Rheinisches Ärzteblatt 11/2024

20 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 Spezial kehrte, war die Einrichtung demoliert.“ Laut Angaben von Hoffmann und seiner Ehefrau hatten NS-Schergen in seiner Wohnung ein Werk der Zerstörung hinterlassen. Zerschlagen wurden Kristallspiegel, Glasplatten, Tafelservice, Waschbecken; die Bezüge von Stühlen, Sesseln und Sofa waren zerschnitten, der Konzertflügel war beschädigt. Für Schäden am Eigentum wurde Hoffmann mit Bescheid vom 17. Juli 1957 die Summe von 1.800 DM zugesprochen. Entschädigungsleistungen erhielt er zudem für die Kosten der Auswanderung, für die Zahlung der Judenvermögensabgabe und „Ausfuhrförderungsabgabe“. Bis ins Jahr 1961 zog sich dagegen der Rechtsstreit über die Anerkennung eines Einkommensschadens durch den Verlust des immateriellen Werts (Goodwill) von Hoffmanns Arztpraxis hin. Anders als im Fall von Isidor Hirschfelder wurde auf der Grundlage eines komplizierten Berechnungsverfahrens ein solcher Anspruch in Höhe von 3.720 DM anerkannt. Nach einem Berufungsverfahrens kam es 1961 zu einem Vergleich über die Zahlung von weiteren 3.000 DM an Hoffmann für den Goodwill-Verlust. Unter anderen Voraussetzungen erfolgte das Entschädigungsverfahren bei Dr. Georg Goldstein. Der im Jahr 1898 in Proskurow auf dem Gebiet der heutigen Ukraine geborene Goldstein war seit Juni 1930 in Düsseldorf als Facharzt für Innere Medizin niedergelassen. Von den Nationalsozialisten wurde ihm 1934 die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. Zwei Jahre später emigrierte er nach Palästina, kehrte aber im Juli 1953 wieder nach Düsseldorf zurück, „aufgrund der klimatischen Verhältnisse und der schlechten Lebensmöglichkeiten“, wie es in einem Ermittlungsbericht des Düsseldorfer Wiedergutmachungsamtes hieß. Zur Wiedereröffnung einer ärztlichen Praxis in Düsseldorf stellte Goldstein im April 1954 über seinen Anwalt beim Wiedergutmachungsamt einen Antrag auf Gewährung eines Darlehens in Höhe von 40.000 DM. Die dazu befragte Ärztekammer Nordrhein hielt ein Darlehen in Höhe von 12.000 DM für ausreichend, um eine internistische Praxis einzurichten. Die Behörde setzte sich über diese Einschätzung hinweg und bewilligte nach Einholung von Kostenvoranschlägen 20.000 DM – wohlwissend, dass die noch festzustellenden Entschädigungsansprüche Goldbergs dieses Darlehen ausreichend absichern würden. Zum weiteren Ausbau der Praxis beantragte Goldstein im Juni 1956 beim Wiedergutmachungsamt eine Vorauszahlung in Höhe von 20.000 DM im Vorgriff auf seine mittlerweile geltend gemachten Entschädigungsansprüche. Diese Vorauszahlung wurde ihm gewährt. Mit Bescheid vom 28. April 1958 wurde Goldstein wegen Schadens durch Verdrängung aus selbstständiger Tätigkeit eine Entschädigung in Höhe von 40.000 DM zugesprochen. Damit verrechnet wurden die noch offene Darlehenssumme sowie die Vorauszahlung, sodass schließlich an Goldberg noch 2.439,04 DM ausgezahlt wurden. Erst im Jahr 1960 wurde über von Goldberg geltend gemachte Schäden an Eigentum entschieden. Diese wurden zwar anerkannt, jedoch mit einer vier Jahre zuvor gezahlten Rückwanderer-Soforthilfe verrechnet, sodass kein Betrag mehr ausgezahlt wurde. 150 DM für einen Monat Lagerhaft Erstaunlich niedrig fiel für NS-Opfer die finanzielle Entschädigung für erlittenen Freiheitsentzug – zum Beispiel auch Konzentrationslagerhaft – aus. Dr. Max Goldberg, am 12. September 1898 in Köln geboren, als Arzt dort niedergelassen, wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert; im September 1944 kam er ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, wo er ermordet wurde. Pro Monat Lagerhaft wurden gemäß Bundesentschädigungsgesetz 150 DM Entschädigung gewährt, die in diesem Fall an die anspruchsberechtigte Ehefrau auszuzahlen war. Die Auseinandersetzung um die weiteren Entschädigungsansprüche der Erbberechtigten zog sich sehr lange hin; erst im Jahr 1972 kam es abschließend zu einem Vergleich. Bereits im Jahr 1962 hatte Max Goldbergs Bruder Werner aus den USA ans Regierungspräsidium in Köln geschrieben: „Mein Bruder Max, der aus einer Familie stammt, die über 500 Jahre in Deutschland gelebt hat und der im ersten Weltkrieg als freiwilliger Sanitätssoldat kämpfte und der von Hitler in Auschwitz verbrannt wurde, ist nunmehr schon über 20 Jahre tot. Seit Jahren kämpfe ich mit der Regierung für das bisschen Geld, das mir, einem alten Mann und krank hier in New York zukommen soll. … Wir beantragen doch keine großen Summen. Die Beträge, die das Amtsgericht vorgeschlagen hat, sind wahrhaftig gar nichts im Vergleich zu dem großen Schaden, den unsere Familie in Deutschland erlitten hat.“ Die hier beschriebenen Beispiele von Entschädigungen jüdischer Ärzte, die in Nordrhein Opfer von NS-­ Unrecht wurden, können nicht mehr als ein Schlaglicht werfen auf die allgemeine Praxis der „Wiedergutmachung“ in der Bundesrepublik. Aber auch diese Einzelfälle zeigen, dass es für die jüdischen Ärzte oder deren Angehörige vor Inkrafttreten des BEG 1956 keine Entschädigung für die Verdrängung aus dem Beruf, für erzwungene Geldtransfers, für Freiheitsberaubung oder für die Zerstörung von Eigentum gab. Der Umstand, dass bei allen hier beschriebenen Entschädigungsfällen Anwälte eingeschaltet waren, lässt vermuten, dass Betroffene ohne anwaltliche Vertretung bei den Behörden einen schwereren Stand bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche hatten. Wo das BEG präzise Festlegungen traf, wie beispielsweise bei der finanziellen Entschädigung bei Verdrängung aus dem Beruf, kam es zu einer eher reibungslosen Abwicklung. Gab es hingegen einen Interpretationsspielraum, wie etwa bei der Bemessung des immateriellen Werts einer Praxis, bei der Entschädigung für zerstörtes oder verloren gegangenes Eigentum, bei der Anerkennung von erzwungenen Geldzahlungen oder aufgelösten Lebensversicherungen, führte dies in aller Regel zu langwierigen Verfahren, die vor Gericht entschieden wurden. Ein Stolperstein an der Burgmauer 23 erinnert in Köln an Dr. Max Goldberg. Foto: NS-Dokumentations-­ zentrum der Stadt Köln/ Karin Richert

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