Kammerversammlung Votum für mehr Mitsprache Dezember 2023 Heft 12 / 30.11.2023 77. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts Zeitenwende für Krankenhäuser Deutscher Krankenhaustag in Sorge um die Zukunft der Kliniken Was macht KI mit ärztlicher Kunst? Am Ende steht die ärztliche Letztverantwortung Das E-Rezept wird zur Pflicht Die KV Nordrhein informiert über reibungslose Abläufe
BERATUNG AUF EINEN BLICK www.aekno.de/aerzte/beratung ARZNEIMITTELBERATUNG Dr. med. Ina Falbrede, 0211 4302 2280 ina.falbrede@aekno.de KRISENINTERVENTION NACH TRAUMATISCHEN ERFAHRUNGEN IM ÄRZTLICHEN BERUF Dr. med. Stefan Spittler, 0172 2425122 dr.stefanspittler@t-online.de BERATUNGSSTELLE FÜR SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ RAin Katharina Eibl, RAin Kristina Hessenkämper, 0211 4302 2306 katharina.eibl@aekno.de, kristina.hessenkaemper@aekno.de MOBBINGBERATUNG Stefanie Esper M. A., 0211 4302 2204 stefanie.esper@aekno.de SUBSTITUTIONSGESTÜTZTE BEHANDLUNG OPIOIDABHÄNGIGER Jo Shibata, 0211 4302 2213 stefan.kleinstueck@aekno.de BERUFSRECHTLICHE BERATUNG 0211 4302 2303 rechtsabteilung@aekno.de CIRS-NRW – PATIENTENSICHERHEIT Judith Singer, 0211 4302 2218 judith.singer@aekno.de GOÄ Dr. med. Anja Pieritz, Dr. med. Kerrin Prangenberg, Sevda Thomas 0211 4302-2133, -2134, -2135 goae@aekno.de GRENZVERLETZUNGEN UND MISSBRAUCH Dr. med. Axel Herzog, Dr. med. Elisabeth Lüking, Nadja Rößner, Thomas Gröning, 0211 4302 2500 patientenberatung@aekno.de INTERVENTIONSPROGRAMM FÜR ABHÄNGIGKEITSKRANKE ÄRZTE Dr. med. Stefan Spittler, 0172 2425122 dr.stefanspittler@t-online.de KRANKENHAUSPLANUNG IN NORDRHEIN-WESTFALEN RAin Lilian Becker, 0211 4302 2115 krankenhausplanung@aekno.de PATIENTENBERATUNG Dr. med. Axel Herzog, Dr. med. Elisabeth Lüking, Nadja Rößner, Thomas Gröning 0211 4302 2500 patientenberatung@aekno.de PRÄVENTIONSGESETZ Sabine Schindler-Marlow, Snezana Marijan 0211 4302 2010, -2031 snezana.marijan@aekno.de ARBEITSSICHERHEIT UND BETRIEBSMEDIZIN Stefanie Esper M. A., 0211 4302 2204 stefanie.esper@aekno.de MEDIZINETHISCHE BERATUNG (GRÜNDUNGSAUSSCHUSS) Stefan Kleinstück, 0211 4302 2208 ethikberatung@aekno.de QS-STRAHLENSCHUTZ Dr. med Birgit Hallmann 0211 4302 2290 qsradnr@aekno.de WEITERBILDUNG Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden Sie auf der Internetseite www.aekno.de/weiterbildung denisismagilov/stock.adobe.com, Ed Telling/istockphoto.com, fizkes/stock.adobe.com, Alvaro Heinzen/istockphoto.com, Till Erdmenger, jeremias münch/stock.adobe.com, wavebreakmediaMicro/stock adobe.com, PeopleImages/istockphoto.com, wavebreakmedia/ istockphoto.com, Vassiliki Latrovali, Viktor_ Gladkov, pressmaster/stock. adobe.com, unsplash/gettyimages, alvarez/istockphoto.com, Minerva Studio/Fotolia, virtua73/Fotolia, Westend61/Fotolia
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 3 Heft 12 • Dezember 2023 Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes Mehr Prävention – aber evidenzbasiert Laut einer aktuellen Datenerhebung der KKH Kaufmännische Krankenkasse wurde 2022 bei jedem neunten Bürger in Deutschland Adipositas diagnostiziert. Bei Frauen trifft dies sogar auf jede achte zu. Insgesamt hat sich die Zahl Betroffener von 2012 auf 2022 um 30 Prozent erhöht. Ohne Zweifel besteht hier Handlungsbedarf. Denn je höher das Körpergewicht, desto höher ist das Risiko für gravierende Folgekrankheiten, allen voran für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Brust-, Darm- und andere Krebsarten, Diabetes Typ 2 sowie chronische Atemwegserkrankungen, aber auch für psychische Leiden. Trotz guter Zugänglichkeit des Gesundheitssystems schneidet Deutschland im internationalen Vergleich bei der Vermeidung nichtübertragbarer Krankheiten eher schwach ab. Diese Analyse mag Karl Lauterbach zu dem Impulspapier „Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ motiviert haben, das das Bundesministerium für Gesundheit am 5. Oktober vorgelegt hat. Und ja, wir teilen die Einschätzung, dass wir in Deutschland unsere Potenziale hier längst nicht ausreichend ausschöpfen und dass es helfen kann, wie in dem Impulspapier angedacht, ein Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) mit dem Auftrag einzurichten, nicht übertragbare Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs präventiv besser in den Griff zu bekommen. Dabei sollten Verhaltens- und Verhältnisprävention von Beginn an zusammengedacht werden. Sicher ist es auch vernünftig, auf Basis wissenschaftlicher Evidenz die bestehenden Früherkennungsuntersuchungen (Kinder- und Jugenduntersuchungen, Check-up 35 etc.) sowie die ärztliche Präventionsempfehlung zu überarbeiten und Kurzinterventionen in der hausärztlichen Praxis zum Beispiel zur Nikotinentwöhnung zu fördern. Ob uns aber Maßnahmen wie die Vorfeld-Untersuchungen zu den Check-ups in Apotheken, die Zusatz-Check-ups bei Kindern und Jugendlichen, bei 25-, 35- und 50-Jährigen sowie die Aufbereitung von Gesundheitsinformationen via Internet bei der Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wesentlich nach vorne bringen, muss anhand aktueller Studienlage in Zweifel gezogen werden. Die kardiovaskuläre Mortalität ist vor allem bei älteren Personen und in vulnerablen Bevölkerungsgruppen erhöht, die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen allerdings überwiegend auf Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene mit eher seltener bzw. geringer Risikoerhöhung. Das mag auf lange Sicht helfen, den dringendsten Bedarf deckt es nicht. Meiner Ansicht nach muss für Präventionsmaßnahmen wie auch für jede andere gesundheitsbezogene Intervention gelten, dass aussagekräftige Belege zum Nutzen vorliegen müssen, um diese flächendeckend einzuführen und von der Solidargemeinschaft finanzieren zu lassen. Mit Vouchersystemen, die junge Menschen in die Apotheke führen sollen, werden wir die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen gerade für vulnerable Zielgruppen nicht signifikant erhöhen, dafür aber unnötige Doppelkosten erzeugen. Wir wissen heute sehr viel über den sozialen Gradienten von Gesundheitschancen, über die Wirkungen lückenhafter Bildung, schlechter Laufbahnchancen oder prekärer Einkommen auf die Inzidenz von Adipositas und adipositasassoziierten Erkrankungen und damit einhergehende Mängel in der Gesundheitskompetenz. Neben einem guten Zugang zur primärpräventiven Versorgung braucht es daher verhältnispräventive Maßnahmen wie zum Beispiel die Stärkung der Gesundheitskompetenz von Kindern- und Jugendlichen in Schulen, ausgewogene und nachhaltige Ernährungsangebote in öffentlichen Bildungs-, Kranken- und Pflegeeinrichtungen sowie ausreichende Bewegungs- und Sportangebote für alle. Auch zur Förderung und Umsetzung solcher Maßnahmen sollte das BIPAM einen Auftrag erhalten.
