Rheinisches Ärzteblatt 11/2024

Medizinische Einrichtungen Neue Dimension von Gewalt KI in der Medizin als Chance wahrnehmen Engagement der Ärzte ist erforderlich, warben Expertinnen beim ä24-Kongress In Akten geronnene „Wiedergutmachung“ Wie jüdische Ärztinnen und Ärzte nach 1945 entschädigt wurden MFA werden dringend gesucht Rekord bei Ausbildungszahlen, Unzufriedenheit im Beruf November 2024 Heft 11 / 31.10.2024 79. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts

Ehrenamtliches Engagement Arzt & Recht Weiterbildung & e-Logbuch Fragen rund um Ihre Mitgliedschaft Dr. med. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Melissa Camara Romero / Steffen Veen, Vorsitzende des Ausschusses „Junge Ärztinnen und Ärzte, ärztliche Arbeitsbedingungen“ Unter dem Motto „Kammer meets junge Mitglieder“ wird die Ärztekammer Nordrhein Ihnen an diesem Tag wieder einen umfassenden Überblick zum Thema Berufsstart und Start in die Weiterbildung geben. Gleichzeitig möchten wir bei dieser Gelegenheit auch die neuen Kammermitglieder persönlich vor Ort begrüßen. Neben unterschiedlichen Vorträgen haben Sie im Rahmen der Informationsbörse die Möglichkeit, sich über Berufsstart und ehrenamtliches Engagement zu informieren. Begrüßung der neuen Kammermitglieder Ärztliches Gelöbnis Von jungen ÄrztInnen für junge ÄrztInnen Gruppenfoto Get together • Informationsbörse Mittagssnack • Get together • Informationsbörse Get together • Informationsbörse Ankommen • Get together • Informationsbörse Begrüßung neuer Kammermitglieder und Beratungstag für junge Ärztinnen und Ärzte Samstag, 30. November 2024, 10:00 – 15:00 Uhr im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf 9:30 Uhr 10:00 Uhr 11:15–12:30 Uhr 12:30 – 13:15 13:15–14:30 Uhr 14:30 – 15:00 Uhr Session 1 Session 2 Bei Interesse bitten wir um eine Online- Anmeldung bis zum 22.11.2024 unter: www.aekno.de/beratungstag2024. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite und in der App. Anerkennung 3 CME Punkte bei vollständiger Teil- nahme an der Gesamtveranstaltung. Die Teilnahme ist kostenfrei. Fragen zur Veranstaltung Bei Fragen wenden Sie sich gerne an das Veranstaltungsmanagement unter veranstaltungen@aekno.de oder der Telefonnummer 0211 4302-2215/-2216. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Homepage: www.aekno.de/beratungstag2024 • Information und Beratung • Vorträge • Begleitausstellung und Infobörse • Ärztliches Gelöbnis live vor Ort & digital live vor Ort & digital Kammer meets junge Mitglieder live vor Ort Die ärztliche Weiterbildung: Rahmenbedingungen und praktische Hinweise Vortrag & Fragerunde live als Webinar Rechtlicher Rat rund um die ärztliche Tätigkeit Vortrag & Fragerunde live vor Ort Rechtlicher Rat rund um die ärztliche Tätigkeit Vortrag & Fragerunde live als Webinar Die ärztliche Weiterbildung: Rahmenbedingungen und praktische Hinweise Vortrag & Fragerunde live vor Ort

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 3 Heft 11 • November 2024 Entbürokratisierung jetzt! Der Bundestag hat Ende September den Entwurf der Bundesregierung für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV angenommen. Regelungen zum Gesundheitswesen sind darin nicht enthalten, da Gesundheitsminister Lauterbach ein eigenes Bürokratieentlastungsgesetz für den Herbst angekündigt hat. Ursprünglich sollte sein Entwurf schon vor Weihnachten 2023 vorgelegt werden – ein Jahr später jedoch warten wir immer noch auf das versprochene Gesetz. Dabei würde wirkliche Entbürokratisierung dringend benötigte Arzt-Zeit für die Patientenversorgung freisetzen und zu einer tatsächlichen Entlastung im Arbeitsalltag für unsere Kolleginnen und Kollegen in Kliniken und Praxen führen. Sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte verbringen im Krankenhaus täglich durchschnittlich drei Stunden mit Dokumentationsarbeiten, die häufig keinen Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten haben. Reduzierte sich diese bürokratische Arbeit um nur eine Stunde pro Tag, würde dies rechnerisch rund 21.600 Vollkräfte im ärztlichen und etwa 47.000 Vollkräfte im Pflegedienst freisetzen, so eine Berechnung der Deutschen Krankenhausgesellschaft. In der ambulanten Versorgung sieht es nicht besser aus. Aktuell verbringt jede Praxis laut KBV mehr als einen Tag pro Woche mit bürokratischen Aufgaben. Neben dem Zeitgewinn für die Patientenbehandlung würde eine Entbürokratisierung auch nachweislich zu einer höheren Berufszufriedenheit führen, haben wir doch den Arztberuf gewählt, um Patienten zu behandeln und nicht um Formulare auszufüllen. Selbstverständlich gehört zu einer Behandlung eine gute Dokumentation von Anamnese, Diagnostik und Therapie, da verwehrt sich niemand. Aber mit unserem jetzigen überbürokratischen System kommen wir an unsere Grenzen, und das bedeutet letztendlich, dass wir unsere Patientinnen und Patienten nicht mehr so versorgen können, wie wir es wünschen und wollen. Wenn Kollegen einem Kind einen neuen Rollstuhl verordnen, weil es gewachsen ist, macht es fassungslos, wenn dazu mehrfache Nachfragen vom MDK kommen. Ich kenne keine Kollegen, die für ein Kind einen Rollstuhl beantragen, wenn es diesen nicht braucht. Ständige MDK-Nachfragen belasten nicht nur unser Zeitbudget, sondern auch unsere Patientinnen und Patienten, die häufig nur über langwierige Einspruchsverfahren zu ihren benötigten Heil- und Hilfsmitteln kommen. Dass das kein Zustand ist, weiß auch der Gesetzgeber und hat wenigstens im angekündigten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz einen Passus zur Beschleunigung von Bewilligungsverfahren eingefügt. Bei Anträgen von Kindern oder Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schwerer Mehrfachbehinderung wird das Prüfprogramm der Krankenkassen für Hilfsmittelversorgungen eingeschränkt, sofern der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin des SPZ oder des MZEB die beantragte Versorgung empfiehlt. Dieser sinnvolle Ansatz greift jedoch viel zu kurz, denn die überwiegende Verschreibung von Hilfsmitteln für diese Patientinnen und Patienten läuft über Hausärztinnen und Hausärzte. Halbherzige Entbürokratisierung hilft überhaupt nicht weiter. Dreißig Jahre Misstrauenskultur, die in einer Kontrollbürokratie mündet, die zum größten Zeitfresser im Gesundheitswesen geworden ist, und Lieferengpässe sowohl bei Medikamenten als auch bei Heil- und Hilfsmitteln führen zu einer gewaltigen Unzufriedenheit aller. Wir müssen diese Spirale durchbrechen! Es wäre ein wichtiges Signal der Politik, wenn sie mit den längst überfälligen Gesetzen für Entlastung in Praxen und Kliniken sorgen würde. Genügend Vorschläge zur Entbürokratisierung hat die Selbstverwaltung vorgelegt, die sich natürlich auch selbst hinsichtlich ihrer bürokratischen Vorgaben kritisch hinterfragen muss. Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes

Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: +49 211 4302-2751 E-Mail: iqn@aekno.de Die Veranstaltungen sind kostenfrei und mit je 3 Fortbildungspunkten anerkannt! Anmeldung erforderlich: www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Internet: www.iqn.de Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen Mittwoch, 06. November 2024, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Akute Virusinfektionen der Atemwege • Ambulant erworbene Pneumonien (CAP) – Diagnose, Prognose, Therapie • Leitliniengerechte Diagnose und Therapie des Asthmas bei Erwachsenen • Diagnostik und aktuelle Therapie der COPD und des Lungenemphysems Dr. med. Claus Hader, Prof. Dr. med. Kurt Rasche, Univ.-Prof. Dr. med. Christian Taube, Univ.-Prof. Dr. med. Jörg Timm, Dr. med. Sabine Mewes Hinweis: Anerkannt als DMP-Fortbildung in Nordrhein. G ewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen und richtig handeln, Teil 12: Kinderradiologie Mittwoch, 13. November 2024, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Kinderradiologie – Hinweise auf Kindesmisshandlung am Skelett • Differenzialdiagnose bei Erkrankungen des Knochenstoffwechsels • Das nicht-akzidentelle Kopftrauma – Wahrheit und Kontroversen Prof. Dr. med. Sibylle Banaschak, PD Dr. med. Mark Born, Prof. Dr. med. Jörg Oliver Semler, Dr. med. Martin Stenzel, Dr. med. Sabine Mewes Im Fokus: HIV Mittwoch, 04. Dezember 2024, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • HIV – Aktueller Stand der Therapie, was hat sich in den letzten Jahren verändert? • Update 2024: HIV-assoziierte neurologische Erkrankungen • Menschen mit HIV in der Sprechstunde – Aktuelles zu Prävention, Epidemiologie und Co-Infektionen Prof. Dr. med. Gabriele Arendt, Dr. med. Ulrike Haars, PD Dr. med. Björn-Erik Ole Jensen, Dr. med. Sabine Mewes Anzeige Weil es eigentlich kinderleicht ist. Praxis LevelUp 2025 medatixx-akademie.de Qualitätssiegel Nachhaltige Praxis 30.01. – 31.01.2025 in Bamberg In einem exklusiven zweitägigen Workshop bilden wir Sie zum Nachhaltigkeitsmanagement-Beauftragten aus und entwickeln mit Ihnen die Basis für Ihr Nachhaltigkeitskonzept zur Erlangung des Qualitätssiegels „Nachhaltige Praxis“. Mehr erfahren

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 5 Medizinische Einrichtungen Neue Dimension von Gewalt Beleidigungen, Drohungen, Beschimpfungen, aber auch Tritte und Schläge – gewalttätige Übergriffe gegen Ärztinnen und Ärzte, Pflege- und Praxispersonal nehmen zu. Dass es sich dabei nicht um eine gefühlte Zuspitzung der Lage handelt, legen Umfragen nahe. KI in der Medizin Beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz dürfe niemals die Gesamtverantwortung in Diagnostik und Therapie abgegeben werden, betonte Professor Dr. Alena Buyx beim Kongress ä24. KI sollte aber als Werkzeug kreativ genutzt werden. Medizinische Fachangestellte gesucht Trotz Rekordausbildungszahlen bei Medizinischen Fachangestellten (MFA) fällt es Ärztinnen und Ärzten zunehmend schwer, geeignetes Praxispersonal zu finden. Unter anderem sorgt die hohe Arbeitsbelastung für mehr und mehr Unzufriedenheit bei den MFA. Heft 11 • November 2024 Meinung Entbürokratisierung jetzt! Seite 3 Magazin Seiten 6 bis 10 1,7 Milliarden Euro mehr für die ambulante Versorgung · Vor 50 Jahren · Nationaler Gesundheitsgipfel gefordert · Landarztquote: Laumann zieht positive Zwischenbilanz · Kammer Online · Laienreanimation stärken · Arzneiverordnung in der Praxis: 50 Jahre unabhängige Information · Studium und Berufseinstieg Thema Verlorener Respekt Seite 12 Spezial Wieder gut gemacht? Seite 16 Gesundheits- und Sozialpolitik MFA gesucht – Fachkräftemangel trotz Rekordausbildungszahlen Seite 22 Versorgungsforschung: Wie wird das ambulante System fit für die Zukunft? Seite 23 Praxis Neuer Augen-Notdienst an der Uniklinik Köln Seite 24 Forum Künstliche Intelligenz als Chance wahrnehmen Seite 25 Interview „Sonst bleibt der Medizin der weibliche Blick verborgen“ Seite 26 Wissenschaft und Fortbildung Fehlerhafte Behandlung eines Basalzellkarzinoms des Gehörgangs – Folge 144 der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ Seite 29 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 33 RÄ Regional Seite 36 Bücher Seite 39 An Rhein und Ruhr Seite 41 Kulturspiegel Das Ende von Agamemnons System Seite 42 Amtliche Bekanntmachungen Seite 43 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 43 Mein Beruf „Wir können vielen kleinen Patienten ins Leben verhelfen“ Seite 51 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: PinkBadges/istockphoto.com

Magazin 6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 Honorarverhandlungen 1,7 Milliarden Euro mehr für die ambulante Versorgung Im nächsten Jahr erhalten die bundesweit knapp 190.000 Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten ein Honorarplus von 1,7 Milliarden Euro. Darauf haben sich Mitte September die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geeinigt. Der Orientierungswert, nach dem sich die Preise für alle vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Leistungen berechnen, steigt entsprechend um 3,85 Prozent auf knapp 12,4 Cent. Tarifsteigerungen bei den Medizinischen Fachangestellten werden zudem künftig direkt in den Honorarabschlüssen berücksichtigt. Insgesamt beliefen sich die Ausgaben der GKV für die ambulante ärztliche Behandlung ihrer Versicherten 2025 auf 49 Milliarden Euro, teilten KBV und Kassen mit. Die Honorareinigung sei kein Grund zum Jubeln, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen. Sie stehe aber für die gemeinsame Verantwortung von KBV und GKV in einem sehr schwierigen politischen Umfeld und sei ein Signal an den Bundesgesundheitsminister, dass eine gute Gesundheitsversorgung ohne die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte unmöglich sei. Mit der Honorarerhöhung habe man auf die aktuelle Ausgabensituation in den Arztpraxen und auf die äußerst angespannte Finanzlage der Kassen reagiert, erklärte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Stefanie StoffAhnis. Das Verhandlungsergebnis zeige, dass die Selbstverwaltungspartner auch in schwierigen Lagen handlungsfähig blieben. HK Öffentliches Gesundheitswesen Neuer Beruf startet mit Pilotphase „Vielleicht