Rheinisches Ärzteblatt 11/2024

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 11 / 2024 25 niemals die Gesamtverantwortung in Diagnostik und Therapie abgegeben werden. Als ein positives Beispiel für eine KI-Anwendung nannte Buyx die Software „Alphafold“, deren Entwickler gerade mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. In der Medikamentenentwicklung leiste diese KI-Anwendung bei der Berechnung der Proteinfaltung in wenigen Stunden das, wofür man früher Jahre gebraucht habe. Aber auch hier wieder der Hinweis von Buyx auf die Gefahr des Dual Use: Alphafold sei nämlich auch blitzschnell in der Lage, Biowaffen zu entwickeln. Bisherige Erfahrungen mit KI-Anwendungen in der Medizin hätten gezeigt, wie wichtig es sei, ärztliche Kompetenz von Anfang an in die Entwicklung von entsprechenden Applikationen einzubringen. „Sie sind die Spezialisten, Sie wissen, was man braucht in Ihren Praxen, in Ihren Krankenhäusern“, warb Buyx eindringlich für mehr ärztliches Engagement in der KI-Entwicklung. Ärztinnen und Ärzte sollten mit der ärztlichen Perspektive das mitgestalten, was erforderlich sei. „Sonst bekommt man fremdbestimmte Lösungen verkauft, die man zu nutzen hat.“ Für Stefanie Kemp, Vorstandsmitglied der Sana Kliniken AG, liegen die Vorteile beim Einsatz von KI im Krankenhaus auf der Hand. Ihr Fokus liegt auf den Patientinnen und Patienten, deren Aufnahme und Aufenthalt im Krankenhaus unter Verwendung von KI deutlich angenehmer gestaltet werden könne – auch zum Nutzen der Pflegekräfte und Ärzte. Die Sana Kliniken AG arbeite an einer KI-Anwendung, die den Workflow bei der Patientenaufnahme verbessere. Auch die Patientenaufklärung mittels KI könne so ermöglicht werden. KI lasse sich grundsätzlich auch für eine schnellere Dokumentation nutzen, damit Ärzte und Pflegekräfte mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt haben. So könnten mit einem auf KI basierenden Dialogsystem die wesentlichen Elemente eines Arzt-Patienten-Gesprächs erfasst und in die Dokumentation eingepflegt werden. Größere KI-Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen erforderten allerdings zunächst die Umsetzung einheitlicher technologischer Standards. Forum Künstliche Intelligenz als Chance wahrnehmen Bei der öffentlichen Veranstaltung des ä24-Kongresses warben die Referentinnen dafür, dass sich die Medizinberufe mit ihrer Expertise stärker in die Entwicklung bedarfsgerechter KI-Systeme einbringen. von Thomas Gerst Darin waren sich die beiden Referentinnen zum Thema „KI in der Medizin“ beim Kongress ä24 der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein, der Mitte Oktober in Bonn stattfand, einig: Wenn es um Datenschutz gehe, seien die Deutschen „notorisch skeptisch“. Hierzulande sei es gerade im Medizinbereich schwierig, gute KI-Anwendungen zu entwickeln; denn zum Anlernen der KI bedürfe es einer Vielzahl anonymisierter Gesundheitsdaten, deren Bereitstellung durch den Datenschutz nicht selten unnötig verkompliziert werde. Eine Referentin war Professor Dr. Alena Buyx, Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der TU München und bis April 2024 Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Buyx machte keinen Hehl aus ihrer Begeisterung für mögliche KI-­ Anwendungen in der Medizin. „Das Potenzial ist der Hammer“, aber: Wie bei fast allen technischen Neuerungen handele es sich bei KI um eine Dual-Use-Technologie mit viel positivem, aber auch zerstörerischem Potenzial. KI sei zudem nur ein Werkzeug, das kreativ genutzt werden müsse, um die Herausforderungen der Zeit bewältigen zu können, betonte Buyx. Man sollte sich davor hüten, die menschliche kollektive Intelligenz gegenüber Künstlicher Intelligenz abzuwerten. Insbesondere im analytischen Bereich habe uns KI zwar längst den Rang abgelaufen, aber im Bereich der sozialen Intelligenz sei KI noch immer weit zurück, meinte Buyx. Für die Medizinethikerin gilt grundsätzlich und damit auch für die Medizin: „Der Einsatz von KI als Werkzeug muss menschliche Entfaltung, Autorschaft und Handlungsmöglichkeiten erweitern und darf sie nicht vermindern. KI darf den Menschen nicht ersetzen.“ In der medizinischen Versorgung dürfe deshalb beim Einsatz von KI Plädoyer für den verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Medizin: Professsor Dr. Alena Buyx (links) und Stefanie Kemp. Professor Dr. Gisbert Knichwitz übernahm die Moderation. Foto: Jochen Rolfes Sehr zufrieden mit dem Verlauf des ä24Kongresses äußerte sich dessen wissenschaftlicher Leiter Professor Dr. Gisbert Knichwitz, MBA, Vorsitzender des Fortbildungsausschusses der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein. „Ich glaube, dass wir mit mehr als 1.000 Teilnehmenden und mit sehr vielen lebendigen Veranstaltungen einen weiteren Schritt getan haben, diesen Kongress zu etablieren.“ Ziel sei es, nach der Start-up-Phase auf einem umkämpften Markt mit vielen Anbietern künftig mindestens 1.500 Ärzte und Medizinische Fachangestellte zu einem Netzwerk-Treffen zusammenzubringen. „Wir wollen, dass die Berufsgruppen untereinander in Kommunikation, in Austausch kommen“, sagte Knichwitz. Der Plenarsaal des ehemaligen Bundestags in Bonn als Veranstaltungsort schaffe hierzu genau die richtige Atmosphäre. „Er lädt zum Diskurs ein. Es macht Spaß, hier in diesem Rund zu diskutieren und zu interagieren.“ Einladung zum Diskurs

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