Videokonferenz am xx, xx , von xx:00 –xx:00 Uhr Videokonferenz: Titel Va Online Die Veranstaltungen sind kostenfrei. Anmeldung erforderlich über unsere Homepage www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Bei Interesse senden wir Ihnen gerne unseren Newsletter: iqn@aekno.de IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: 0211 4302-2752 oder -2751 iqn@aekno.de Internet www.iqn.de Anmeldung und Information Programmänderung möglich! Begrüßung Dr. med. Karlheinz Großgarten, M.san., Bereichsleiter Medizin und Pharmazie, Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Düsseldorf Dr. med. Martina Levartz, MPH, Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Prof. Dr. med. Jörg Dötsch, Direktor Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Köln Akute Atemwegserkrankungen bei Kindern Prof. Dr. med. Jörg Dötsch Das hustende Kind Dr. med. Thomas Glatzel, Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt Allergologie und Lungenheilkunde, Düsseldorf Asthma und Allergie Dr. med. Claudia Suerbaum, Niedergelassen in Schwerpunktpraxis Pneumologie, Düsseldorf Kinder und Jugendliche im DMP Asthma – Daten und Fakten Arne Weber, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Bereich Evaluation und Qualitätssicherung, Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung Deutschland (ZI), Köln Videosprechstunde – Möglichkeiten und Grenzen Edwin Ackermann, Kinder- und Jugendarzt, Tönisvorst Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Atemwegserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen Mittwoch, 6. Dezember 2023,15:30 –17:45 Uhr, Live Online-Seminar Ärztliche Leichenschau und Todesbescheinigung Mittwoch, 31. Januar 2024, 15:30 –17:45 Uhr, Live Online-Seminar Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes, Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Dr. med. Hella Körner-Göbel, Leiterin Rettungsdienst Wuppertal a. D. Leichenschau und Todesbescheinigung – Grundlagen und praktische Hinweise Prof. Dr. med. Markus A. Rothschild, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Köln Todesfeststellung im Rettungsdienst – hochgradig anspruchsvoll, oft unterschätzt und risikoreich Dr. med. Frank Sensen, Ärztlicher Leiter des Zentrums für angewandte Notfallwissenschaft GmbH (ZaNowi), Essen Leichenschau – Abrechnung nach GOÄ Dr. med. Anja Pieritz, Referentin im Referat Gebührenordnung, Ärztekammer Nordrhein, Düsseldorf Zusammenarbeit mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft Guido Adler, Erster Kriminalhauptkommissar, Direktion Kriminalität, Polizeipräsidium Düsseldorf Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Begrüßung Dr. med. Karlheinz Großgarten M.san., Bereichsleiter Medizin und Pharmazie, Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Düsseldorf Dr. med. Martina Levartz, MPH, Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Dr. med. Corinna Frohn, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Schlafmedizin, MVZ Bethanien, Solingen Verordnung von Sedativa bei Schlafstörungen Dr. med. Corinna Frohn Verordnungstrends von Sedativa in Nordrhein Dr. rer. nat. Till Reher-Taiber, Apotheker im Bereich Medizin und Pharmazie, Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Düsseldorf Vermeidung von Gewöhnung und Abhängigkeit bei Verwendung von Sedativa Prof. Dr. med. Christoph Schöbel, Leiter des Zentrums für Schlaf- und Telemedizin, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen Wege aus der Gewöhnung und Abhängigkeit: Durchbruch des Teufelskreises Prof. Dr. med. Tillmann Supprian, Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie, Ärztlicher Direktor des LVR-Klinikums Düsseldorf Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Verordnungssicherheit Teil 40 Rationaler Einsatz von Sedativa bei Schlafstörungen Mittwoch, 17. Januar 2024,15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 5 Kammerversammlung Votum für mehr Mitsprache Ärztliche Kunst mit KI Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin ist breit. Ärztinnen und Ärzte müssen den Umgang mit KI-gesteuerten Prozessen lernen. Sie sollten sich aber stets ihrer ärztlichen Letztverantwortung bewusst sein. Sorge um die Zukunft der Krankenhäuser Der 46. Deutsche Krankenhaustag Mitte November in Düsseldorf stand unter dem Motto „Zeitenwende für Krankenhäuser“. Was hoffnungsvoll klingen sollte, wurde überschattet von der akuten Finanzkrise, in die geringere Fallzahlen, Inflation und Tarifsteigerungen die Kliniken gestürzt haben. Meinung Mehr Prävention – aber evidenzbasiert Seite 3 Magazin Seiten 6 bis 10 Erwerb von Natrium-Pentobarbital bleibt für Suizidwillige verboten · Vor 50 Jahren · Marburger Bund will gegen Ex-post Triage klagen · Ärztekammer Nordrhein legt Jahresbericht 2023 vor · Pool-Ärzte nicht automatisch selbstständig · Kammer Online · 26. Euskirchener Gespräch: Zeit für neue Bescheidenheit · Krebsvorsorge in Leichter Sprache · Studium und Berufseinstieg Thema Ärztekammern sind keine Lobbyverbände Seite 12 Spezial Ärztliche Kunst mit KI Seite 16 Gesundheits- und Sozialpolitik Sorge um die Zukunft der Krankenhäuser Seite 20 Praxis Erste Kopie der Patientenakte ist kostenfrei – Folge 138 der Reihe „Arzt und Recht“ Seite 21 E-Rezept wird Pflicht: Was Praxen ab 2024 beachten müssen Seite 22 „Die Digitalisierung ist für jede Praxis ein Gewinn“ Seite 24 Forum Wiederaufbau nach der Flut Seite 26 Neues Fortbildungsformat für Nordrhein Seite 28 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 29 RÄ Regional Seite 32 Bücher Seite 35 An Rhein und Ruhr Seite 36 Kulturspiegel Er will doch nur etwas Weiches streicheln Seite 37 Amtliche Bekanntmachungen Seite 38 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 39 Mein Beruf „Manche Begegnungen beschäftigen mich auch noch nach Feierabend“ Seite 47 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: Jochen Rolfes Heft 12 • Dezember 2023 Krankenhausfinanzierung, elektronische Patientenakte, Substitution ärztlicher Aufgaben durch andere Gesundheitsberufe: Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein übte deutliche Kritik an Reformvorhaben von Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach.