werden sie einmal in die Geschichte des öffentlichen Gesundheitswesens eingehen“, mutmaßte der Autor einer Meldung in der Ausgabe vom 10. November 1974 des Rheinischen Ärzteblatts (RÄ). Die ersten 24 sozialmedizinischen Assistentinnen hatten nach einem dreimonatigen Lehrgang der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf ihre Prüfung abgelegt. Die Frauen belegten den ersten von drei geplanten Pilotkursen. Ziel war es, „dem Mangel an gut ausgebildetem Personal in den Gesundheitsämtern abzuhelfen“. Auf dem Lehrplan standen Gesundheitserziehung, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, Impfwesen sowie Gesundheitspflege und -hilfe. Daneben wurden die sozialmedizinischen Assistentinnen in Rechts- und Verwaltungskunde sowie Medizinstatistik, Dokumentation und in die elektronische Datenverarbeitung eingeführt. Es bestand großes Interesse an den Kursen. Beide Folgekurse waren bereits lange ausgebucht. In der Rubrik „Neues aus Nordrhein“ war in der gleichen Ausgabe zu lesen: „Fehlende Hausnummern sind trotz wiederholter Klagen der Ärzte noch immer ein weitverbreiteter Mißstand, der sich bei den täglichen Notfalleinsätzen immer wieder nachteilig auswirkt.“ Kostbare Minuten gingen verloren, „wenn sich Ärzte bei ihren Hausbesuchen erst ‚durchfragen‘ müssen“, schreibt das RÄ. Die Ärztekammer Nordrhein empfahl Mietern von Häusern, deren Hausbesitzer ihrer Kennzeichnungspflicht nicht nachkommen, die gemeinsame Anschaffung eines deutlichen Hausnummernschilds, das möglichst auch beleuchtet ist. „An Stadt- und Kreisverwaltungen richtete die Ärztekammer Nordrhein den Appell, künftig verstärkt für eine gute Straßenbeschilderung zu sorgen.“ bre Zi-Umfrage Viele geben ihre Praxis früher ab Von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten geht zurzeit nur die Hälfte davon aus, aus Altersgründen aus der vertragsärztlichen Versorgung auszuscheiden. Das hat eine Befragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Rahmen des Zi-Praxis-Panels 2023 ergeben. Etwa 20 Prozent wollen demnach ihre Praxen vorzeitig abgeben, um in den Ruhestand zu treten. Von diesen gaben der Umfrage zufolge fast zwei Drittel an, dass sie ihre aktuelle Arbeitsbelastung als zu hoch empfinden, jeder Fünfte nannte zu hohe Praxiskosten oder den Fachkräftemangel als Motiv für ein vorzeitiges Ausscheiden. HK RSV-Prophylaxe Vergütung steht fest Die Vergütung für die RSVProphylaxe bei Neugeborenen und Säuglingen steht fest. Ärztinnen und Ärzte erhalten nach einem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses für die Aufklärung, Beratung und Injektion von Nirsevimab inklusive eines Zuschlags rund 13 Euro, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mitteilte. Nach einer Vereinbarung von GKV-Spitzenverband, Verband der Privaten Krankenversicherung und Deutscher Krankenhausgesellschaft wird die Impfung mit Nirsevimab auch allen Krankenhäusern vergütet. Den Anspruch auf eine RSV-­ Prophylaxe mit dem monoklonalen Antikörper regelt eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums. HK Insgesamt knapp 50 Milliarden Euro fließen im nächsten Jahr als Honorar an die niedergelassenen Vertragsärztinnen und -ärzte. Foto: MQ-Illustrations/ stock.adobe.com

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 7 Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und ZusatzWeiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 27. bis 31. Januar 2025. Anmeldeschluss: Freitag, 29. November 2024 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Neue GOÄ Sorgfältige Prüfung erforderlich Am 11. September stellte der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) den Berufsverbänden und Fachgesellschaften die Neufassung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vor – samt der Preise, auf die sich die BÄK, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Beihilfe geeinigt hatten. Die ärztlichen Organisationen sollten ursprünglich innerhalb von zwei Wochen zur neuen GOÄ Stellung nehmen. Diese Frist ist jetzt auf unbestimmte Zeit verlängert worden, weil viele Verbände mit der Bepreisung nicht einverstanden sind. Die BÄK habe ihre Positionen ebenso wie der PKV-Verband mit aller Entschiedenheit vertreten, erklärte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Am Ende stehe jetzt ein für alle Seiten nicht einfacher Kompromiss. Die ärztlichen Verbände seien nach der Durchsicht der neuen GOÄ frei, diese auch abzulehnen. HK Bündnis Gesundheit Nationaler Gesundheitsgipfel gefordert Um die zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen stemmen zu können, braucht es eine Neuausrichtung der Gesundheitspolitik. Dafür sprach sich am 19. September in Berlin das Bündnis Gesundheit aus, dem die Bundesärztekammer (BÄK), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sowie rund vierzig weitere Verbände und Institutionen des Gesundheitswesens angehören. Zu den wichtigsten Forderungen des Bündnisses zählen wirksame Maßnahmen zur Fachkräftesicherung, eine bessere Steuerung der Patienten durch das Versorgungssystem sowie eine nachhaltige Finanzierung der Gesundheitsversorgung. Daneben müsse die Selbstverwaltung gestärkt und bei Gesetzesvorhaben möglichst früh miteinbezogen werden. Zu den größten Herausforderungen gehört dem Bündnis zufolge der demografische Wandel: Sowohl das altersbedingte Ausscheiden von Fachkräften als auch die steigende Zahl älterer Menschen und der damit einhergehende zunehmende Behandlungsbedarf verschärften die Versorgungssituation, heißt es in einem Thesenpapier. Das Bündnis Gesundheit rief Bundeskanzler Olaf Scholz daher auf, einen Nationalen Gesundheitsgipfel im Kanzleramt einzusetzen. Dabei müssten alle Politikbereiche einbezogen werden, die die gesundheitlichen Belange der Bürgerinnen und Bürger betreffen. „Das ist zum Beispiel auch die Umwelt- oder Verkehrspolitik, wenn es um die gesundheitsschädlichen Folgen von Emissionen geht“, betonte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. MST Gipfel im Kanzleramt: Das Bündnis Gesundheit will in eine Neuausrichtung der Gesundheitspolitik sämtliche Politikbereiche einbeziehen. Foto: Hermsdorf/istockphoto.com Mehr Geld für Prävention Die gesetzlichen Krankenkassen haben 2023 insgesamt rund 8,4 Milliarden Euro für Prävention und Gesundheitsförderung ausgegeben. Das sei gegenüber 2019 mit Ausgaben von 6,7 Milliarden Euro eine Steigerung um 25 Prozent, teilte der GKV-Spitzenverband mit. Unter anderem machten der Wandel des Krankheitsspektrums hin zu chronischdegenerativen Erkrankungen und der demografische Alterungsprozess