KNOW!S 02-2017

Matthias Bues hat auf der Kommandobrücke alles unter Kontrolle. Spielend verschiebt er auf dem Tisch mit dem Finger die Objekte, zieht eine Datei mittig auf der Oberfläche größer, öffnet eine Karte und zeigt in die Zukunft. „Sehen Sie, all das gibt mir doch eine viel größere Flexibilität“, freut sich Bues. Bis auf die Tischoberfläche, auf die alle Appli- kationen projiziert werden, hat er während seiner Demonstration nichts berührt. Nun breitet sich virtuell der Lageplan des Zentrums für Virtuelles Engineering (ZVE) vor ihm aus. Hier im Stuttgarter Südwesten erforscht das Fraunhofer Institut die Lebens- und vor allem die Arbeitswelt der Zukunft. Und Bues lebt bereits mittendrin. Der Teamleiter für Visuelle Technologien hat den Schreibtisch als eine per Berührungen steuerbare interaktive Arbeitsfläche miterdacht. „Es ist doch seltsam, dass sich die heutige Arbeits- und Bürowelt gar nicht groß verändert hat“, wundert er sich darüber, dass viele Arbeitsplätze immer noch den starren Aufbau aus dem Ende des 20. Jahrhunderts besitzen. Dabei hat die Digitalisierung seitdem enorm an Geschwin- digkeit gewonnen und die Lebensrealität der Men- schen stark verändert: Kommunikation findet schon seit 20 Jahren quasi überall statt, auch das Arbeiten ist mittlerweile oft vollkommen unabhängig von einem festen Arbeitsplatz. Es gibt Großraumbüros, Coworking Spaces und das Homeoffice. Science-Fiction-Schreibtisch Während die Software-Lösungen bereits ordentlich vorangekommen sind, hinkt die Hardware teilweise noch arg hinterher. „Gerade beim User Interface haben wir bislang nicht Schritt gehalten“, ärgern Bues die Beschränkungen. Kleinere Modifikationen wie zwei oder drei Bildschirme seien schon ein Fortschritt, aber eben auch nur ein Zwischenschritt bis zum virtuellen Büro. Deshalb entwickeln Bues und sein Team gerade erweiterte Schreibtisch- und Projektionslösungen. Das klingt teilweise noch sehr futuristisch. „Manche Konzepte stammen tatsächlich aus Science-Fiction- Filmen, oder man hat sie dort erstmals umgesetzt gesehen“, erklärt Bues. Allerdings sei die Forschung keinesfalls experimenteller Selbstzweck, sondern im Gegenteil äußerst nutzerzentriert. „Von den Anwen- dern bekommen wir die besten Rückmeldungen. Sie haben die spezifischen Probleme, die wir lösen sollen.“ Bues ist sich sicher, dass der interaktive Schreib- tisch in gar nicht allzu ferner Zukunft zum Standard werden könnte. „Die neue Technologie wird zu- nächst bei teuren Arbeitsplätzen eingesetzt, bei Ingenieuren oder Architekten, wo sich die Investition lohnt und die Kosten schnell amortisieren“, erklärt er. Aber innerhalb der nächsten Dekade solle Bues’ Lösung auch den Weg in die normalen Büros finden. Den ersten Prototypen im Bereich Extended Work- desk haben Bues und sein Team 2012 vorgestellt. „Das zeigt, dass all das generell noch sehr neu ist, aber wir forschen durchaus schon eine Weile.“ Bues ist als Kommandeur der Visuellen Techno- logie nur Teil einer interdisziplinären Crew. Das ganze Zentrum für Virtuelles Engineering mit seinen 3.200 Quadratmetern Nutzfläche sei eine riesige Spielwiese, sagt Mitja Jurecic, in der Forscher wie Bues experimentieren, visualisieren und umsetzen können. Individuelle Lösungen: Office 21 Jurecic, der unter anderem Innovationsmanagement studiert hat, führt das Verbundforschungsprojekt Office 21. „Wir sehen uns selber als Impulsgeber“, sagt er, betont aber zugleich, dass es auch andere Vorreiter gebe, vor allem in den skandinavischen Ländern oder in den Niederlanden. „Früher ging es viel um die reine Performance der Mitarbeiter, aber irgendwann haben die Betriebe verstanden, Dr. Matthias Bues, Teamleiter Visual Technologies am Fraunhofer IAO KNOW ! S  02/2017 17 DIE ZUKUNFT DES BÜROS

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