Rheinisches Ärzteblatt 11/2023

Mein Beruf Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 /2023 51 Foto: Labor Dr. Wisplinghoff Nach dem Abitur zog es Dr. Laura Vogelgesang für ein Jahr als freiwillige Helferin nach Tansania. Von 2015 bis 2021 studierte sie Humanmedizin an der Universität des Saarlandes. Nach Erhalt der Approbation wechselte Vogelgesang 2022 ins Kammergebiet. Zunächst als Ärztliche Teamleitung der Infektionshygiene des Kölner Gesundheitsamtes. Bereits zu Beginn der Coronapandemie war sie als studentische Mitarbeiterin der Covid-19-Intensivstation des Universitätsklinikums Homburg tätig. Es folgte ein Jahr in der Inneren Medizin, bis sie schließlich im Juni 2023 ihre Weiterbildung in der Laboratoriumsmedizin im Labor Dr. Wisplinghoff in Köln begonnen hat. Dr. Laura Vogelgesang, angehende Fachärztin für Laboratoriumsmedizin „Der Wechsel ins Labor war ein großer Schritt“ Job, Beruf, Berufung? – An dieser Stelle berichten junge Ärztinnen und Ärzte über ihren Weg in den Beruf, darüber, was sie antreibt und warum sie – trotz mancher Widrigkeiten – gerne Ärztinnen und Ärzte sind. Frau Dr. Vogelgesang, was hat den Ausschlag für Ihre Fächerwahl gegeben? Vogelgesang: Bis zum Examen wusste ich nicht wirklich, welche Richtung ich einschlagen sollte. Ich fand so viele Bereiche interessant, hatte aber immer schon ein besonderes Interesse für die Grundlagen- und analytischen Fächer. Ich hätte mir auch vorstellen können, in die Mikrobiologie oder in die Hygiene zu gehen – dort hatte ich bereits Erfahrungen sammeln können. Letzten Endes bin ich durch den Rat einer Kollegin in der Laboratoriumsmedizin gelandet. Wie verlief der Start in den Beruf? Vogelgesang: Ich bin froh, den Schritt heraus aus der klassischen Medizin getan zu haben. Natürlich möchte ich die Zeit in der Klinik nicht missen. Dort habe ich das nötige Knowhow erworben: Ich habe vor allem gelernt, Befunde einzuschätzen und richtig einzuordnen. Aber ich habe auch immer mit den knappen Ressourcen gehadert: ob zu wenig Zeit, Personal oder Geld. Immer wieder stand ich in der Klinik vor dem moralischen Dilemma, dass ich meine Patientinnen und Patienten gerne menschlich viel intensiver betreut hätte als ich es unter den gegebenen Umständen tun konnte. In den klinischen Fächern ist es außerdem oft schwer, eine Balance zwischen Beruf und Privatleben herzustellen. Ich bin allerdings der Meinung, dass man sein volles Potenzial nur dann ausschöpfen kann, wenn man auch Zeit für ein erfülltes Privatleben hat. Was fasziniert Sie an der Arbeit im Labor? Vogelgesang: Der Wechsel ins Labor war für mich ein großer Schritt, denn hier bin ich nicht mehr die typische Ärztin. Ich musste die Vorstellung von mir im klassischen weißen Kittel mit dem Stethoskop erstmal ablegen. Die Arbeit im Labor fasziniert mich, weil sie mein Bewusstsein für die Herausforderungen der Präanalytik geschärft hat. Das reicht von der Entnahme der Probe in Praxis oder Klinik über den Transport bis hin zum Eintreffen in unserem Labor. Hat die Kühlung funktioniert? Gab es eventuell Verwechslungen? Hierbei ist der häufige Austausch mit unseren MFA und MTA essentiell. Es geht in meiner Arbeit meist darum, Befunde richtig einzuordnen und eventuell zu schauen, wie schnell gehandelt werden muss, zum Beispiel wenn es um bestimmte Formen der Leukämie geht oder um eine Meningitis. Ihre Arbeit findet fernab der Patienten statt. Erfahren Sie dennoch, wie es mit den Befunden weitergeht? Wenn nicht, wie gehen Sie damit um? Vogelgesang: Ich erfahre in der Regel wenig über den weiteren Verlauf der Erkrankungen. Ausnahmen bilden hier Fälle, bei denen Kolleginnen und Kollegen uns telefonisch um Rat bitten oder bei denen engmaschige oder regelmäßige Kontrollen erfolgen. Fachlich gesehen ist das natürlich schade, und ich sehe in der Tat manchmal Befunde, bei denen mich der weitere Verlauf interessieren würde. Da ich die Patientinnen und Patienten jedoch nicht selbst kennenlerne und dementsprechend auch keinen persönlichen Bezug zu ihnen habe, kann ich damit mental gut umgehen. Man kann das vielleicht mit dem Lesen eines Lehrbuches vergleichen, in dem man Befunde oder Bilder sieht und fachlich einordnet. Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf und was überhaupt nicht? Vogelgesang: Ich übe einen Beruf aus, der mir sehr viel Freude bereitet und mir zusätzlich die Möglichkeit bietet, mein Privatleben ohne Abstriche damit zu vereinen. Dadurch, dass der typische Laboralltag erst gegen Mittag beginnt, wenn alle Proben bei uns eingetroffen sind, habe ich zudem morgens die Chance mich intensiv um meine Weiterbildungsinhalte zu kümmern und zu lernen. Das schätze ich sehr. Schön wäre es, wenn mehr Ärztinnen sich für die Laboratoriumsmedizin entscheiden würden (lacht). Für viele ist dieser Schritt auf die analytische Seite der Medizin leider keine Option, weil sie nicht dem klassischen Berufsbild entspricht, aber das macht sie nicht weniger wichtig oder interessant. Das Interview führte Vassiliki Temme. I n den klinischen Fächern ist es schwer, eine Work-Life-Balance herzustellen.

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