eine Intensivierung präventiver Strategien und Interventionen erforderlich, so die Kassen. Da das Krankheitsrisiko in der Bevölkerung sozial ungleich verteilt sei, müssten benachteiligte Bevölkerungsschichten besonders in den Fokus rücken. HK Kurz gemeldet Gesundheitskompetenz in Familien stärken Eine Befragung der AOK Rheinland/Hamburg von 5.000 Eltern zur Gesundheit ihrer Kinder weist auf einen großen Informationsbedarf hin. Wurde bei einem Kind eine chronische Erkrankung diagnostiziert oder vermutet, schätzten mehr als 30 Prozent der Befragten die Belastung des Kindes oder die eigene als sehr oder eher hoch ein. Fast ein Drittel äußerte die Sorge, nicht ausreichend informiert zu sein. Die Ergebnisse verdeutlichten, dass die Gesundheitskompetenz in den Familien gestärkt werden müsse, so die AOK. Für den Kindergesundheitsatlas wurden 20 Diagnosen abgefragt, darunter ADHS und Adipositas. HK Suchtberatung ist unterfinanziert Einrichtungen der Suchtberatung, die mit öffentlichen Mitteln von Kommunen und Ländern finanziert werden, klagen über Finanzierungslücken. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). 77 Prozent der Beratungsstellen erklärten, dass die Finanzierung ihrer Leistungen im laufenden Jahr nicht gesichert sei. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Komplexität der Fälle und einer höheren Nachfrage bei gleichzeitigem Fachkräftemangel stehen die Suchtberatungsstellen damit der DHS zufolge unter erheblichem Druck. Es drohten kürzere Sprechzeiten und die Schließung von Einrichtungen. HK

Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 Ärztekammer Nordrhein „Wir über uns“ insgesamt 29 Sprachen verfügbar. Die Übersicht der Übersetzungen findet sich unter www.aekno.de/aerztekammer/international. Auch die Informationen rund um die Fachsprachprüfung stehen in mehreren Sprachen zur Verfügung. Unter www.aekno.de/aerzte/ fachsprachpruefung finden sich Informationen zum Verfahrens- und Prüfungsablauf, zu zugelassenen Hilfsmitteln während der Prüfung und zum Bestehen beziehungsweise Nicht-Bestehen. Ein Video erläutert den Ablauf der Fachsprachprüfung in Wort und Bild. Der Clip steht auf Deutsch und Englisch zu Verfügung. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail-­ Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre „Die Ärztekammer Nordrhein stellt sich vor“ ist eine kompakte Seite auf der Homepage der Kammer unter www.aekno.de, die ein Kurzportrait enthält. Die Seite informiert über den Rechtsstatus der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) und erläutert, was unter der ärztlichen Selbstverwaltung zu verstehen ist. Darüber hinaus gibt die Seite Auskunft über die wichtigsten Aufgaben wie beispielsweise die Gestaltung der ärztlichen Weiter- und Fortbildung und die für Bürger und Patienten eingerichteten Servicestellen wie die Patientenberatung oder die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler. Das Kurzporträt der ÄkNo ist in Konsensuspapier Schwangere können sicher operieren Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) hat das Konsensuspapier „Operative Tätigkeiten in Schwangerschaft und Stillzeit“ herausgegeben. Es führe Operationen und Eingriffe auf, bei denen Schwangere unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen unbedenklich zum Skalpell greifen dürften, so die DGCH. Die Positivlisten seien von 14 chirurgischen Fächern freigegeben worden. Die Broschüre gebe außerdem Empfehlungen zu klassischen Risikothemen wie Infektionsgefahr, Strahlenschutz und Narkosegase und könne damit als praktischer Leitfaden für das Erstellen der im Mutterschutzgesetz geforderten individuellen Gefährdungsbeurteilung der Schwangeren dienen. Das Papier kann unter www.dgch.de heruntergeladen werden. HK Kvappradar Gesundheits-Apps im Überblick Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat sein Informationsportal KVappradar.de um zwei Gutachten erweitert. Wissenschaftlich bewertet wurden dem Zi zufolge die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) „HelloBetter Stress und Burnout“ sowie „Selfapys Online-Kurs bei Depression“. Begutachtet würden unter anderem die Wirkevidenz sowie der Versorgungsbedarf. Ein erstes Gutachten sei 2022 zur DiGA „velibra“ gegen Angst und Panik veröffentlicht worden. KVappradar.de ist seit Dezember 2021 online und richtet sich mit seinen Informationen an Ärztinnen und Ärzte. HK Landarztquote Laumann zieht positive Zwischenbilanz Aktuell studieren in Nordrhein-Westfalen 800 Frauen und Männer im Rahmen der Landarztquote Medizin. Seit Einführung der Quote im Wintersemester 2019/2020 liege die Zahl der Bewerber regelmäßig deutlich über der der Studienplätze, teilte das NRW-Gesundheitsministerium mit. Die Abbrecherquote unter den Studierenden unterscheide sich kaum von den anderen Medizinstudierenden und liege bei durchschnittlich vier Prozent. Die ersten Studierenden würden im Wintersemester 2025/2026 ihr Studium abschließen und im Zuge ihrer Facharztweiterbildung in die hausärztliche Versorgung einsteigen, so das Ministerium. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zog nach fünf Jahren Landarztquote eine positive Zwischenbilanz. Die Quote stoße nach wie vor auf große Nachfrage und werde in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden hausärztlichen Versorgung leisten, so der Minister. Denn in NRW sei mehr als die Hälfte der 11.000 Hausärzte über 55 Jahre alt. Neben dem Hausarztaktionsprogramm, der Gründung der neuen Medizinischen Fakultät OWL an der Universität Bielefeld und der Verdoppelung der Medizinstudienplätze an der Universität Witten-Herdecke sei die Landarztquote ein weiterer wichtiger Baustein, um eine möglichst wohnortnahe hausärztliche Versorgung auch in Zukunft zu erhalten. Über die Quote werden in NRW pro Jahr rund 180 Studienplätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach ihrer Facharztweiterbildung zehn Jahre lang als Hausärztin oder Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten. Die Abiturnote und das Ergebnis des Medizinertests spielen mit jeweils 30 Prozent bei der Vergabe eine weniger gewichtige Rolle als beispielsweise die Ausbildung oder Tätigkeit in einem medizinischen oder therapeutischen Beruf (40 Prozent). HK Die Landarztquote soll dazu beitragen, in NRW auch in Zukunft eine möglichst wohnortnahe hausärztliche Versorgung zu sichern. Foto: Thomas Reimer/stock.adobe.com

