Rheinisches Ärzteblatt 11/2023

24 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2023 Forum Betroffene wollen ernst genommen werden So individuell die Symptome einer LongCOVID-Erkrankung sind, so sehr gleichen sich dennoch die Erfahrungen der Betroffenen: Ihr Leben hat sich vollkommen verändert. Auf Einladung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) diskutierten Expertinnen und Experten im Rahmen der Veranstaltung „Long-COVID – eine Herausforderung im Gesundheitssystem“ im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft über die noch immer Rätsel aufgebende Krankheit. von Ina Armbruster „F rüher bin ich auf 2.000 Meter hohe Berge geklettert, heute ist der Gang zum Briefkasten ein Abenteuer“, zitierte Dr. Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einen Patienten. Sie moderierte die Veranstaltung „Long-COVID – eine Herausforderung im Gesundheitssystem“ der KV Nordrhein in Düsseldorf. Etwa 50 Besucherinnen und Besucher nahmen vor Ort teil, fast 300 Zuschauer verfolgten die Vorträge und Fragerunden online. Dr. Frank Bergmann, KVNO-Vorstandsvorsitzender, betonte: „Bei den meisten Erkrankten bilden sich die Spätfolgen einer Corona-Infektion innerhalb eines Jahres wieder zurück. Doch aufgrund der hohen Infektionszahlen ist auch die Zahl der Menschen hoch, die unter langfristigen Folgen leiden.“ Der Großteil dieser Patientinnen und Patienten wird in Hausarztpraxen begleitet. Nach den Auswertungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung haben zwischen Januar 2021 und März 2023 allein in Nordrhein Ärztinnen und Ärzte für mehr als 171.000 Patientinnen und Patienten Behandlungen von Post-COVIDErkrankungen abgerechnet. Noch immer keine eindeutigen Marker vorhanden Die größte Herausforderung dabei für die Behandelnden: Bisher sind keine eindeutigen Marker bekannt, sodass die Diagnose nach wie vor nur durch ein Ausschlussverfahren gestellt werden kann. Ebenso gibt es bisher keine ursächliche Behandlung. Diese Situation belastet sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch die Betroffenen. Welch wichtige Rolle vor diesem (ME/CFS). Damit fehlt Betroffenen auch die Energie, sich um nötige Schritte auf dem Weg zur Genesung beziehungsweise Linderung zu kümmern. Deswegen sind laut Rommerwinkel Beratungsangebote dringend nötig. Dr. Inka Daniels-Haardt, Fachbereichsleiterin Infektiologie beim Landeszentrum Gesundheit NRW, verwies auf die zum Teil mangelnde Aufklärung bei ME/ CSF, die auch nach anderen Infektionskrankheiten auftreten kann. „Ziel der stationären oder ambulanten Therapien soll Hintergrund auch die Selbsthilfe spielt, betonte Claudia Middendorf, Patienten- und Behindertenbeauftragte des Landes NRW. „Gemeinsam ist man stärker“, sagte sie und rief Betroffene zum Engagement in der Selbsthilfe auf, um gemeinsam Lücken im System festzustellen und Lösungsansätze für neue Strukturen zu finden. Die bürokratischen Hürden erlebt auch Nadine Rommerwinkel immer wieder: Als Fachärztin für Innere Medizin füllte sie im Alltag ständig Formulare aus. Nach ihrer COVID-19-Erkrankung war ihre Leistungsfähigkeit nicht nur körperlich, sondern auch kognitiv so eingeschränkt, dass sie selbst Hilfe benötigte, um ihren Reha-­ Antrag auszufüllen. Heute setzt sie sich – soweit es ihre Kräfte inzwischen wieder zulassen – bei der Initiative „Long COVID Deutschland“ für andere Patientinnen und Patienten ein. Wie sie selbst leiden viele unter dem Chronischen Fatigue-Syndrom in diesen Fällen nicht die Aktivierung, sondern das sogenannte ,Pacing‘ sein. Patientinnen und Patienten müssen ihre Belastungsgrenzen kennenlernen und Strategien lernen, damit umzugehen“, betonte sie. PAIS erst seit Corona vermehrt im Fokus Ihre Fachkollegin, Professor Dr. Clara Lehman, forscht an der Uniklinik Köln zum Thema Long- und Post-COVID. Post-akute Infektionssyndrome (PAIS) seien bisher in der Forschung vernachlässigt worden. Durch die hohen Betroffenen-Zahlen bei Corona geraten PAIS nun in den Fokus. Die ersten Studien mit dem Arzneimittel BC 007 laufen, bisher gebe es allerdings keine kausale Behandlung. Hausarzt Dr. Matthias Schlochtermeier plädierte dafür, die Sorgen der Betroffenen ernst zu nehDer Antrieb fehlt: Viele von Long-COVID Betroffene leiden unter dem Fatigue-Syndrom. Foto: Andrzej Wilusz/stock.adobe.com

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