Magazin 6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 Bundesverwaltungsgericht Erwerb von Natrium-Pentobarbital bleibt für Suizidwillige verboten Menschen, die ihrem Leben freiwillig ein Ende setzen wollen, bleibt der Erwerb von NatriumPentobarbital auch weiterhin versagt. Letztinstanzlich entschied das Bundesverwaltungsgericht am 7. November, dass das Verbot des Erwerbs des Barbiturats zum Zweck der Selbsttötung gerechtfertigt sei. Angesichts der Möglichkeiten, das eigene Leben medizinisch begleitet mit anderen Mitteln zu beenden, sei dieses Verbot mit dem durch das Grundgesetz geschützten Recht auf selbstbestimmtes Sterben vereinbar. Die suizidwilligen Kläger hatten sich in der Revision dagegen gewendet, dass ihre Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb von Natrium-Pentobarbital vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgelehnt worden waren. In der Urteilsbegründung erkennt das Gericht an, dass mit dem fehlenden Zugang zu Natrium-Pentobarbital gewisse Belastungen für Sterbewillige verbunden seien, und verweist in diesem Zusammenhang auf das verfassungsgerichtlich bestätigte Recht des Einzelnen, selbstbestimmt die Entscheidung zu treffen, sein Leben eigenhändig zu beenden. Diesen Belastungen stünden jedoch zu schützende Gemeinwohlbelange gegenüber, da die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Missbrauch und Fehlgebrauch des Barbiturats groß seien. Das Gericht wies darauf hin, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 mehrere Organisationen die Vermittlung von zur Suizidhilfe bereiten Ärzten wiederaufgenommen hätten. Insofern bestehe die realistische Möglichkeit, Zugang zu Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann. tg Sonntagsfahrverbot Energiekrise und ärztliche Tätigkeit „Die Energiekrise wirft ihre Schatten auch auf das Gesundheitswesen. Von den ersten Sparmaßnahmen – insbesondere von Fahrbeschränkungen – sind, wie alle anderen Staatsbürger, auch die Ärzte betroffen“, heißt es im Leitartikel des Rheinische Ärzteblatts (RÄ) in der ersten Dezember-Ausgabe 1973. Als Reaktion auf den im Oktober 1973 ausgebrochenen Jom-Kippur-Krieg und die Haltung westlicher Länder verhängen die OPEC-Staaten einen begrenzten Lieferboykott für Rohöl. Die Folge: Der Ölpreis steigt und die Preise für Treibstoff und Heizöl schnellen in die Höhe. Die Bundesregierung reagiert mit Sparmaßnahmen wie etwa dem Energiesicherungsgesetz und der „Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge“ vom 19. November 1973. Es wird ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen eingeführt. Im November und Dezember 1973 werden Sonntagsfahrverbote verordnet, von denen „Ärzte im Einsatz“ ausgenommen sind. „Der Arzt darf also sein Benzinfahrzeug auf dem beruflichen Wege zu seinen Patienten benutzen, ebenso wenn er sonntags aus beruflichen Gründen von zu Hause in seine Praxis fahren muß“, erläutert das RÄ. Für Kontrollen genügte es, sich als Arzt ausweisen zu können. Nur die Fahrt im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit war vom Fahrverbot ausgenommen: „Wenn die Polizei dagegen einen Arzt auf einer beruflich nicht erforderlichen Autofahrt feststellen sollte, muß er mit sehr hohen Strafen rechnen, mindestens 500 DM.“ bre Der Einsatz von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht mit dem Betäubungsmittelgesetz vereinbar. Foto: Felipe Caparrós/ stock.adobe.com Ex-post-Triage MB will klagen Der Marburger Bund (MB) bereitet eine Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot der Ex-post-Triage nach dem im November 2022 geänderten Infektionsschutzgesetz vor (§ 5c IfSG). Diese Vorschrift kollidiere mit der grundrechtlich geschützten ärztlichen Therapiefreiheit, die das Überleben möglichst vieler intensivpflichtiger Patienten zu erreichen versucht, erklärte die MB-Vorsitzende Dr. Susanne Johna Anfang November vor der MB-Hauptversammlung. Die Befolgung des Gesetzes könne dazu führen, dass im Extremfall Patienten mit vergleichsweise guter Prognose, die etwa kurzzeitig beatmet werden müssen, sterben, weil sie keine intensivmedizinischen Ressourcen erhalten, die ein anderer Patient mit deutlich schlechteren Überlebenschancen hat. tg Arzneimittel AOK meldet Ausgabenrekord Im vergangenen Jahr hat die gesetzliche Krankenversicherung mit 52,9 Milliarden Euro einen neuen Ausgabenrekord für Arzneimittel verzeichnet. Das teilte das Wissenschaftliche Institut der AOK mit. Im Zehn-Jahres-Vergleich seien die Nettokosten um 88 Prozent gestiegen. 52,6 Prozent der Arzneimittellausgaben entfielen demnach auf patentgeschützte Arzneimittel, deren Verordnungsanteil allerdings bei nur 6,8 Prozent liegt. In die Nettokosten fließen die Eigenanteile der Versicherten ein, gesetzliche Apotheken- und Herstellerabschläge werden herausgerechnet. HK
Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 7 Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und ZusatzWeiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 26. Februar bis 1. März 2024. Anmeldeschluss: Mittwoch, 10. Januar 2024 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Lösungen zur Kasuistik 78 Patientin ohne Ikterus mit schwerer cholestatischer Hepatopathie Richtige Antworten: 1b, 2d, 3b, 4b, 5a, 6e, 7e, 8c, 9d, 10a Folge 79 der Reihe erscheint in der Januar-Ausgabe 2024 des Rheinischen Ärzteblattes und im Internet unter www.aekno.de/cme. bre CIRS NRW Risiken digitaler Prozesse erkennen Mit der Anwendung neuer digitaler Systeme treten auch neue Risiken für die Patientenversorgung auf. Darauf weist CIRS NRW hin. Eine fehlerhafte Datenübertragung und Fallzusammenführung könne ebenso zu Problemen führen wie die reine Übertragung zuvor papiergestützter Prozesse in digitale Form. https://www.cirsmedical.de/ nrw/. HK Gesprächsführung für Weiterbildende Das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Nordrhein bietet am 15. Dezember von 14 bis 17:15 Uhr ein Online-Seminar zum Thema „Motivierende Gesprächsführung“ für Ärztinnen und Ärzte an, die zur Weiterbildung in Allgemein- sowie in Kinder- und Jugendmedizin befugt sind. Es sei wichtig, dass Weiterbilder Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung motivierende Gesprächstechniken vermitteln könnten, heißt es vonseiten der Veranstalter. Denn diese könnten Patienten effektiv zu Verhaltensänderungen motivieren. Anmeldung unter: Info@kompetenzzentrumweiterbildung.de; die Teilnehmerzahl ist begrenzt. HK Kurz gemeldet Arbeitnehmer häufiger psychisch krank Die beruflichen Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen haben zwischen 2012 und 2022 um 48 Prozent zugenommen. Das geht aus dem aktuellen Fehlzeiten-Report 2023 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hervor. Dabei führten dem Report zufolge psychische Erkrankungen im vergangenen Jahr im Schnitt zu Fehlzeiten von 29,6 Tagen je Fall. Bei Atemwegserkrankungen waren es im Vergleich lediglich 7,1 Tage je Fall. Von den Ausfallzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen seien 2022 vor allem Angehörige von Berufen im Gesundheits- und Sozialwesen betroffen gewesen, schreiben die Autoren. HK 20 Millionen Euro für Suizidprävention 20 Millionen Euro zur Förderung der Suizidprävention aus Bundesmitteln im kommenden Jahr haben das Nationale Suizidpräventionsprogramm, die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention und die Deutsche Akademie für Suizidprävention kürzlich gefordert. Die Mittel seien notwendig, um Hilfen für suizidale Menschen auszubauen und zu verstetigen. Benötigt werde zum Beispiel eine zentrale Informations- und Koordinationsstelle zur Suizidprävention mit einer allzeit erreichbaren Telefonnummer. Außerdem gelte es, regionale und niedrigschwellige suizidpräventive Angebote zu erhalten und besser zu vernetzen, darunter auch Onlineangebote. MST Neugestaltet Ärztekammer Nordrhein stellt Jahresbericht vor Welche gesundheitspolitischen Themen haben im vergangenen Jahr die Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) beschäftigt? Wie viele Ärztinnen und Ärzte haben in welchen Fachgebieten Weiterbildungsprüfungen abgelegt und wie erfolgreich waren sie dabei? Wie viele Anträge auf Feststellung eines Behandlungsfehlers hat die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bearbeitet und wie viele Fehler wurden festgestellt? Zu diesen und vielen weiteren Fragen gibt der aktuelle Jahresbericht 2023 der Ärztekammer Nordrhein auf rund 60 Seiten Auskunft. Die Broschüre, die grundlegend neugestaltet wurde und auch über die Homepage der Ärztekammer sowie in der RÄ-App zu finden ist, erläutert neben den wichtigsten gesundheits- und berufspolitischen Themen im Berichtszeitraum 2022/23 auch die Arbeit der zahlreichen Ausschüsse und Kommissionen, die bei der Kammer angesiedelt sind und zum Teil gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben wahrnehmen. Der Jahresbericht verdeutlicht die Vielfalt an Funktionen, die die Kammer mit ihren gut 270 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den zahlreichen ehrenamtlich tätigen Ärztinnen und Ärzten für ihre knapp 70.000 Mitglieder und die Öffentlichkeit in Nordrhein wahrnimmt. vt JAHRESBERICHT 2023 Ärztekammer Nordrhein THEMEN ZAHLEN DATEN FAKTEN www.aekno.de Aekno_taetigkeit20231024_Umschlag_pr.indd 69 26.10.23 17:58 Der Jahresbericht kann kostenlos bei der Pressestelle der Ärztekammer Nordrhein, Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf, Telefon: 0211 4302-2011, Fax: 0211 4302-2019, E-Mail: pressestelle@ aekno.de angefordert werden. Er steht auch als Download bereit und ist interaktiv gestaltet. www.aekno.de/ Jahresbericht.
Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 Urteil des Bundessozialgerichts Pool-Ärzte nicht automatisch selbstständig Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Oktober zur Sozialversicherungspflicht eines Pool-Zahnarztes im zahnärztlichen Bereitschaftsdienst sehen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Notdienstversorgung der Patientinnen und Patienten in den sprechstundenfreien Zeiten gefährdet. Sie drängen daher für Pool-Ärzte auf eine gesetzliche Ausnahmeregelung, wie sie bereits für Notärzte gilt (§ 23c II SGB IV). In der Einzelfallentscheidung hatte der 12. Senat des BSG entschieden, dass allein die Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit führt. Vielmehr müsse im Einzelfall entschieden werden, ob die Voraussetzungen einer selbstständigen Tätigkeit gegeben seien, was hier nicht der Fall gewesen sei. Nicht zuletzt wegen der bereits schon länger schwelenden Auseinandersetzung über die Sozialversicherungspflicht von Pool-Ärzten scheint den KVen nach dem BSG-Urteil die rechtliche Grundlage für die weitere selbstständige Beschäftigung von Pool-Ärzten unsicher. Auch zur Vermeidung erheblicher Nachzahlungspflichten stellten einige KVen vorerst die Mitarbeit von Pool-Ärzten zur Sicherstellung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ein. Erst wenn das schriftliche Urteil vorliege, teilt die KV Baden-Württemberg mit, könne der ärztliche Bereitschaftsdienst rechtssicher neu aufgestellt werden. Rund 3.000 Ärzte, die sich bisher freiwillig im ärztlichen Notdienst engagiert hätten, würden vorerst nicht mehr zum Dienst herangezogen. „Bis dahin setzen wir auf interkollegiale Solidarität und gemeinsames Engagement der Niedergelassenen, um die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten in der sprechstundenfreien Zeit bestmöglich sicherzustellen.“ tg Kammerversammlung und MFA-Ausbildung Neue Videos auf der Homepage beruf mit Zukunft“ findet sich in der Rubrik „MFA“ in der Unterrubrik „Ein Beruf mit Zukunft“ (www.aekno.de/mfa/ein-beruf-mit- zukunft). Es erläutert, begleitet von Aufnahmen in einer Arztpraxis und einem Statement des Vizepräsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Bernd Zimmer, die Aufgaben, die MFA in Arztpraxen übernehmen und die Verantwortung, die sie bei der Patientenbetreuung tragen. Die beiden Videos dauern knapp zwei Minuten und finden sich neben anderen Videos auch auf dem Youtube-Kanal der Ärztekammer Nordrhein unter www.youtube.com/AekNordrhein. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail- Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre Auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein www.aekno.de finden sich zwei neue Videos. Sie informieren über die Funktion und Arbeit der Kammerversammlung sowie über den Ausbildungsberuf der Medizinischen Fachangestellten (MFA). Das Video „Die Kammerversammlung – Das Parlament der Ärztinnen und Ärzte“ ist in der Rubrik „Ärztekammer“ in der Unterrubrik „Kammerversammlung“ (www.aekno.de/aerztekammer/ kammerversammlung) eingestellt. Die Dreharbeiten fanden unter anderem auf der Kammerversammlung im März 2023 statt. Das Video „Medizinische Fachangestellte – AusbildungsDas Bundessozialgericht urteilte im Fall eines Zahnarztes im Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg, dass er sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Foto: Bundessozialgericht, Dirk Felmeden Frühe Hilfen Lotsen für bessere Versorgung Lotsendienste im Rahmen der Frühen Hilfen sind ein vielversprechender Ansatz, um in Geburts- und Kinderkliniken die Versorgungsqualität zu verbessern und die intersektorale Kooperation der verschiedenen sozialen Sicherungs- und Unterstützungssysteme zu fördern. Diesen Schluss zogen Expertinnen und Experten aus Medizin, Jugendhilfe, Politik und Forschung vor Kurzem im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Im Rahmen der Lotsendienste bieten Fachkräfte Familien in belastenden Lebenslagen niedrigschwellig Beratung an und verweisen sie bei Bedarf an andere Hilfsangebote weiter. Auf Wunsch werden Eltern bei der Kontaktaufnahme begleitet. Nach Schätzung des Deutschen Krankenhaus-Institutes verfügen derzeit mindestens 53 Krankenhäuser in NRW über einen Lotsendienst, weitere sind in Planung. Wünschenswert ist nach Ansicht der Experten eine stärkere einheitliche Qualitätsentwicklung des Angebots zum Beispiel mit Blick auf die Qualifizierung der Lotsen oder die Finanzierung. Besonders herausgestellt wurde der Wunsch von Pädiatern und Gynäkologen nach einem festen Ansprechpartner, der einen Überblick über Frühe Hilfen-Angebote hat und zeitnah erreichbar ist. Zurzeit erörtert eine Arbeitsgruppe der Länder und des Bundes, in der das NRW Gesundheits- und das Familienministerium vertreten sind, die Möglichkeiten, wie Lotsendienste rechtlich abgesichert werden können. Informationen www.forum- kinderzukunft.de ÄkNo
Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 9 26. Euskirchener Gespräch Zeit für eine neue Bescheidenheit Im philosophisch-medizinethischen Dialog: KI-Experte Professor Dr. rer. nat. Dominik L. Michels, Philosophie-Professor Dr. Markus Gabriel sowie Moderator und Geschäftsführender Arzt der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Christian Köhne (v.l.) Foto: usa Kasalla Martin Schopps Guido Cantz Medizinersitzung 2024 in der Flora Köln Am Botanischen Garten 1a, 50735 Köln am Mittwoch, dem 31. Januar 2024 Beginn: 19.11 Uhr Karten: € 45,- Kartenbestellung beim Festausschuss Medizinerball e.V. Frau Leowald, Telefon 0170 / 8 16 66 25 oder E-Mail: sitzung@festausschuss-medizinerball.de oder online unter www.festausschuss-medizinerball.de Der Medizinerball 2024 findet am Karnevalsfreitag, 09.02.2024, im Kölner Gürzenich statt. Veranstalter: Festausschuss Medizinerball e.V. • Änderungen vorbehalten Bernd Stelter Bläck Fööss Rote Funken Mit Blick auf den rasant fortschreitenden Klimawandel sowie Krieg und Terror in Europa und Nahost widmete sich das „26. Euskirchener Gespräch“ in diesem Jahr dem Ende der Gewissheiten in der Welt und der daraus resultierenden Forderung nach einer neuen Ethik. „Die Gewissheiten entgleiten uns, die Errungenschaften der Moderne im Licht der Aufklärung scheinen abhanden zu kommen“, sagte Dr. Hubertus Rüber, Neurologe aus Euskirchen und Initiator der Veranstaltung, vor gut 200 Teilnehmenden. Der Bonner Philosophie-Professor Markus Gabriel forderte in seiner Key Note daher eine neue Aufklärung, die mit der Bescheidenheit des Nichtwissens ansetze und helfe, die Ränder des Wissens zu erkennen. Über