WERDER MAGAZIN Nr. 336
Das Verhalten von Mesut Özil und sein lei- diges Foto mit Präsident Erdogan wurden in der damaligen Situation offenbar nicht ernst genug genommen. Der DFB dachte, über den sportlichen Erfolg und einen guten Spieler Mesut Özil das Problem lösen zu können. Ilkay Gündogan hatte sich sehr schnell zu seinem Foto erklärt, sich zu den Werten der deutschen Kultur bekannt und betont, dass er sehr gerne für die Nationalmannschaft spielt. Dadurch hat er sehr viel ‚Dampf rausgenommen‘. Mesut Özil dagegen hat ge- schwiegen. Und mit jedem Tag des Schwei- gens hat sich die Situation weiter verschärft. Und nach der WM… …sollte offensichtlich die Aufarbeitung der gezeigten Leistungen beginnen. Aber das erste, was man dazu hörte, war, dass Özils Verhalten zum frühen WM-Aus beigetragen habe. Diese Sündenbock-Theorie war aus meiner Sicht nicht klug. Und dass der Spieler dann seinen Rücktritt erklärt und zugleich seinerseits schwere Vorwürfe erhoben hat, war da fast schon folgerichtig, aber natürlich wieder alles andere als gut. Die Diskussion wurde mir insgesamt viel zu problemorien- tiert geführt, es wurden Schuldige gesucht. Und es wird nicht darüber gesprochen, was wir tun können, um allgemein die Situation zu verbessern. Welche Maßnahmen müs- sen wir ergreifen, um Integration weiter zu verbessern und auch Fußballern mit Migra- tionshintergrund das Gefühl zu geben, dass sie angekommen und willkommen sind? Dazu höre ich sehr wenig. Ja, der Vorwurf des Rassismus ist falsch und absurd. Denn Mesut Özil wurde nicht für seine Herkunft kritisiert, sondern für sein Verhalten. Aber wir müssen auch darüber sprechen, mit wel- chen konkreten Schritten wir in der Lage sind, dieser Thematik zu begegnen. Die Verantwortlichen könnten zum Thema In- tegration bei Werder nachfragen… Warum nicht? (lacht) Wir akzeptieren die Menschen in unserem Verein so wie sie sind und sehen gleichzeitig bestimmte Werte als verbindlich für uns und für alle an. Zur Fußball-Bundesliga: Worauf freuen Sie sich in der neuen Saison am meisten? Ich freue mich jedes Jahr darauf, dass es wie- der losgeht, dieses Mal endlich wieder mit einem Heimspiel. Schon beim Trainingslager im Zillertal habe ich gespürt, dass es auch bei den Fans eine unglaubliche Vorfreude gibt und dass alle der Mannschaft sehr viel zutrauen. Wir haben mit unserem Trainer- team, angeführt von Florian Kohfeldt, eine enorm hohe Qualität, die uns in den nächs- ten Jahren weit nach vorne bringen wird. In- sofern hoffe ich, dass wir diese guten Voraus- setzungen dann auch in den Spielen umset- zen können. Der Transfer von Davy Klaassen war letztlich nochmal ein Zeichen, dass wir uns in diesem Jahr nicht damit zufrieden ge- ben wollen, nicht abzusteigen, sondern dass wir in der Tabelle nach oben schauen wollen. Was motiviert Sie, sich zur Wiederwahl als Präsident zu stellen? Ich mache meine Aufgabe bei Werder jeden Tag aus vollem Herzen und mit großer Lei- denschaft und Überzeugung. Ich bin dank- bar, dass ich Hobby und Beruf miteinander verbinden kann. Wir wollen Werder auch in den nächsten Jahren weiterentwickeln, wei- ter positive sportliche Ergebnisse erzielen, den Zusammenhalt von e. V. und KG weiter stärken, die Infrastruktur verbessern. Und wir haben im geschäftsführenden Präsidium ein hohes Maß an Vertrauen und Wertschät- zung zwischen Jens Höfer, Axel Plaat und mir. Das hilft uns, auch schwierige Situatio- nen zu meistern. Und was sind die wichtigsten Ziele, wenn Sie nicht nur als Präsident wiedergewählt werden, sondern dann auch als Geschäftsführer weiter- arbeiten? Ganz sicher der Bau des Leistungszentrums, weil hier wie beschrieben ein ausführlicher Diskussionsprozess erforderlich und auch die Finanzierung zu klären ist. Außerdem wollen wir das Verhältnis zur Stadt weiter- entwickeln, bekanntlich sind wir uns hier nicht bei allen Themen immer ganz einig. Das Wichtigste ist für mich aber immer der Zusammenhalt von e. V. und Kapitalgesell- schaft. Entscheidend ist, dass auch zukünftig alle in dieselbe Richtung marschieren und allen bewusst ist, dass es dem Verein immer dann gut geht, wenn die Kapitalgesellschaft sportlich und wirtschaftlich erfolgreich ist. Wie haben Sie im Sommer für die arbeitsrei- chen nächsten Monate aufgetankt? Ich war mit meiner Frau zwei Wochen lang an der Ostsee. Es bleibt dann zwar nicht aus, dass man die Mails checkt und nicht ganz loslassen kann. Aber auftanken kann ich durch das Gefühl, in den Tag hineinzugehen ohne jede Menge Verpflichtungen, Sitzun- gen und Dinge, die erledigt werden müssen. Interview: Martin Lange Foto: xxx WERDER MAGAZIN SPEZIAL 336 59 Große Ehre für Werders ehema- ligen jüdischen Präsidenten: Am ‚Tag der Fans‘ weih- ten Dr. Hubertus Hess-Grunewald, Bremens Bürger- meister Carsten Sieling und Daniel de Olano (Beirat Öst- liche Vorstadt, v. li.) den Alfred-Ries-Platz auf der Westseite des Weser-Stadion ein. Foto: gumzmedia
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