WERDER MAGAZIN Nr. 333

SCHACH WERDER MAGAZIN 333 35 D ie Idee, einmal eine längere Wanderung zu unternehmen, vielleicht sogar in ein anderes Land, hatte ich schon nach dem Abitur. Beim Stöbern im Schachturnierkalender Ende 2016 kam mir dann die Idee, von Bremen nach Dänemark zu wandern. Als Ziel hatte ich mir das internationale Turnier ‚Xtra- con Chess Open‘ in Helsingør, 30 Kilometer nördlich von Kopenha- gen, ausgesucht. Als ich meinem Freund Julian Kramer, Schachspie- ler beim Hamburger SK, von meinen Plänen erzählte, entschloss er sich spontan mitzukommen. Meine Vorbereitung begann mit der Anschaffung von Rucksack, Schlafsack, Wanderkarten und vor allen Dingen: guten Wanderschu- hen. Bis auf ein Zelt hatte ich vorher nichts. In Hamburg unternahmen Julian und ich probeweise eine Tageswanderung mit Gepäck. Nach 25 Kilometern waren wir beide völlig erledigt. Außerdem wussten wir nun, dass auch Blasenpflaster zur Ausrüstung gehören mussten. Für die bevorstehenden 350 Kilo- meter hatten wir drei Wochen eingeplant. Wir starteten unsere Tour Anfang Juli in Hamburg. Mit im Gepäck: Ein Reiseschach- spiel, wie es sich für Schachspie- ler gehört. Über Bargteheide, Bad Oldesloe und Pronsdorf ging es in vier Tagen nach Neustadt in Holstein an die Ostsee. Auf dem Campingplatz hatten wir gerade unser Zelt aufgeschlagen, als ich eine E-Mail in meinem Postfach entdeckte: Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zwei Tage später in Bremen. Ich hatte mich für einen Ausbildungsplatz beworben. War unsere Reise hier etwa schon zu Ende? Wir entschlossen uns, die Wanderung für eine Woche zu unterbrechen, und ließen uns am folgenden Abend von meinem Vater in Grömitz abholen. So konnte auch Julian die Tage nutzen und eine Prüfung nachschreiben. Hoch motiviert mit einem Ausbildungsvertrag in der Tasche und nach bestandener Prüfung setzten wir uns eine Woche später in den Zug zurück nach Grömitz, um unsere Wanderung fortzusetzen. Die nächsten Etappen waren die Insel Fehmarn und die Fähre nach Dänemark, wo wir einen Campingplatz ansteuerten, den es seit zwei Jahren nicht mehr gab. Das Internet vergisst eben nichts... Da- für wurden wir von sehr gastfreundlichen Dänen eingeladen, in de- ren Garten zu campieren. Am nächsten Morgen gab es außerdem ein deftiges dänisches Frühstück. Der Marsch wurde nun beschwerlicher, da wir für Dänemark keine richtigen Wanderkarten hatten und häufig auf asphaltierten Radwe- gen liefen. Die Strecke führte uns weiter über Guldborg und Vor- dingborg auf die Insel Seeland und weiter nach Feddet zu einem super Campingplatz. Unsere Königsetappe tags darauf ging über 37 Kilometer nach Køge. Vor uns lagen noch einige Kilometer, als es bereits stockdunkel war. Eine Polizeistreife hielt neben uns, und zwei besorgte Polizisten erkundigten sich, ob sie uns helfen könn- ten. Wir hatten aber immer noch den Ehrgeiz, die Strecke komplett zu Fuß zurückzulegen, und lehnten dankend ab. Ankunft auf dem Campingplatz um 23.00 Uhr. Völlig erledigt lagen wir eine Stunde apathisch im Waschraum. Mit letzter Kraft bauten wir das Zelt auf, und dann wurde nur noch geschlafen. Es folgte eine kurze, sehr entspannte Etappe über 15 Kilometer, und tags darauf erreichten wir bei strömendem Regen Kopenhagen. Wir hatten es geschafft. Pünktlich zum Turnierbeginn waren wir am Spielort. Wir waren zwar total erschöpft, aber irgendwie auch sehr glücklich. Das war mal eine ganz andere Vorbereitung auf ein Schachturnier. In der nun folgenden Woche durften sich die Füße er- holen, und der Kopf musste arbeiten. Wir spielten ein gutes Turnier mit einigen spannenden und kampfbetonten Partien. Diese Reise wird für uns mit Sicherheit eine Erinnerung fürs Leben sein. Die Nähe zur Natur, die vielen freundlichen Menschen, aber auch die Anstrengung der Wanderung waren eine großartige Erfah- rung. Wir haben gelernt, dass man vieles schaffen kann, wenn man es einfach – im wahrsten Sinne des Wortes – angeht. Schwerstarbeit für Füße und Kopf  Es war eine ungewöhn- liche Anreise: David Kardoeus ging zu Fuß zu den ‚Xtracon Chess Open‘ in Dänemark. Ein Reisebericht. Julian Kramer und David Kardoeus (re.). Quelle: www.google.de/maps

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