Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 15 Schließlich appellierte Elke Cremer, Troisdorf, an die Mitglieder der Kammerversammlung, den Druck aufrechtzuerhalten und ein deutliches Zeichen an Politik und Öffentlichkeit zu senden, dass es so nicht weitergehen könne. „Die ambulante und stationäre Versorgung werden gerade mit Karacho an die Wand gefahren“, so Cremer. Ärzte tragen die Letztverantwortung Gute Rahmenbedingungen nicht nur für den Arztberuf hatte auch Kammerpräsident Henke in seinem Bericht zur Lage gefordert. Sie sind seiner Ansicht nach eine bessere Antwort auf den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen als die Schaffung immer neuer Berufsbilder, die das Problem nicht löse, sondern nur verschiebe. Wer solle denn die Pflege am Bett übernehmen, wenn die wenigen Pflegekräfte, die es gebe, akademisiert in Gesundheitskiosken, Gesundheitszentren oder in Schulen als Schulpfleger eingesetzt würden, fragte der Kammerpräsident. Am Ende gehe es auch um die Letztverantwortung und Behandlungssicherheit für die Patienten. „Die ist nicht teilbar“, betonte Henke. Beispiel Rettungsdienst: Die Regierungskommission von Minister Lauterbach hat sich vor Kurzem für die Übertragung heilberuflicher Kompetenzen auf akademisch ausgebildete Notfallsanitäterinnen und -sanitäter ausgesprochen. Danach sollen Notärzte künftig nur noch als Telenotärzte oder in der Luftrettung beziehungsweise bei hochkomplexen Einsätzen vor Ort tätig werden. Henke hält das für inakzeptabel. Die Qualifikation akademisch ausgebildeter Notfallsanitäter sei nicht mit der von Notärzten vergleichbar, die ein Medizinstudium und in aller Regel zusätzlich eine fachärztliche Weiterbildung absolviert hätten. „Jeder Patient hat gerade im akuten Notfall das Recht auf eine ärztliche Versorgung“, bekräftigte der Kammerpräsident und betonte zugleich: „Mit unserer Kritik an diesem Konzept der Substitution wenden wir uns nicht gegen eine kompetenzbasierte interprofessionelle Zusammenarbeit.“ Oberste Priorität müsse aber immer die Sicherheit der Patienten haben. Damit sich Ärztinnen und Ärzte auch in Zukunft schlagkräftig für eine gute Patientenversorgung einsetzen können, warb Henke für eine starke ärztliche Selbstverwaltung. Diese sei keine Selbstverständlichkeit und lebe vor allem vom Engagement ihrer Mitglieder. Mit Blick auf die 2024 anstehenden Kammerwahlen hoffe er deshalb auf eine hohe Wahlbeteiligung, so Henke. Die Gesetzgebungsverfahren zum Digitalgesetz und zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) sind auf der Zielgeraden. Nach aktuellem Stand wird die abschließende Beratung im Bundestag noch in diesem Jahr stattfinden. Unwahrscheinlich ist, dass sich an dem dort vorgesehenen Widerspruchs-Vorbehalt (Opt-out) hinsichtlich der Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) noch etwas ändern wird. Doch die große Mehrheit der Delegierten der Kammerversammlung sieht die Politik bei der Opt-out-Regelung weiter auf dem falschen Weg, und auch die Bundesärztekammer wird aufgefordert, die bisherige Zustimmung zur Opt-out-Regelung zu revidieren. Es sei ein Fehler gewesen, dieser Regelung ohne konkrete Kenntnis des Gesetzentwurfs zuzustimmen, begründete Dr. Lothar Rütz, Köln, seinen Beschlussantrag. Er lehne eine ePA nicht grundsätzlich ab; die Ärzteschaft hätte aber sehr viel früher ein eigenes Konzept für eine funktionierende ePA entwickeln sollen. Mit dem Opt-out-Verfahren leite sich jetzt aus dem Nichtstun gesetzlich versicherter Patienten eine Zustimmung zur Erstellung, Befüllung und Datenübertragung ab, und es werde ein Datenfluss generiert, der dem weiteren Einfluss von Ärzten und Patienten entzogen sei. Befürchtet werde die kommerzielle Nutzung von ePA-Gesundheitsdaten, die künftig auch EU-weit möglich sein werde, heißt es in einem weiteren Beschluss auf Antrag der Fraktion Das Ärztebündnis. Auch aus diesem Grund werde das Opt-outPrinzip bei der elektronischen Patientenakte nicht mehr unterstützt. Dagegen sah Dr. Thorsten Hornung, Bonn, als Vorsitzender des Ad hoc Ausschusses „E-Health und KI“ die Gefahr, dass die Ärzteschaft in Sachen Digitalisierung in der Öffentlichkeit als Bremser wahrgenommen werde. Die Einführung der ePA sei grundsätzlich für die Patienten von Nutzen. Es komme darauf an, die weitere Entwicklung kritisch zu begleiten. Zuvor hatte Kammerpräsident Rudolf Henke in seiner Bewertung noch selbstkritisch angemerkt, dass die Ärzteschaft über lange Zeit nicht so recht vermittelt habe, dass ihr die Digitalisierung ein ernstes Anliegen sei. „Zehn Jahre der Auseinandersetzung über die ePA haben wir mit der Sorge vor zusätzlicher Transparenz gefüllt und auf jedem Deutschen Ärztetag wieder versucht, den Zug aufzuhalten. Das war ein Weg, der nicht nur produktiv war.“ Nun komme es darauf an, die weitere Ausgestaltung der Gesetze aufmerksam zu begleiten. So müsse etwa klar geregelt sein, dass die Aufklärung über die Nutzung der ePA und das Opt-out-Verfahren in die Zuständigkeit der Krankenkassen falle. Auch müsse bei der Nutzung der ePA für die Ärzte erkennbar sein, ob Inhalte vom Patienten gelöscht wurden. Nicht hinnehmbar ist für Henke die im GDNG vorgesehene Regelung, dass Krankenkassen künftig im Zuge der automatisierten Datennutzung potenziell schwerwiegende gesundheitliche Risiken von Versicherten erkennen und diesen die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung empfehlen sollen. „Auf dieser Basis Patienten anzusprechen ist fahrlässig und führt zu deren unnötiger Verunsicherung und unnötigen Untersuchungen.“ Hier hofft Henke noch auf letzte Änderungen am Gesetzentwurf. tg Delegierte lehnen Opt-out-Regelung ab Die Entschließungen der 10. Kammerversammlung werden aufgrund des Redaktionsschlusses in der Januar-Ausgabe des Rheinischen Ärzteblattes veröffentlicht.
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