSO-Vertreter. Umfragen zufolge bestehe hierzulande seit vielen Jahren eine hohe Bereitschaft zur Organspende. Aktuelle Studienergebnisse der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hätten ergeben, dass rund 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Organspende positiv gegenüberstehen. Zudem hätten mehr als 40 Prozent der Befragten angegeben, dass sie ihre Entscheidung zur Organspende dokumentiert hätten. „Doch genau an diesem Punkt hapert es, wie der Klinikalltag zeigt“, sagt Grebe. „In den Fällen, in denen im vergangenen Jahr bei einem Verstorbenen die Möglichkeit zur Organspende bestand, lag nur bei 15 Prozent eine schriftliche Entscheidung vor.“ In 21 Prozent der Fälle war der Wille unbekannt. In diesen Situationen würden Angehörige gebeten, nach ihren eigenen Wertvorstellungen zu entscheiden, was oftmals für die Hinterbliebenen sehr belastend sei. „In den meisten Fällen geben Angehörige ihre Zustimmung zur Organspende nicht, vermutlich aus Unsicherheit“, erklärt Grebe. Dem Organmangel entgegenwirken 2019 und 2020 hat der Gesetzgeber mit unterschiedlichen Regelungen versucht, dem Organmangel entgegenzuwirken. Das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen in der Organspende zielte auf bessere Rahmenbedingungen und Prozesse in den Entnahmekrankenhäusern, mit dem Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft sollten die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert werden, sich mit dem Thema Organspende ergebnisoffen auseinanderzusetzen und ihre Entscheidung unter anderem in einem Online-Register zu dokumentieren (siehe Kasten). Spezial Zustand verschlechtert sich dramatisch, er wird in das Kinderherzzentrum in Bad Oeynhausen eingewiesen, wo schnell klar wird, dass er ein neues Herz braucht. Dimi hat Glück. Ein halbes Jahr verbringt er in der Klinik, eine tragbare Maschine ersetzt seine linke Herzseite, dann erhält er ein Spenderorgan. Die körperlichen Wunden heilen gut, doch psychisch ist er angeschlagen. „Ich war richtig depressiv“, sagt er im Rückblick. „Warum ich?“, habe er sich gefragt. „Ich brauchte lange, bis ich wieder richtig gut drauf war und die Situation akzeptieren konnte.“ Geholfen hat ihm in dieser Zeit neben der Familie vor allem der Kinderpsychologe in der Herzklinik, zu dem er heute noch Kontakt hat. Das Spenderherz wird abgestoßen Dimi kehrt zurück ins Leben. Er schließt die Realschule ab, macht sein Fachabitur, ein Freiwilliges Soziales Jahr. Bevor er seine Ausbildungsstelle zum Erzieher antritt, jobbt er in einem Düsseldorfer Bekleidungshaus. Dort bricht er im November 2022 völlig unvermittelt zusammen. Ammar Ghouzi, Ärztlicher Leiter der Zentralen Notaufnahme der Schön Klinik Düsseldorf, hat Dienst, als Dimi dort als Notfall eingeliefert wird. Zunächst habe er geglaubt, dass Dimi zu einer kleinen Gruppe betrunkener junger Männer gehört, die fast zeitgleich in der Notaufnahme eingetroffen sind. Eine Krankenschwester hat Zweifel und dann entdecken beide die Narbe an Dimis Brustkorb. Eine Ultraschalluntersuchung bringt die Gewissheit: Das Spenderherz wird abgestoßen. Die Ärzte vermuten, dass ein Wechsel des Immunsuppressivums kurz zuvor die Abstoßungsreaktion hervorgerufen haben könnte. „Eine so späte Abstoßung kommt sehr selten vor“, erklärt Ghouzi am Telefon. Unmittelbar nach der Transplantation komme es in einem Drittel der Fälle zu Abstoßungsreaktionen, die häufig reversibel seien, je nachdem, wie früh man diese erkenne. „Als Dimi zu uns kam, war die Abstoßung so weit fortgeschritten, dass wir sie medikamentös nicht mehr stoppen konnten“, erinnert sich der Notarzt. Eine erneute Transplantation ist notwendig. Das Herzzentrum in Bad Oeynhausen sagt die Aufnahme zu. Ghouzi alarmiert den Rettungsdienst für den Transport des Jungen. Er entschließt sich kurzerhand, Dimi, der sich in kritischem Zustand befindet, selbst zu begleiten. „Die Alternative war, er stirbt bei uns in der Notaufnahme“, sagt Ghouzi. „Die Situation war an Dramatik nicht zu überbieten.“ In Bad Oeynhausen steht das Team bereit, als Dimi im Rettungswagen eintrifft. Er ist bewusstlos und wird umgehend an die HerzLungen-Maschine angeschlossen – ein Überbrückungsverfahren bis zur Transplantation. Nach einer Woche erhält er sein zweites Spenderherz. 869 Menschen spendeten in Deutschland im vergangenen Jahr nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Das waren nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) knapp sieben Prozent weniger als 2021. Der rückläufige Trend der letzten zehn Jahre setze sich damit fort, erklärte Dr. Scott Grebe Ende August bei

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