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 9 Kinderärzte Videosprechstunde nun dauerhaft Seit dem 3. Oktober ist die kinderärztliche Videosprechstunde der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) ein dauerhaftes Versorgungsangebot im Rheinland. Eltern erkrankter Kinder können sich nun samstags, sonntags und feiertags jeweils zwischen 10 und 22 Uhr online an eine Kinderärztin oder einen Kinderarzt wenden, um eine ärztliche Erstmeinung zur Erkrankung ihres Kindes zu erhalten. Die Videosprechstunden können entweder über die kostenlose Rufnummer 116117 oder auf der KVNOHomepage angefragt werden. Sollte die Gabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten notwendig sein, kann direkt ein E-Rezept verordnet werden. Informationen unter www.kvno.de/kinder KVNO Studie Langzeitfolgen sexueller Gewalt Die schwerwiegenden Langzeitfolgen von sexualisierter Kriegsgewalt im KosovoKrieg 1998/99 belegt eine gemeinsame Studie der Frauenrechtsorganisationen medica mondiale und Medica Gjakova. 86 Prozent der 200 Befragten erfüllten demnach Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung, 96 Prozent litten an einer Depression und lediglich sechs Prozent der Frauen bewerteten den eigenen Gesundheitszustand als gut. Gleichzeitig zeigten die Ergebnisse, wie wichtig die Unterstützung von Frauenrechtsorganisationen für die Überlebenden sei, die deshalb finanziell und politisch gefördert werden müssten. HK NRW rettet Leben Laienreanimation stärken Prüfen, rufen, drücken: Bei der Veranstaltung der Initiative „NRW rettet Leben“ am 26. September in Düsseldorf konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Übungen zur Wiederbelebung teilnehmen. Foto: Marc Strohm Die Ärztekammern Nordrhein und WestfalenLippe setzen sich gemeinsam mit dem Deutschen Rat für Wiederbelebung (GRC) in der Initiative „NRW rettet Leben“ dafür ein, Laienreanimationsschulungen flächendeckend in der Öffentlichen Verwaltung zu etablieren. Aktuell überleben dem DRC zu- „Arzneiverordnung in der Praxis“ 50 Jahre unabhängige und evidenzbasierte Informationen Das von der Bundesärztekammer (BÄK) herausgegebene Arzneimittelbulletin „Arzneiverordnung in der Praxis“ (AVP) feiert sein 50-jähriges Bestehen. Die redaktionellen Inhalte der pharmakritischen und evidenzbasierten Arzneimittelinformationen verantworten die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, ein Fachausschuss der BÄK, und das Dezernat 6 „Wissenschaft, Forschung und Ethik“ der BÄK. Mit der AVP wolle man der Informationsüberflutung gepaart mit subtilen Marketingstrategien etwas entgegensetzen, so die BÄK in der Jubiläumsausgabe der AVP. Immer häufiger würden Ärztinnen und Ärzte mit sogenannten Evergreening-Strategien der Pharmaindustrie konfrontiert: Scheininnovationen durch geringfügige Änderungen nicht mehr patentgeschützter Arzneimittel, Indikationserweiterungen für immer kleinere Subpopulationen mit fragwürdigem Nutzen oder neuartige Arzneimittel, die als besonders sicher beworben werden, weil seltene und sehr seltene Nebenwirkungen in relativ kleinen Zulassungsstudien nicht auftreten könnten. Zuverlässige Arzneimittelinformationen seien daher essenziell für eine sichere Verordnungspraxis. Seit 2014 erscheint AVP ausschließlich online und steht allen Interessierten unter www.akdae.de kostenfrei zur Verfügung. HK folge lediglich elf Prozent der Patientinnen und Patienten einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Wenn mehr Laien bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes Reanimationsmaßnahmen anwenden würden, könnten jährlich schätzungsweise mehr als 10.000 Menschenleben zusätzlich gerettet werden, erklärte dessen Vorstandsvorsitzender Univ.-Professor Dr. Bernd W. Böttiger Ende September im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Um die Zahl der Menschen zu erhöhen, die bei einem beobachteten Herz-KreislaufStillstand handeln können, setzt das Modellprojekt „Laienreanimation an Schulen in Nordrhein-Westfalen“ bei den Lehrkräften an. Sie würden didaktisch so geschult, dass sie Wiederbelebungstechniken leichter im Unterricht vermitteln könnten, erklärte Elmar Kugel, Sportdezernent im Regierungsbezirk Köln. Damit Ersthelfer möglichst schnell zu ihrem Einsatzort kommen, würden vermehrt Ersthelfer-Apps eingesetzt, erklärte Professor Dr. Stefan Beckers, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst der Stadt Aachen. Die dort registrierten Ersthelfer würden im Notfall alarmiert und zum Einsatzort navigiert. Derzeit gebe es eine Vielzahl solcher Apps, die jedoch keine Schnittstellen miteinander besäßen, kritisierte Beckers. MST

10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 Magazin – Studium und Berufseinstieg Rheinisches Ärzteblatt Medizinstudierende mit Freude am Schreiben gesucht Foto: Corbis Das Rheinische Ärzteblatt sucht Medizinstudentinnen und -studenten, die an einer der Medizinischen Fakultäten in Aachen, Düsseldorf, Duisburg-Essen oder Köln studieren und über ihren Alltag berichten sowie ihre Studienerfahrungen mit den Leserinnen und Lesern des Rheinischen Ärzteblattes teilen möchten. Was läuft gut und was schlecht im Studium? Mit welchen Herausforderungen haben die Studierenden zu kämpfen? Findet man sich an der Uni zurecht? Bleibt genug Zeit für Freizeit, Freunde oder einen Nebenjob? An welche Momente wird man sich gerne zurückerinnern und welche Situationen möchte man direkt wieder vergessen? Wenn Sie sich vorstellen können und Spaß daran haben, in regelmäßigen Abständen an dieser Stelle über Ihre Studienerfahrungen zu berichten, melden Sie sich beim Rheinischen Ärzteblatt mit einer E-Mail an medizinstudium@ aekno.de. Verhaltensstudie Probanden gesucht Dr. Max Witry, Facharzt für Neurologie und angehender Psychiater an der ADHSAmbulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn, untersucht in einer Studie den Zusammenhang zwischen impulsivem Verhalten, das häufig bei einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beobachtet wird, und Finanzentscheidungen. Die Ergebnisse könnten Hinweise für therapeutische Maßnahmen und das Selbstmanagement von ADHS-Patienten liefern. Für die Studie werden noch Teilnehmer gesucht. Mehr zur Studienteilnahme unter www.soscisurvey.de/Getquin/ bre Köln Uniklinik koordiniert Netzwerk zur Neurostimulation Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert für drei Jahre das wissenschaftliche Netzwerk „Klinische Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“, das an der Uniklinik Köln koordiniert wird. An dem Netzwerk beteiligen sich 17 Universitätsklinika aus dem deutschsprachigen Raum, sowie weitere Expertinnen und Experten. Neben Köln sind auch die Universitätskliniken in Aachen und Essen in dem