Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 Ein Patient kommt 90 Minuten zu spät zu einem Termin in die Ambulanz und schreit und pöbelt herum, weil er eine halbe Stunde warten muss, bis er an der Reihe ist. Ein psychisch zwar auffälliger, aber nicht als gewalttätig bekannter Patient würgt eine Pflegekraft so, dass sie ärztlich behandelt werden muss, als sie ihm das Essen bringen will. Ein Patient ist mit dem Ergebnis seiner Operation nicht zufrieden, obwohl es fachlich nicht zu beanstanden ist, und überzieht den Chefarzt der Abteilung mit beleidigenden E-Mails, die in einer Morddrohung münden. Es sind Vorkommnisse wie diese, die er zum Teil selbst erlebt hat, die Professor Dr. Marc Busche, Chefarzt der Abteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Klinikum Leverkusen, dazu bewogen haben, aktiv zu werden. Busche ist gemeinsam mit seiner Kollegin Jessica Odenthal, Leiterin des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, seit 2022 Beauftragter der Geschäftsführung für Gewaltprävention am Klinikum. Zugleich sind beide Koordinierungsmitglieder des Präventionsnetzwerks #sicherimDienst, das die Landesregierung NRW in Zusammenarbeit mit der Polizei für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ins Leben gerufen hat. Zu den Aufgaben von Busche und Odenthal zählen regelmäßige Deeskalations- und Sicherheitsschulungen für die Mitarbeiter. Als polizeilich geprüfte Trainer für das Berufsspezifische Interventions- und Sicherheitstraining (BIUS) werden sie in Zukunft in erster Linie Kolleginnen und Kollegen zu Trainern ausbilden. Denn das Klinikum Leverkusen hat, auch unter dem Eindruck des Angriffs auf die Pflegekraft, entschieden, künftig allen 2.400 Mitarbeitern ein Deeskalations- und Sicherheitstraining anzubieten. Die Dimension gewalttätiger Übergriffe gegen das Personal in medizinischen Einrichtungen im Land richtig einzuschätzen, ist schwierig. Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst zwar medizinische Einrichtungen als Tatorte, nicht aber, wer dort gegen wen Gewalt ausübt. Ärztinnen und Ärzte sowie Pflege- oder Praxispersonal würden nicht separat als „Opfergruppe“ ausgewiesen, teilt das Landeskriminalamt (LKA) dem Rheinischen Ärzteblatt auf Anfrage mit. Laut einer quantitativen Erhebung der Kriminologischen Zentralstelle aus dem Jahr 2022 habe man in den vergangenen Jahren zwar einen stetigen Anstieg der Fallzahlen ausgewählter Delikte zum Nachteil von Rettungskräften verzeichnet, insbesondere im Bereich der Nötigung, so das LKA. Die Entwicklung der Fallzahlen spiegele allerdings nicht immer eine tatsächliche Zunahme der Kriminalität wider, heißt es einschränkend. Sie könne auch einem geänderten Anzeigeverhalten oder einer veränderten Kontrollintensität der Strafverfolgungsbehörden geschuldet sein. „Ob es sich bei den genannten Zahlen um kurzfristige Entwicklungen handelt oder sich ein langfristiger Trend zur Verrohung der Gesellschaft abzeichnet, lässt sich anhand der Datenlage nicht abschließend feststellen“, schreibt das LKA. Foto: PinkBadges/istockphoto.com Verlorener Respekt Beleidigungen, Drohungen, Beschimpfungen, aber auch Tritte und Schläge – gewalttätige Übergriffe gegen Ärztinnen und Ärzte, Pflege- und Praxispersonal nehmen zu. Erst Ende September machte ein Vorfall in einem Krankenhaus in Essen Schlagzeilen: Sechs Mitarbeiter wurden nach der erfolglosen Reanimation eines Patienten von dessen Angehörigen angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Dass es sich dabei nicht um eine gefühlte Zuspitzung der Lage handelt, legen aktuelle Umfragen nahe. von Heike Korzilius
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