die Möglichkeiten, aber auch die Gefahr der Verselbstständigung Künstlicher Intelligenz sprach Dominik L. Michels, Professor für intelligente Algorithmen in Modellierung und Simulation an der TU Darmstadt. Er übertrug die Modellprojekt Krebsvorsorge in Leichter Sprache Um Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind, bei der selbstbestimmten Entscheidung zu Krebsvorsorgeuntersuchungen zu unterstützen, haben das Kompetenzzentrum Barrierefreiheit Volmarstein, die Krebsgesellschaft NRW, die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW sowie die Hochschule für Gesundheit Bochum in Kooperation mit der Ärztekammer Nordrhein Informationsmaterial zu Krebsvorsorge und Früherkennung zum Beispiel für Darm- und Hautkrebs erarbeitet. In Vorträgen und Workshops erhielten die rund einhundert Teilnehmer der Abschlussveranstaltung des dreijährigen Modellprojekts „Krebsvorsorge verstehen – Krebs früh erkennen“ am 9. November im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf auch Hinweise für das Arzt-Patienten- Gespräch in Leichter Sprache. Neben schriftlichen Materialien wurden im Rahmen des Modellprojekts auch Erklärvideos entwickelt. Die Informationsmaterialien in Leichter Sprache sind kostenfrei bestellbar unter: www. krebsgesellschaftnrw.de/projekt-leichte-sprache/ MST philosophischen Ausführungen Gabriels auf die Konzepte künstlicher neuronaler Netze. Joseph Kambeitz, Professor für Biologische Psychiatrie, beschäftigte sich mit den Möglichkeiten der Vorhersage und der Prävention psychischer Erkrankungen und ging in diesem Zusammenhang auch auf den Stellenwert der ärztlichen Intuition ein. Eva Horn, Professorin für Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Universität Wien, fokussierte abschließend auf den Begriff des Anthropozäns als Veränderung des Planeten durch den Menschen und die sich daraus ergebenden Probleme unsicheren Wissens. usa
10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 Magazin – Studium und Berufseinstieg Mit großen, schielenden Augen und aufgeblähten Wangen gucke ich in ein kleines Gesicht mit noch größeren Augen und aufgeblähteren Backen. Seit zehn Sekunden stehe ich im Zentrum der Aufmerksamkeit des Säuglings während meines Praktikums in einer Kinderarztpraxis. Ich forme meinen Mund zu einem „O“ und zwinkere einmal mit dem linken und einmal mit dem rechten Auge. Anscheinend ist das spannend genug, um mich weiter mit den Augen zu durchbohren. Nur gehen mir langsam die Ideen aus. Ich kann ja schlecht im Sprechzimmer anfangen, irgendwelche Laute zu blöken oder einen komischen Tanz aufzuführen. Oder? Die leuchtenden Kinderaugen treffen mein inneres Kind, und ich zeige, wie gut ich mit den Ohren wackeln und gleichzeitig meine Schultern fliegen lassen kann. Das Kind schluckt, die Eltern schmunzeln und der Arzt bricht endlich die Stille, indem er sein StethoKooperation mit Witten/Herdecke Helios Universitätsklinikum Wuppertal nutzt Synergien Das Foto zeigt v.l.n.r.: Professor Dr. Patrick Haage, Ärztlicher Direktor des Helios Universitätsklinikums Wuppertal (HUKW), Direktor des Zentrums für Radiologie, Lehrstuhlinhaber, Professor Dr. Petra Thürmann, stellvertretende ärztliche Direktorin und Vizepräsidentin an der Universität Witten/Herdecke (UW/H), Professor Dr. Melchior Seyfarth, Direktor der Medizinischen Klinik 3 (Kardiologie) und Standortsprecher des HUKW in der Fakultätsleitung Gesundheit der UW/H sowie Dr. oec. Holger Raphael, Geschäftsführer der HUKW. Foto: HUKW RWTH Physiker bleibt Rektor in Aachen Professor Ulrich Rüdiger bleibt für weitere vier Jahre Rektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. Die Hochschulwahlversammlung, zusammengesetzt aus Mitgliedern des Senats und Hochschulrats, wählten den Physiker kürzlich für eine zweite Amtszeit, die im August 2024 beginnt. Zu den anstehenden Themen, die der 57-Jährige weiterverfolgen möchte, gehören die Beantragung der Exzellenzcluster zur Stärkung der Life-, Data- und SimulationSciences sowie die Zusammenführung der Medizin und Ingenieurswissenschaften. bre Statistik Zwei Drittel studieren an Unis An den Universitäten in Nordrhein-Westfalen waren im Wintersemester 2022/23 nahezu doppelt so viele Personen eingeschrieben wie an Fachhochschulen. Wie das Statistische Landesamt mitteilte, waren im Wintersemester 2022/23 insgesamt 742.506 Studierende an NRW-Hochschulen immatrikuliert. 64 Prozent von ihnen studierten an Universitäten und 32,2 Prozent an Fachhochschulen. Weitere 2,8 Prozent der Studierenden besuchten Verwaltungsfachhochschulen, ein Prozent Kunsthochschulen und weniger als 0,1 Prozent theologische Hochschulen. Im Zehn-Jahres-Vergleich ging damit der Anteil der Studentinnen und Studenten an Universitäten um knapp fünf Prozent zurück. Im Wintersemester 2012/2013 waren 68,9 Prozent aller Studierenden an NRWUniversitäten eingeschrieben und 28,4 Prozent an Fachhochschulen. Auf die übrigen Hochschularten entfiel ein Anteil von 2, 7 Prozent. bre skop zückt. Langsam und geübt nähert er sich der Brust des Kleinen. Die Folge ist ein markerschütternder Schrei, so etwas Schreckliches wie das kalte Stethoskop hat der Säugling noch nie gefühlt und diesen fremden Mann noch nie gesehen. Doch dieser fremde Mann hat schon so viele angsterfüllte und schreiende Kinder untersucht, dass er mit den drei übrig gebliebenen Haarzellen im Innenohr den Schrei gar nicht wahrnimmt und noch einen Versuch wagt. Diesmal legt er das Stethoskop auf seine eigene Brust, klopft ein paarmal und erhält die Aufmerksamkeit des Kleinen. Noch langsamer als beim ersten Mal nähert er sich dem Kind und legt das Stethoskop in die kleine Hand und umhüllt mit sanfter Stimme den ganzen Raum. Ohne Geschrei, aber unter genauester Begutachtung darf der Arzt nun die kleine Lunge abhören. Das Kind vertraut der fremden Hand bei den ganzen weiteren Untersuchungen bis zu dem Zeitpunkt, als der Arzt die Impfnadel wieder aus dem Oberschenkel zieht. Die Schmerzen nicht verstehend bricht für das Baby die kleine Welt zusammen. Die Arme der Eltern fügen einiges wieder zusammen, nur nicht das Vertrauen zum Kinderarzt. Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium@ aekno.de. Mail aus Bonn Lüko Fischer Foto: privat Kürzlich feierte das Helios Universitätsklinikum Wuppertal (HUKW) seine seit zehn Jahren bestehende Partnerschaft mit der Universität Witten/ Herdecke (UW/H). „Seit einem Jahrzehnt nutzen wir die Synergien zwischen medizinischer Forschung, Lehre und Patientenversorgung als akademisches Krankenhaus“, sagte Professor Dr. Petra Thürmann, stellvertretende ärztliche Direktorin am HUKW und Vizepräsidentin an der UW/H. Die Partnerschaft habe sich als wegweisend erwiesen, da sie es den beiden Einrichtungen ermögliche, medizinische Spitzenleistung und exzellente akademische Ausbildung zu vereinen, so Thürmann. Professor Dr. Melchior Seyfarth, Standortsprecher des HUKW in der Fakultätsleitung Gesundheit der UW/H, wies darauf hin, dass die Partnerschaft auch Perspektiven für Nachwuchsforscher biete. Im Rahmen der Kooperation erhalten sie Zugang zu umfangreichen Forschungsförderungsmaßnahmen. Neben der universitären Forschungsförderung können Nachwuchswissenschaftler auch Helios-interne Fördergelder beantragen. Zusätzlich bestehe die Möglichkeit, eine „Forschungs-frei“-Phase von einem Jahr zu beantragen, so Seyfarth. bre