Zusammenschluss vertreten. Ziel ist es, einheitliche Standards in Vorbereitung multizentrischer, konfirmatorischer Studien zur therapeutischen Wirksamkeit von Methoden der Neurostimulation bei Kindern- und Jugendlichen mit psychiatrischen Erkrankungen zu etablieren. Bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen sind bestimmte Gehirnbereiche nicht ausreichend aktiv oder arbeiten nicht gut zusammen. Unter Neurostimulation fallen verschiedene Methoden, mit denen man die Gehirnaktivität gezielt über ein Stimulationsgerät beeinflussen kann, wie die Kölner Uniklinik mitteilte. Die finanzielle Unterstützung der Forschungsgemeinschaft ermögliche es dem Netzwerk, einheitliche Standards zu entwickeln, die vor dem Hintergrund der bisher sehr heterogenen Evidenz eine notwendige Voraussetzung für zukünftige Studien darstellten, sagte der Sprecher des Netzwerks, Professor Dr. Julian Koenig von der Uniklinik Köln. Im Rahmen des Netzwerks sei auch eine virtuelle Fortbildungsreihe unter Beteiligung internationaler Expertinnen und Experten zu Themen der klinischen Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie geplant. bre Als ich meinen letzten Beitrag für diese Kolumne geschrieben habe, befand ich mich noch im ersten Tertial meines Praktischen Jahres (PJ) und damit so ziemlich am Anfang dieses finalen Studienabschnitts. Seither ist einiges passiert: Mittlerweile fallen die ersten Herbstblätter, und ich habe mein PJ beendet. Zwischendurch habe ich ein sehr lehrreiches Wahltertial in der Dermatologie verbracht sowie im letzten Tertial mein chirurgisches Know-How etwas ausbauen dürfen. Und nun? Seitdem die Bescheide durch die Uni mit den ersten Informationen zum dritten Staatsexamen (M3) ins Haus geflattert sind, sitze ich wieder mit meiner Tasse Tee am Schreibtisch. Diese langen Lernphasen erinnern mich an mein erstes und zweites Staatsexamen und zugegebenermaßen ist auch meine Motivation nicht immer auf ihrem Höchst- level. Phasen, in denen ich mich daran erinnere, was ich bereits kann, wechseln sich ab mit Phasen, in denen ich mich frage, was ich die letzten sechs Jahre überhaupt gelernt habe. Dennoch freue ich mich auf diese finale Prüfung, bei der ich an zwei Tagen zeigen soll, was ich im Studium und im PJ gelernt habe. In diese Prüfung werde ich hoffentlich als Studentin hineingehen und als Ärztin wieder herauskommen. Am ersten Tag der Prüfung stellt sich uns eine Patientin oder ein Patient vor, und wir sollen nach ausführlicher Anamnese und Untersuchung einen Arztbrief anfertigen. Anschließend sollen wir am Patientenbett praktische Aufgaben demonstrieren und theoretische Fragen in jedem der vier Fächer (bei mir: Dermatologie, Innere Medizin, Chirurgie und Neurologie) beantworten. Am zweiten Prüfungstag werden wir schwerpunktmäßig theoretisch erneut je 15 bis 20 Minuten in diesen Fächern geprüft. Und dann ist das dritte und letzte Staatsexamen auch schon vorbei! Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin. Schreibt mir unter medizinstudium@ aekno.de. Mail aus Düsseldorf Elif Beyza Saritas Foto: privat

Begrüßung HörGeist: Ein Projekt für Menschen mit geistiger Behinderung Wichtige Erkenntnisse aus dem HörGeist-Projekt Wie gelangt der Prinz zu Dornröschen? HörGeist: Rekrutierung und Drop-outs Hörtestungen für Menschen mit geistiger Behinderung in ihrem Lebensumfeld HörBegeistert – Hörrehabilitation für Menschen mit geistiger Behinderung in ihrem Lebensumfeld Gesundheitsökonomische Evaluation des HörGeist- Programms Kostenmodellierung des HörGeist-Programms Pause Menschen mit geistiger Behinderung und Hörstörungen und deren … ... Hörgeräteversorgung in der Lebensumgebung ... hörbezogene Lebensqualität ... Komorbiditäten ... externe Hördiagnostik ... externe Hörtherapie Paneldiskussion: Wie sichern wir Hördiagnostik, -behandlung und -rehabilitation von Menschen mit geistiger Behinderung und Hörstörung und die Schulung ihrer Betreuungspersonen? Schlussworte Moderation Ende der Veranstaltung Dr. med. Arndt Berson, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein Prof. Dr. med. Katrin Neumann, Direktorin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster Dr. med. Philipp Mathmann, Stellv. Direktor der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster Dr. rer. nat. Susanne Wasmuth, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektbetreuerin, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster Lukas Prein, M.Sc., wissenschaftlicher und -Projektmitarbeiter, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster Prof. Dr. phil. Karolin Schäfer, Lehrstuhl für Pädagogik und Rehabilitation lautsprachlich kommunizierender Menschen mit Hörschädigung (Audiopädagogik), Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln Prof. Dr. med. Dr. pol. Anja Neumann, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen Sarah Schlierenkamp, M.A., Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) GmbH, Essen Nils Vogt, Geschäftsführer Kampmann Hörsysteme GmbH, Bochum Susanna Zielonkowski, Doktorandin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster Awa Naghipour, Doktorandin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster Anna Schotenröhr, Doktorandin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster/Dr. med. Nicole Stuhrmann, Praxis für HNO Heilkunde, Pädaudiologie und Phoniatrie, Düsseldorf-Meerbusch Anna Sophia Schwalen, Doktorandin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster/Prof. Dr. med. Ruth Lang-Roth, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Köln Claudia Middendorf, Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen Matthias Mohrmann, Vorstand AOK Rheinland Hamburg Auditorium Prof. Dr. med. Susanne Schwalen Geschäftsführende Ärztin der Ärztekammer Nordrhein Prof. Dr. med. Katrin Neumann Freitag, 10. Januar 2025 , 14:00– 17:30 Uhr Illustration: tina ennen Anmeldung und Information Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldungen zur Veranstaltung sind erforderlich und können online durch- geführt werden unter: www.aekno.de/hoergeist. Bei Interesse bitten wir um eine Anmeldung bis zum 06.01.2025 Fragen zur Veranstaltung beantwortet Ihnen das Team des Veranstaltungs- managements, Tel. 0211 4302-2216, E-Mail: veranstaltungen@aekno.de. Haus der Ärzteschaft, Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Parkmöglichkeiten Sie finden kostenlose Parkmöglichkeiten in der Tiefgarage, Einfahrt Tersteegenstraße 9. CME-Punkte Die Veranstaltung ist mit 4 Fortbildungspunkten anerkannt. Die Teilnahme ist kostenfrei. HörGeist: Identifikation und Behandlung von Hörstörungen bei Menschen mit geistiger Behinderung Präsenzveranstaltung im Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 Ein Patient kommt 90 Minuten zu spät zu einem Termin in die Ambulanz und schreit und pöbelt herum, weil er eine halbe Stunde warten muss, bis er an der Reihe ist. Ein psychisch zwar auffälliger, aber nicht als gewalttätig bekannter Patient würgt eine Pflegekraft so, dass sie ärztlich behandelt werden muss, als sie ihm das Essen bringen will. Ein Patient ist mit dem Ergebnis seiner Operation nicht zufrieden, obwohl es fachlich nicht zu beanstanden ist, und überzieht den Chefarzt der Abteilung mit beleidigenden E-Mails, die in einer Morddrohung münden. Es sind Vorkommnisse wie diese, die er zum Teil selbst erlebt hat, die Professor Dr. Marc Busche, Chefarzt der Abteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Klinikum Leverkusen, dazu bewogen haben, aktiv zu werden. Busche ist gemeinsam mit seiner Kollegin Jessica Odenthal, Leiterin des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, seit 2022 Beauftragter der Geschäftsführung für Gewaltprävention am Klinikum. Zugleich sind beide Koordinierungsmitglieder des Präventionsnetzwerks #sicherimDienst, das die Landesregierung NRW in Zusammenarbeit mit der Polizei für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ins Leben gerufen hat. Zu den Aufgaben von Busche und Odenthal zählen regelmäßige Deeskalations- und Sicherheitsschulungen für die Mitarbeiter. Als polizeilich geprüfte Trainer für das Berufsspezifische Interventions- und Sicherheitstraining (BIUS) werden sie in Zukunft in erster Linie Kolleginnen und Kollegen zu Trainern ausbilden. Denn das Klinikum Leverkusen hat, auch unter dem Eindruck des Angriffs auf die Pflegekraft, entschieden, künftig allen 2.400 Mitarbeitern ein Deeskalations- und Sicherheitstraining anzubieten. Die Dimension gewalttätiger Übergriffe gegen das Personal in medizinischen Einrichtungen im Land richtig einzuschätzen, ist schwierig. Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst zwar medizinische Einrichtungen als Tatorte, nicht aber, wer dort gegen wen Gewalt ausübt. Ärztinnen und Ärzte sowie Pflege- oder Praxispersonal würden nicht separat als „Opfergruppe“ ausgewiesen, teilt das Landeskriminalamt (LKA) dem Rheinischen Ärzteblatt auf Anfrage mit. Laut einer quantitativen Erhebung der Kriminologischen Zentralstelle aus dem Jahr 2022 habe man in den vergangenen Jahren zwar einen stetigen Anstieg der Fallzahlen ausgewählter Delikte zum Nachteil von Rettungskräften verzeichnet, insbesondere im Bereich der Nötigung, so das LKA. Die Entwicklung der Fallzahlen spiegele allerdings nicht immer eine tatsächliche Zunahme der Kriminalität wider, heißt es einschränkend. Sie könne auch einem geänderten Anzeigeverhalten oder einer veränderten Kontrollintensität der Strafverfolgungsbehörden geschuldet sein. „Ob es sich bei den genannten Zahlen um kurzfristige Entwicklungen handelt oder sich ein langfristiger Trend zur Verrohung der Gesellschaft abzeichnet, lässt sich anhand der Datenlage nicht abschließend feststellen“, schreibt das LKA. Foto: PinkBadges/istockphoto.com Verlorener Respekt Beleidigungen, Drohungen, Beschimpfungen, aber auch Tritte und Schläge – gewalttätige Übergriffe gegen Ärztinnen und Ärzte, Pflege- und Praxispersonal nehmen zu. Erst Ende September machte ein Vorfall in einem Krankenhaus in Essen Schlagzeilen: Sechs Mitarbeiter wurden nach der erfolglosen Reanimation eines Patienten von dessen Angehörigen angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Dass es sich dabei nicht um eine gefühlte Zuspitzung der Lage handelt, legen aktuelle Umfragen nahe. von Heike Korzilius

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 13 Um die Lage besser einschätzen zu können, haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in diesem Jahr jeweils eigene Umfragen unter ihren Mitgliedern aufgelegt. Im April veröffentlichte die DKG die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zur Gewalt gegen Klinikmitarbeiter, an der bundesweit 250 Allgemeinkrankenhäuser mit mehr als 100 Betten teilnahmen. Danach gaben 73 Prozent der Kliniken an, dass die Zahl der Übergriffe in ihren Häusern in den vergangenen fünf Jahren gestiegen sei. 53 Prozent verzeichneten eine mäßige und 20 Prozent eine deutliche Steigerung. 80 Prozent der Kliniken gaben an, dass weit überwiegend der Pflegedienst von Gewalt betroffen sei; bei der Hälfte der Kliniken stehen die Notaufnahmen im Zentrum der Übergriffe. Zu aggressivem Verhalten kommt es der Umfrage zufolge vor allem, wenn Alkohol oder Schmerzen im Spiel sind, Patienten psychisch auffällig sind oder es zu langen Wartezeiten kommt. Als eine der Hauptursachen von Gewalt nannten allerdings 73 Prozent der Kliniken auch einen allgemeinen Respektverlust gegenüber dem Krankenhauspersonal. Was die Zahl der gewalttätigen Übergriffe betrifft, geht die DKG nach eigenen Worten von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Denn gerade kleinere Übergriffe würden vielfach weder intern gemeldet noch bei der Polizei angezeigt. Beleidigungen gehören zum Alltag An einer Online-Umfrage der KBV zu Gewalterfahrungen in den Praxen beteiligten sich im August rund 7.600 Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Medizinische Fachangestellte. Die Ergebnisse ähneln denen aus den Krankenhäusern. Danach gaben 85 Prozent der Befragten an, dass Beschimpfungen, Beleidigungen oder Bedrohungen durch Patienten in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hätten. 48 Prozent erklärten, dass das auch für Fälle körperlicher Gewalt gelte. Fast jeder Zweite wurde in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal von einem Patienten körperlich angegriffen oder bedroht. Die Fälle reichten von Tritten gegen das Schienbein, Schubsen und Spucken bis hin zu schweren Angriffen. Jeder vierte von körperlicher Gewalt Betroffene schaltete die Polizei ein oder erstattete Anzeige. Weit verbreitet ist der KBV-Umfrage zufolge insbesondere verbale Gewalt. 80 Prozent der Befragten erlebten solche Vorfälle allein im vergangenen Jahr. Die meisten Praxen beklagen in der Umfrage eine zunehmende Aggressivität und Respektlosigkeit von Patienten. Beschimpfungen und Beleidigungen gehörten mittlerweile zum Praxisalltag, berichteten Teilnehmer in Freitextantworten. Einen Grund für die gestiegene Gewaltbereitschaft sehen viele der Befragten in einem gestiegenen Anspruchsdenken der Patienten. Häufig gehe es dabei um zeitnahe Termine, Rezepte oder bestimmte Untersuchungen, die vergeblich eingefordert würden. Zugleich seien viele Patienten von den derzeitigen Rahmenbedingungen frustriert, Sicherheitstraining für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (oben) im Klinikum Leverkusen: Trainer Professor Dr. Marc Busche mimt einen Angreifer, der von Co-Trainerin Jessica Odenthal mit einem Polizeigriff überwältigt wird (unten). Foto: Klinikum Leverkusen was sich ebenfalls häufig in Beleidigungen und Beschimpfungen äußere. Die Umfrageergebnisse beschäftigten Mitte September auch die KBV-Vertreterversammlung (VV). Sie sprach sich in einer Resolution für eine von der Bundesregie-

Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 rung angestrebte Verschärfung des Strafrechts aus, deren Ziel es ist, Angehörige von Polizei und Feuerwehr, Rettungskräfte sowie „dem Gemeinwohl dienende“ Personen besser vor Übergriffen zu schützen. Die KBV hatte ursprünglich darauf gedrängt, das Personal in den Arzt- und Psychotherapeutenpraxen explizit in die Gesetzesänderung einzubeziehen. Das ist zwar bislang nicht geschehen. Bundesjustizminister Marco Buschmann habe jedoch bekräftigt, dass die Praxen für ihn essenzieller Bestandteil der Daseinsvorsorge und damit von der im Gesetz stehenden „Gemeinwohl dienenden Tätigkeit“ umfasst seien, erklärte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen vor der VV. Er habe sich mit dem Minister darauf verständigt, zunächst wissenschaftlich zu untersuchen, wie Praxen mit Gewalterfahrungen umgehen und ob diese strafrechtlich weiterverfolgt werden. Daraus sollten dann weitere Maßnahmen abgeleitet werden. Gassen stellte zugleich klar, dass die überwältigende Mehrheit der Patientinnen und Patienten in den Praxen nicht aggressiv auftrete und sogar Verständnis für die oftmals schwierige Situation der Praxismitarbeiter habe. Dennoch sei das Problem relevant. Die Gesellschaft verroht In den Krankenhäusern sind, wie auch die Umfrageergebnisse der DKG belegen, die Notaufnahmen am häufigsten von gewalttätigen Übergriffen betroffen. Dabei kommt es nach Erfahrung von Deeskalationstrainer Busche deutlich öfter zu verbalen Entgleisungen als zu körperlichen Angriffen. „Situationen, die aggressives Verhalten begünstigen, ergeben sich immer dann, wenn Patienten nicht das bekommen, was sie wollen, oder sie es nicht sofort bekommen“, sagt der Chirurg und verweist auf den „Klassiker“ – den Patienten mit dem verstauchten Fuß, der es nicht einsieht, dass das Unfallopfer vor ihm an der Reihe ist. „Und die Zündschnur wird bei vielen kürzer“, meint Busche. Von einer „Verrohung der Gesellschaft“ spricht der Sozialpsychologe und Konfliktforscher Professor Dr. phil. Andreas Zick von der Universität Bielefeld, dessen Institut für die sogenannten Mitte-Studien der Friedrich-­ Ebert-Stiftung verantwortlich ist. Sie geben seit 2006 etwa alle zwei Jahre Auskunft über die Entwicklung rechtsextremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. Zick zufolge billigen zunehmend auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft Gewalt gegen Politiker und Institutionen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. In einem Beitrag im Deutschlandfunk im April dieses Jahres, der sich dem Thema Hass gegen Einsatzkräfte widmete und in dem auch Deeskalationstrainer Busche mitwirkte, erklärte Zick, dass viele Menschen öffentliche Repräsentanten wie Polizei oder Rettungskräfte zunehmend als Dienstleister ansähen. Dazu komme der politische Populismus, der Menschen mehr und mehr in Distanz zu den Institutionen gesetzt habe. In diesem Kontext werde Gewalt als Widerstandshandlung zu „denen da oben“ veredelt. Man schaue vor allem auf sich selbst und seine eigenen Interessen und nehme den anderen nicht mehr als Person wahr. „Dann bricht der Respekt ein“, sagte Zick im Deutschlandfunk. Ein guter Gefahrenradar schützt Respekt ist das Stichwort. Auch für Deeskalationstrainer Busche. Um der zunehmenden Gewalt entgegenzuwirken, müsse langfristig wieder ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden. „Es müssen wieder Werte wie Respekt, Rücksicht und Empathie vermittelt werden“, fordert Busche. „Die Menschen müssen wieder lernen, dass man nicht immer nur die eigenen Interessen durchsetzen kann, koste es, was es wolle.“ Kurzfristig könne man den zunehmenden Übergriffen aber nur dadurch begegnen, dass man die MitIm April dieses Jahres hat die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) den Leitfaden „Gewalt und Gewaltprävention im Krankenhaus“ veröffentlicht. Er richtet sich mit seinen Handlungsempfehlungen an die Geschäftsführungen und Führungskräfte der Kliniken. Viele Praxistipps können aber auf andere Bereiche im Gesundheitswesen übertragen werden. Grundsätzlich hält es die KGNW für unabdingbar, dass die Kliniken eine Null-Toleranz-Politik für Gewalt in ihrem Leitbild verankern. Handlungsempfehlungen gibt es für folgende Bereiche: Organisatorische Maßnahmen: ausreichende Personalstärke; kluge Dienstplangestaltung (keine Alleinarbeit, erfahrene Mitarbeiter unterstützen unerfahrene); internes Warn- und Meldesystem etablieren; Sicherheitsdienst beschäftigen; persönlicher Austausch mit der Polizei, schon bevor etwas passiert ist Personenbezogene Maßnahmen: Schulungen und regelmäßige Unterweisungen schaffen Gefahrenbewusstsein und Sicherheit; Deeskalationstraining, das am besten jährlich aufgefrischt wird Bauliche und technische Maßnahmen: gute Beschilderung; ausreichende Fluchtwege; überwachte Eingangstüren; Abgrenzung zwischen Empfangs- und Behandlungsbereich (bruchsicheres Glas); Versorgung der Wartenden mit Snacks, Getränken, Zeitschriften oder TV/WLAN Deeskalation durch Kommunikation: Wertschätzung und Verständnis gegenüber Patienten und deren Begleitung zeigen; ruhiges, selbstsicheres Auftreten Nachsorge: Sofort-Unterstützung für die Opfer von Gewalt durch geschulte Kollegen vorhalten, um akute Traumata abzuwenden; Konzepte für langfristige Nachsorge bereithalten Nach Einschätzung der KGNW ist das Problem der zunehmenden Gewalt in medizinischen Einrichtungen inzwischen in der Politik angekommen. Das zeige das bundesweit einmalige ressort- und bereichsübergreifende Präventionsnetzwerk #sicherimDienst des Landes NRW zur Verbesserung der Gewaltprävention für den gesamten öffentlichen Dienst. Außerdem habe das NRW-Gesundheitsministerium einen Runden Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt und Diskriminierung unseres Gesundheitspersonals“ eingerichtet. HK Leitfaden zur Gewaltprävention

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