Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2023 37 Kulturspiegel Das Bonner Schauspielhaus zeigt eine eindringliche Inszenierung des Stücks „Von Mäusen und Menschen“. von Jürgen Brenn Ein kleines Stück Land, hinter dem Haus, Gemüsebeete und Kaninchenställe. Das ist der Traum von Lennie und George. Die Realität sieht anders aus: Ausgetrocknete Felder, sengende Hitze. Wo einst fruchtbare Böden waren, ist nur noch kahle Leere. Inmitten dieser Dürre ziehen die beiden jungen Männer, so wie viele andere auch, auf der Suche nach Arbeit von einer Farm zur nächsten. Sie müssen sich als Wanderarbeiter verdingen. Für wenig Geld arbeiten sie dort, wo überhaupt noch etwas wächst, auf fremden Feldern. In ihren Traum vom eigenen Stück Land flüchten sie sich immer dann, wenn die Tristesse ihrer Existenz überhandnimmt. Der amerikanische Literatur-Nobelpreisträger, John Steinbeck, schrieb „Von Mäusen und Menschen“ im Jahr 1937, während der Großen Depression in den USA. Die Novelle wurde oft für Film und Theater adaptiert. Bei der Inszenierung, die derzeit am Theater Bonn zu sehen ist, führt Hausregisseur, Simon Solberg, Regie. Auch für das ausgefallene Bühnenbild zeichnet Solberg verantwortlich. Nur wenige Utensilien und viel Fantasie der Zuschauer sind nötig, um die Stilisierung zu erfassen. Im Bühnenhintergrund sind starke Strahler wie eine glühende Sonne aufgehängt. Sie tauchen die Szenerie in ein warmes Dämmerlicht und die Hitze, die diese heiße Scheibe ausstrahlt, ist bis in den Zuschauerraum spürbar. Die ganze Bühne ist mit Pellets aufgeschüttet, sodass jeder Schritt, den die Schauspieler tun, beschwerlich wirkt und Staub aufwirbelt, so wie ausgedörrter Erdboden. Unzählige Weinkisten werden ständig auf-, um- und übereinandergestapelt, bilden Mauern, Kreuze, Schlafstätten oder sind einfach nur Kisten, durch die Saatgut rieselt, etwas gesiebt wird oder sie dienen als Duschen. Über den Köpfen der erschöpften Wanderarbeiter rieseln Pellets als Wasser herab. Das ebenso einfache wie geniale Er will doch nur etwas Weiches streicheln In Bonn zu sehen in einer eindrucksvollen Inszenierung der Novelle „Von Mäusen und Menschen“ v.l.n.r.: Daniel Stock als Lennie, Paul Michael Stiehler als sein Freund George und Julia Kathinka Philippi als die Frau des Juniorchefs der Farm, auf der die beiden arbeiten Foto: Emma Szabó Bühnenbild ist ständig in Bewegung und hält auch die Wanderarbeiter in Bewegung, ganz so wie der Farmer, der sie ständig zur Arbeit antreibt. George, gespielt von Paul Michael Stiehler, und sein etwas einfältiger Freund Lennie, fein ziseliert gespielt von Daniel Stock, kommen bei ihrer Reise vom ausgedörrten umsorgen will, zerstört er ungewollt. Hinterher ist er traurig und sein Freund George muss zum x-ten Mal den Traum vom eigenen Stückchen Land heraufbeschwören, um seinen Freund aufzuheitern. Die anderen Arbeiter sind misstrauisch und schauen auf den debilen Lennie herab. Allen voran Curley der Sohn des Farmers, der in Bonn von Max Wagner gespielt wird. Er reizt, provoziert und drangsaliert Lennie bis dieser in einer Abwehrreaktion die Hand des Farmersohns zerquetscht. Aus Rache drückt Curley den Lohn der Arbeiter weiter herunter. Es riecht nach Streik und Aufstand, Süden Richtung Norden bei einer neuen Farm an und fragen nach Arbeit. Sie werden von dem Farmer eingestellt, zu einem Hungerlohn versteht sich. Die übrigen Arbeiter beäugen die beiden Neuankömmlingeargwöhnisch, aber halten respektvollen Abstand ob Lennies augenscheinlichen Kräften. Er steht mit seinen breiten Schultern und Händen wie Bratpfannen als ein riesiger Baum in der Landschaft und arbeitet für zwei. Allerdings fehlt ihm eine gewisse Impulskontrolle. Er kann nicht einschätzen, wie viel Kraft in seinen Händen steckt. Er sehnt sich nach Nähe und einer friedlichen Welt. Deshalb liebt Lennie alles Weiche, das er gerne wie ein kleines Kind streichelt. Mäuse, Hunde oder eben am liebsten Kaninchen streichelt er buchstäblich zu Tode. Denn das, was er behüten und doch am Ende knicken die Arbeiter ein, weil sie sich alle krampfhaft an den Traum vom eigenen Stückchen Land klammern, der ohne Lohn komplett ausgeträumt wäre. Als der alte Arbeiter Candy, hervorragend gespielt von Wolfgang Rüter, anbietet, sich finanziell an dem Grundstückskauf zu beteiligen, schöpfen Lennie und George neue Hoffnung, dass ihr Traum nicht nur ein Traum bleibt. Doch dann tritt die junge, lebenslustige Frau des Juniorchefs auf den Plan, gespielt von Julia Kathinka Philippi, die sich auf der Farm langweilt und gerne den Arbeitern den Kopf verdreht. Ähnlich wie Lennie sucht sie menschliche Nähe und Zärtlichkeit. Sie fordert ihn auf, sie zärtlich zu streicheln. Ein verhängnisvoller Fehler. Informationen unter www.theater-bonn.de und unter Tel.: 0228 778 008.
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