Am Eggenkamp 37-39 48268 Greven Telefon 0 25 71/93 76-0 e-mail: verlag@wwf-medien.de Kontaktieren Sie uns über verlag@wwf-medien.de Bestellen Sie Todesbescheinigungen, Praxisdrucksachen und vieles mehr nun auch bequem per Internet! Besuchen Sie uns auf shop.wwf-medien.de
Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 Er war zwar nicht anwesend, aber doch allgegenwärtig. Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) stand ganz im Zeichen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Reformplänen von Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach sowie mit dessen Politikstil. Die 121 gewählten Repräsentanten der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte machten insbesondere ihrem Unmut darüber Luft, dass der Minister bei seinen zahlreichen Gesetzesvorhaben den Sachverstand derer, die tagtäglich in Praxen und Krankenhäusern ihre Patientinnen und Patienten versorgen, immer häufiger nicht einbeziehe. Im Bundesgesundheitsministerium herrsche offenbar die Meinung, dass die mit staatlichen Aufgaben betrauten Ärztekammern Lobbyverbände seien, die man möglichst aus der Politik heraushalten müsse, um handlungsfähig zu bleiben, kritisierte Kammerpräsident Rudolf Henke gleich zu Beginn der Versammlung am 18. November im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft. Das sei ein Denkfehler, der direkt zulasten einer guten Patientenversorgung gehe und für einen Politikstil stehe, der von einem großen und schädlichen Misstrauen gegen- über der Selbstverwaltung geprägt sei. „Das macht uns richtig sauer“, sagte Henke unter dem Beifall der Delegierten. Benötigt werde eine Gesamtstrategie für eine zukunftssichere sektorübergreifende Gesundheitsversorgung und zwar unter Beteiligung der Selbstverwaltung, erklärte der Präsident. Stattdessen dringe aus dem Hause Lauterbach ein „Potpourri“ an Einzelgesetzen, die vielfach Qualitätsgesichtspunkte und Versorgungserfordernisse außer Acht ließen. Beispiel Krankenhausreform: Über einen Paradigmenwechsel bei der Finanzierung der Kliniken verhandeln Bund und Länder seit Beginn dieses Jahres. Der Bundesgesetzgeber will, dass die Krankenhäuser künftig nicht mehr ausschließlich für das Erbringen medizinischer Leistungen, sondern auch für das Vorhalten von Personal und medizin-technischer Ausrüstung bezahlt werden. 60 Prozent des Krankenhausbudgets sollen dann aus sogenannten Vorhaltepauschalen bestehen. Damit sollen Fehlanreize zur Leistungsausweitung beziehungsweise zur Erbringung möglichst vieler lukrativer Leistungen korrigiert werden. Während aber die Pflegepersonalkosten bereits außerhalb des geltenden Fallpauschalen-Systems bezahlt werden, sind die ärztlichen Personalkosten nicht Teil der Vorhaltefinanzierung. „Aber gute Krankenhausversorgung geht nur mit genügend gut qualifiziertem Personal“, stellte Henke klar. Das gelte für Pflegekräfte ebenso wie für Ärztinnen und Ärzte. Die Kammerversammlung warnte außerdem, dass sich die Finanzierung der ärztlichen Personalkosten nicht an Mindestanforderungen orientieren dürfe, wie sie die ebenfalls im Rahmen der Krankenhausreform im Bund vorgesehenen Leistungsgruppen definieren. Diese knüpfen die Erlaubnis, bestimmte Leistungen wie Hüftoperationen abrechnen zu können, Ärztekammern sind keine Lobbyverbände Krankenhausfinanzierung, elektronische Patientenakte, Substitution ärztlicher Aufgaben durch andere Gesundheitsberufe: Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein übte deutliche Kritik an Reformvorhaben von Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach. Zumal immer häufiger der Sachverstand der Ärzteschaft bei Entscheidungen außen vor bleibe, kritisierte das Ärzteparlament. von Heike Korzilius Foto: Jochen Rolfes
Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 13 an personelle und technische Mindestvoraussetzungen. Maßstab für eine angemessene und ausreichende Personalausstattung in den Krankenhäusern müsse das Personalberechnungstool der Bundesärztekammer sein, forderten die Delegierten. Neben Mängeln bei der Ausgestaltung der Vorhaltepauschalen sind nach Ansicht der Ärzteschaft bei der anstehenden Krankenhausreform auch die Anforderungen an die ärztliche Weiterbildung nicht ausreichend bedacht worden. Dabei habe die Weiterbildung eine enorme Bedeutung für die Versorgungsqualität, so Kammerpräsident Henke. Bei stärkerer Spezialisierung der Krankenhäuser werde man die Weiterbildung sehr viel mehr sektorenübergreifend in Weiterbildungsverbünden organisieren müssen. Nach Ansicht der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“, in der die Ärztekammern nicht vertreten sind, sollte die Weiterbildung stattdessen schwerpunktmäßig in Häusern der Grundversorgung oder Gesundheitszentren stattfinden. Dort könne aber schwerlich die gesamte Bandbreite eines Fachs vermittelt werden, sagte Henke. Die Klinikreform hängt in der Luft Kritik übte der Kammerpräsident auch am Zeitplan der Krankenhausreform, deren Inkrafttreten Bundesgesundheitsminister Lauterbach für den 1. Januar 2024 angekündigt hatte. „Die Reform hängt in der Luft“, bemängelte Henke. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern schienen festgefahren. „Doch wir brauchen eine zügige Umsetzung“, mahnte er. Ansonsten drohe eine „kalte Strukturbereinigung“. Die Allianz für Krankenhäuser NRW habe bereits im September von der Bundesregierung eine nachhaltige Absicherung der Krankenhäuser gefordert. Ein ausreichender Inflationsausgleich und die vollständige Finanzierung vereinbarter Tarifsteigerungen müssten gesetzlich verankert werden. „Wenn wir hören, dass 60 Prozent der Kliniken das Weihnachtsgeld für ihre Beschäftigten nicht aus vorhandenen Mitteln zahlen können, sondern Zuschüsse vom Träger oder Kredite von den Banken benötigen, dann ist das ein Zeichen, dass wir nicht warten können, bis die Krankenhausreform irgendwann ihre erhofften Effekte entfalten wird“, warnte Henke. Sonst gebe es bald keine flächendeckenden Krankenhausstrukturen mehr, die man noch reformieren könne. Unterstützung für Ärzteproteste Zu einer Gesamtstrategie für eine zukunftssichere medizinische Versorgung gehöre es ohne Frage auch, endlich die Rahmenbedingungen in der ambulanten Versorgung so zu gestalten, dass es Ärztinnen und Ärzten wieder möglich sei, sich mit ausreichend Zeit ihren Patienten zu widmen. „Die Endbudgetierung für Haus- und Fachärzte muss kommen“, forderte Henke. „Wir brauchen im ambulanten und stationären Bereich eine tragfähige Finanzierung, die insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt.“ Auch der „Bürokratiewahnsinn“ müsse enden und die notwendige Digitalisierung endlich praktischen Nutzen entfalten, statt zusätzlich „Zeit zu fresBenötigt wird eine Gesamtstrategie für eine zukunftssichere Versorgung, kein Potpourri aus Einzelgesetzen, meinte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke. Foto: Jochen Rolfes Zwischen Oktober 2022 und September 2023 gingen bei der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler 1.684 Begutachtungsanträge ein, ein Plus von 5,85 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Verfahrensdauer lag im Median bei 10,6 Monaten. Dabei stelle die Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung in einem für die Betroffenen überschaubaren Zeitraum ein erklärtes Ziel der Arbeit der Kommission dar, sagte deren Vorsitzender, Präsident des Oberlandesgerichts a.D. Johannes Riedel. Der Anteil festgestellter Fehler an der Gesamtzahl begutachteter Fälle blieb mit 27,5 Prozent nahezu auf dem Stand des Vorjahres. Ärztinnen und Ärzte der chirurgischen Fachdisziplinen, der Orthopädie und Unfallchirurgie sowie der Inneren Medizin und ihrer Schwerpunkte waren am häufigsten von einem Behandlungsfehlervorwurf betroffen. Bericht der Gutachterkommission sen“. An den Bundesgesundheitsminister appellierte Henke, die Proteste der niedergelassenen Ärzte ernst zu nehmen und nicht als „Lobbygeschwätz“ abzutun. Die Kammerversammlung verlieh diesem Appell Nachdruck, indem sie die Anliegen der Aktion „Praxenkollaps“ und des Aktionsbündnisses „Patientenversorgung“ unterstützte (siehe www.aekno.de/entschlies sungen). Seit 20 Jahren warne man davor, dass die
Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 die Aktion „Praxenkollaps“ organisiert hat. 36 ärztliche und psychotherapeutische Verbände und Gruppen beteiligten sich in Nordrhein mit unterschiedlichen Aktionen, führte Wasserberg aus. Er war als Gast geladen, um den Protest der Niedergelassenen zu erläutern. Neben der Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung beklagte er insbesondere Respektlosigkeit und mangelnde Wertschätzung der Politik gegenüber dem Berufsstand. „Ich habe noch nie erlebt, dass die Kolleginnen und Kollegen ambulant wie stationär so frustriert sind wie heute“, sagte Wasserberg. Jetzt gelte es, Einigkeit herzustellen und auch bei den Patientinnen und Patienten ein Problembewusstsein zu schaffen. Nur wenn letztere den Protest unterstützten, werde das die Politik aufrütteln. Dr. Oliver Funken, Rheinbach, machte sich für den Schulterschluss auch mit anderen Gesundheitsberufen stark, wie im „Aktionsbündnis Patientenversorgung“, dem sich Apotheker und Zahnärzte sowie der Verband der Medizinischen Fachangestellten in Nordrhein angeschlossen haben. „Wir brauchen Partner in unserem Bündnis. Wir Ärzte schaffen das nicht mehr alleine“, sagte Funken. Sämtliche Gesundheitsberufe kämpften jeden Tag in der Versorgung gegen den Mangel – sei es der Mangel an Finanzierung, an Fachpersonal oder Medikamenten. Die Lage sei desaströs. Den Patienten verpflichtet Bundesgesundheitsminister Lauterbach will die ambulante vertragsärztliche Tätigkeit, wie sie ist, abschaffen“, zeigte sich Wieland Dietrich, Essen, überzeugt und verwies unter anderem auf die Pläne des Bundes, flächendeckend Gesundheitskioske zu errichten. Wenn die Rahmenbedingungen es nicht mehr zuließen, sinnvoll vertragsärztlich tätig zu sein, müsse man das System verlassen. „Wir sind unseren Patienten verpflichtet, nicht dem System“, sagte Dietrich. Der Vertrag, nach dem Ärztinnen und Ärzte die ambulante Versorgung sicherstellen und dafür im Gegenzug angemessen bezahlt werden, sei gebrochen. Auch Dr. Lydia Berendes, Krefeld, die selbst im Krankenhaus arbeitet, betonte die Wichtigkeit einer „intakten Praxislandschaft“. Häufig seien die Ärztinnen und Ärzte noch die einzigen, die „in die Häuser“ gingen und Defizite in der Versorgung auffingen. Dafür sei es wichtig, dass die Ärzte eigenverantwortlich tätig und nicht in Konzernstrukturen eingebunden seien. Angesichts der anstehenden Krankenhausreform und der fortschreitenden Ambulantisierung der Medizin müssten die Ärzte sektorübergreifend zusammenstehen, forderte Dr. Sven Dreyer, Düsseldorf. Das sei in den Gremien der Ärztekammer Nordrhein in der laufenden Legislaturperiode „über alle Grenzen hinweg“ alles in allem gut gelungen. Die Ärzte in Krankenhäusern und Praxen seien schon allein aufgrund der Arbeitsverdichtung auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen. Sonst drohe tatsächlich ein Kollaps der Patientenversorgung. Schon die Bedingungen in der Ausbildung seien so abschreckend, dass 20 Prozent der angehenden Pflegekräfte diese abbrechen, sagte Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, mit Blick auf den Fachkräftemangel. Foto: Jochen Rolfes Medizin sich von der Daseinsvorsorge in einen industriellen Komplex verwandele, wenn es keine grundlegenden Strukturveränderungen gebe, sagte Dr. Jens Wasserberg, Allgemeinarzt aus Bedburg und Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, aus deren Mitte heraus sich Gegenüber dem vorangegangenen Haushaltsjahr erhöht sich 2024 das Haushaltsvolumen der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) um 17 Prozent auf knapp 47 Millionen Euro. Ursächlich für den starken Anstieg sei vor allem die Einstellung nicht verbrauchter Haushaltsmittel aus dem Jahr 2021 in Höhe von gut sechs Millionen Euro in den Haushalt 2024, erklärte die Verbindungsfrau des Vorstandes zum Finanzausschuss der ÄkNo, Dr. Anja Mitrenga-Theusinger. Außerdem beschloss die Kammerversammlung, dass für die erste Facharztprüfung künftig keine Gebühren mehr anfallen sollen. Diesen Beschluss muss das Landesgesundheitsministerium noch genehmigen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kammer seien geordnet, sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses, Dr. Wilhelm Rehorn. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ärztekammer sowie der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein für 2023 durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe zu keinerlei Beanstandungen geführt. Die Kammerversammlung hat auf Vorschlag des Aufsichts- und des Verwaltungsausschusses der Nordrheinischen Ärzteversorgung (NÄV) eine Rentenerhöhung um 3,8 Prozent ab Januar 2024 beschlossen. Außerdem nahm sie den Geschäftsbericht der NÄV für das Jahr 2022 entgegen und entlastete deren Organe. Der Geschäftsbericht ist unter www.naev.de abrufbar. Der Haushalt 2024
Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 15 Schließlich appellierte Elke Cremer, Troisdorf, an die Mitglieder der Kammerversammlung, den Druck aufrechtzuerhalten und ein deutliches Zeichen an Politik und Öffentlichkeit zu senden, dass es so nicht weitergehen könne. „Die ambulante und stationäre Versorgung werden gerade mit Karacho an die Wand gefahren“, so Cremer. Ärzte tragen die Letztverantwortung Gute Rahmenbedingungen nicht nur für den Arztberuf hatte auch Kammerpräsident Henke in seinem Bericht zur Lage gefordert. Sie sind seiner Ansicht nach eine bessere Antwort auf den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen als die Schaffung immer neuer Berufsbilder, die das Problem nicht löse, sondern nur verschiebe. Wer solle denn die Pflege am Bett übernehmen, wenn die wenigen Pflegekräfte, die es gebe, akademisiert in Gesundheitskiosken, Gesundheitszentren oder in Schulen als Schulpfleger eingesetzt würden, fragte der Kammerpräsident. Am Ende gehe es auch um die Letztverantwortung und Behandlungssicherheit für die Patienten. „Die ist nicht teilbar“, betonte Henke. Beispiel Rettungsdienst: Die Regierungskommission von Minister Lauterbach hat sich vor Kurzem für die Übertragung heilberuflicher Kompetenzen auf akademisch ausgebildete Notfallsanitäterinnen und -sanitäter ausgesprochen. Danach sollen Notärzte künftig nur noch als Telenotärzte oder in der Luftrettung beziehungsweise bei hochkomplexen Einsätzen vor Ort tätig werden. Henke hält das für inakzeptabel. Die Qualifikation akademisch ausgebildeter Notfallsanitäter sei nicht mit der von Notärzten vergleichbar, die ein Medizinstudium und in aller Regel zusätzlich eine fachärztliche Weiterbildung absolviert hätten. „Jeder Patient hat gerade im akuten Notfall das Recht auf eine ärztliche Versorgung“, bekräftigte der Kammerpräsident und betonte zugleich: „Mit unserer Kritik an diesem Konzept der Substitution wenden wir uns nicht gegen eine kompetenzbasierte interprofessionelle Zusammenarbeit.“ Oberste Priorität müsse aber immer die Sicherheit der Patienten haben. Damit sich Ärztinnen und Ärzte auch in Zukunft schlagkräftig für eine gute Patientenversorgung einsetzen können, warb Henke für eine starke ärztliche Selbstverwaltung. Diese sei keine Selbstverständlichkeit und lebe vor allem vom Engagement ihrer Mitglieder. Mit Blick auf die 2024 anstehenden Kammerwahlen hoffe er deshalb auf eine hohe Wahlbeteiligung, so Henke. Die Gesetzgebungsverfahren zum Digitalgesetz und zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) sind auf der Zielgeraden. Nach aktuellem Stand wird die abschließende Beratung im Bundestag noch in diesem Jahr stattfinden. Unwahrscheinlich ist, dass sich an dem dort vorgesehenen Widerspruchs-Vorbehalt (Opt-out) hinsichtlich der Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) noch etwas ändern wird. Doch die große Mehrheit der Delegierten der Kammerversammlung sieht die Politik bei der Opt-out-Regelung weiter auf dem falschen Weg, und auch die Bundesärztekammer wird aufgefordert, die bisherige Zustimmung zur Opt-out-Regelung zu revidieren. Es sei ein Fehler gewesen, dieser Regelung ohne konkrete Kenntnis des Gesetzentwurfs zuzustimmen, begründete Dr. Lothar Rütz, Köln, seinen Beschlussantrag. Er lehne eine ePA nicht grundsätzlich ab; die Ärzteschaft hätte aber sehr viel früher ein eigenes Konzept für eine funktionierende ePA entwickeln sollen. Mit dem Opt-out-Verfahren leite sich jetzt aus dem Nichtstun gesetzlich versicherter Patienten eine Zustimmung zur Erstellung, Befüllung und Datenübertragung ab, und es werde ein Datenfluss generiert, der dem weiteren Einfluss von Ärzten und Patienten entzogen sei. Befürchtet werde die kommerzielle Nutzung von ePA-Gesundheitsdaten, die künftig auch EU-weit möglich sein werde, heißt es in einem weiteren Beschluss auf Antrag der Fraktion Das Ärztebündnis. Auch aus diesem Grund werde das Opt-outPrinzip bei der elektronischen Patientenakte nicht mehr unterstützt. Dagegen sah Dr. Thorsten Hornung, Bonn, als Vorsitzender des Ad hoc Ausschusses „E-Health und KI“ die Gefahr, dass die Ärzteschaft in Sachen Digitalisierung in der Öffentlichkeit als Bremser wahrgenommen werde. Die Einführung der ePA sei grundsätzlich für die Patienten von Nutzen. Es komme darauf an, die weitere Entwicklung kritisch zu begleiten. Zuvor hatte Kammerpräsident Rudolf Henke in seiner Bewertung noch selbstkritisch angemerkt, dass die Ärzteschaft über lange Zeit nicht so recht vermittelt habe, dass ihr die Digitalisierung ein ernstes Anliegen sei. „Zehn Jahre der Auseinandersetzung über die ePA haben wir mit der Sorge vor zusätzlicher Transparenz gefüllt und auf jedem Deutschen Ärztetag wieder versucht, den Zug aufzuhalten. Das war ein Weg, der nicht nur produktiv war.“ Nun komme es darauf an, die weitere Ausgestaltung der Gesetze aufmerksam zu begleiten. So müsse etwa klar geregelt sein, dass die Aufklärung über die Nutzung der ePA und das Opt-out-Verfahren in die Zuständigkeit der Krankenkassen falle. Auch müsse bei der Nutzung der ePA für die Ärzte erkennbar sein, ob Inhalte vom Patienten gelöscht wurden. Nicht hinnehmbar ist für Henke die im GDNG vorgesehene Regelung, dass Krankenkassen künftig im Zuge der automatisierten Datennutzung potenziell schwerwiegende gesundheitliche Risiken von Versicherten erkennen und diesen die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung empfehlen sollen. „Auf dieser Basis Patienten anzusprechen ist fahrlässig und führt zu deren unnötiger Verunsicherung und unnötigen Untersuchungen.“ Hier hofft Henke noch auf letzte Änderungen am Gesetzentwurf. tg Delegierte lehnen Opt-out-Regelung ab Die Entschließungen der 10. Kammerversammlung werden aufgrund des Redaktionsschlusses in der Januar-Ausgabe des Rheinischen Ärzteblattes veröffentlicht.
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