Rheinisches Ärzteblatt 11/2024

Gesundheits- und Sozialpolitik 22 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 Trotz Rekordausbildungszahlen bei Medizinischen Fachangestellten (MFA) fällt es Ärztinnen und Ärzten zunehmend schwer, geeignetes Praxispersonal zu finden. Gleichzeitig sorgt unter anderem eine hohe Arbeitsbelastung für mehr und mehr Unzufriedenheit bei den MFA. von Marc Strohm „Z ur Verstärkung für unser Praxisteam suchen wir eine engagierte und freundliche MFA. Wir bieten ein gutes Arbeitsklima, geregelte Arbeitszeiten und eine attraktive Vergütung“ — so oder ähnlich lauten die Stellenanzeigen, die Ärztinnen und Ärzte auf der Suche nach geeignetem Praxispersonal auf der Jobbörse der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) inserieren. Doch Medizinische Fachangestellte sind Mangelware. Den derzeit rund 60 Stellenangeboten der Praxisinhaber stehen auf der Internetseite der ÄkNo nur vier Stellengesuche von Medizinischen Fachangestellten gegenüber. Die Folgen des Fachkräftemangels seien im Praxisalltag bereits jetzt schon deutlich spürbar, erklärt Dr. Arndt Berson, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein und niedergelassener Hausarzt im niederrheinischen Kempen. Viele seiner Kollegen meldeten ihm beispielsweise zurück, dass sie aufgrund von fehlendem Personal ihre Öffnungszeiten verkürzen oder Leistungen reduzieren müssten. Für das bestehende Praxispersonal erhöhe sich durch den Fachkräftemangel die Arbeitsbelastung, und für die Patientinnen und Patienten verlängerten sich die Wartezeiten. Ein beliebter Ausbildungsberuf Tatsächlich ist die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten bei jungen Menschen sehr beliebt, erklärt Cornelia Grün, die bei der Ärztekammer Nordrhein das Ausbildungswesen betreut. Insbesondere die Coronapandemie habe das Interesse an diesem Beruf befeuert, mit insgesamt 2.899 neu geschlossenen Ausbildungsverträgen im Jahr 2021 war ein Rekordhoch erreicht. Im Jahr 2023 rangierte der Beruf nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung auf Platz 1 der beliebtesten Ausbildungsberufe bei Frauen. Um Schülerinnen und Schüler möglichst früh für den Beruf der MFA zu begeis- tern, empfiehlt Grün Praxisinhabern, mehrwöchige Schülerpraktika im Rahmen der Initiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Das ermögliche es den Jugendlichen, erste Eindrücke vom Arbeitsalltag zu sammeln und ihre Vorstellungen passgenau abzugleichen. Rechtlich sei dabei zu berücksichtigen, dass die Jugendlichen erst ab dem 14. Lebensjahr zur Verschwiegenheit verpflichtet werden könnten. Darüber hinaus könnten Ärztinnen und Ärzte auch ganz konkret an der Ausbildung der Fachkräfte mitwirken, zum Beispiel als Lehrkraft in einem der 24 nordrheinischen Berufskollegs oder als ehrenamtliche Prüfer in einem MFA-Prüfungsausschuss bei der Ärztekammer Nordrhein. Viele MFA sind unzufrieden Trotz der Beliebtheit als Ausbildungsberuf herrsche bei vielen berufstätigen MFA Unzufriedenheit, erklärt Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe (vmf), auf Anfrage des Rheinischen Ärzteblattes. Nach einer Umfrage des vmf aus dem Jahr 2023 zogen rund 40 Prozent der MFA mehrmals im Monat einen Jobwechsel oder eine vollständige Aufgabe des Berufes in Betracht. Zur Ernüchterung im Laufe des Berufslebens trage unter anderem eine hohe Stressbelastung bei. Auch Gewalt sei in den Praxen kein Einzelfall mehr: Eine Umfrage des vmf aus dem Jahr 2023 habe gezeigt, dass etwa ein Drittel der MFA in den drei Jahren zuvor Opfer von körperlicher oder verbaler Gewalt waren. Zudem klagten viele MFA über ein zu geringes Gehalt. Eine deutliche Verbesserung hätten allerdings die Tarifverhandlungen im Jahr 2023/2024 bewirkt mit einer durchschnittlichen Gehaltssteigerung von 7,4 Prozent über alle Tarifgruppen hinweg, betonte König. Um langfristig angemessene Gehälter zu gewährleisten, sei jedoch eine vollumfängliche Gegenfinanzierung von Tarifsteigerungen durch die Krankenkassen ebenso notwendig wie die Entbudgetierung haus- und fachärztlicher Leistungen, so die vmf-Präsidentin. An Attraktivität mangele es dem Beruf der Medizinischen Fachangestellten längst nicht mehr, betont ÄkNo-Vizepräsident Berson. Interessentinnen stünden Weiterqualifizierungen etwa zur Entlastenden Versorgungsassistentin (EVA) oder zur Fachwirtin in der ambulanten Versorgung offen. Die EVA oder die Fachwirtinnen übernähmen in der Praxis delegierbare Aufgaben und entlasteten dadurch Ärztinnen und Ärzte im Praxisalltag spürbar. Die Weiterbildung des Praxispersonals müsse aber von politischer Seite finanziell gefördert werden, beispielsweise durch Bildungsgutscheine, fordert Berson. Diese fehlten im ambulanten Bereich bisher völlig. Insgesamt brauche es eine mehrschichtige Strategie, um den Fachkräftemangel abzufedern. So könnten auch eine anwenderfreundliche Digitalisierung sowie eine Reduktion von Bürokratie zu einer spürbaren Entlastung von Ärzten und Mitarbeitenden beitragen. Daneben gelte es, die Anerkennungen von ausländischen Fachkräften zu vereinfachen, um die Integration auf dem Arbeitsmarkt zu erleichtern, betonte Berson. MFA gesucht – Fachkräftemangel trotz Rekordausbildungszahlen Auf der Jobbörse der Ärztekammer Nordrhein können Ärztinnen und Ärzte ihre Stellenangebote inserieren. Auch MFA stellen dort Gesuche ein: www.aekno.de/jobboerse Aktuelle Tarifverträge für Medizinische Fachangestellte können auf der Internetseite der Ärztekammer Nordrhein heruntergeladen werden: www.aekno.de/aerzte/rechtsgrundlagen/gehaltstarifvertrag-fuer-mfa Durch Weiterqualifizierung können Medizinische Fachangestellte delegierbare Aufgaben in den Praxen übernehmen. Informationen zur Qualifizierung als Fachwirtin für die ambulante medizinische Versorgung: www.akademie-nordrhein.de/fachwirtin oder Entlastende Versorgungsassistentin: www.akademie-nordrhein.de/entlastende-versorgungsassistentin-mfa Ausbilden und weiterqualifizieren

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