WERDER MAGAZIN Nr. 338

FRAUENFUSSBALL 36 WERDER MAGAZIN 338 Dauerbrennerin und Ruhepol Seit mehr als sieben Jahren trägt Michelle Ulbrich das grün-weiße Trikot. Die 22-Jährige hat in dieser Zeit viel erlebt. B ei manchen Kindern sind es die Eltern, die ihren Töch- tern und Söhnen den Fußball nahebringen, bei anderen sind es Freunde. Bei Michelle Ulbrich war es ihre große Schwester. Gerade mal vier Jahre alt war Werders heuti- ge Innenverteidigerin, als ihre viereinhalb Jahre ältere Schwester Charlie nach langem Kampf mit Mutter Ulbrich mit dem Fußball- spielen beginnen durfte. Nur ein paar Monate später folgte ihr die kleine Schwester auf den Platz der BTS Neustadt. Der Beginn einer großen Liebe. „Wir haben sehr oft in der Wohnung oder im Garten gekickt“, erin- nert sich Michelle Ulbrich. „Bereits vor der Zeit im Verein. So wie man es als Geschwister eben macht. Jede freie Minute flog der Ball. Ich konnte viel von meiner Schwester lernen. Als sie dann im Verein spielen durfte, wollte ich natürlich unbe- dingt mitma- chen.“ Zehn Jahre später, zur Saison 2011/2012, im zarten Alter von 14 Jah- ren, wechselte Werders heutige Nummer 5 in die U17-Juniorinnen der Grün-Weißen und konnte gleich im ersten Jahr mit ihrem Team den Nord- deutschen Meistertitel feiern – bis heute einer ihrer größten Erfolge. „Es war eine unglaubliche Erfahrung. Während der Saison spielten wir gegen Jungs. Das war natürlich anstrengend, gerade in der Pubertät“, erzählt sie. „Aber es half uns für die Bremer Landesmeister- schaft, wo wir gegen Mädchen antraten.“ Die Grün-Weißen sicher- ten sich den Titel und qualifizierten sich für die Norddeutsche Meis- terschaft. „Das Finale in Kiel war dann noch einmal ganz besonders. Wir fragten uns, wo wir eigentlich stehen. Und aufgeregt waren wir natürlich auch. Es ging schließlich um den Pokal und darum, etwas Großes zu erreichen.“ Michelle Ulbrich brachten gerade Spiele gegen Jungs in ihrer sport- lichen Entwicklung bedeutend voran, obwohl sie ihr nicht immer Spaß machten. Die Schnelligkeit und die Körperlichkeit der männ- lichen Gegner führten nicht nur zu einer besonderen Zweikampf- härte, sondern auch zum Aneignen neuer Lösungswege. Gerade Ulbrichs Stellungsspiel in der Innenverteidigung profitierte von die- ser Zeit. „Ich wusste, dass ich im Laufduell gegen die Jungs keine Chance hatte, also musste ich Lösungen finden und mich so positio- nieren, dass es gar nicht erst zu einem Laufduell kam. Das hilft mir auch heute noch“, erklärt sie. Im Dezember 2012 gelang Michelle Ulbrich dann der Sprung von den Juniorinnen in die Frauen-Mannschaft. Am 2. Dezember, beim 7:2-Erfolg der Grün-Weißen in Kiel, feierte die damals 16-Jährige un- ter Trainerin Birte Brüggemann ihr Debüt. Durch gemeinsame Trai- ningseinheiten war sie bereits gut in die Mannschaft integriert, wes- halb sie sich auch von den schwierigen äußeren Umständen nicht verrückt machen ließ: „Wir haben in Kiel auf einem Kunstrasenplatz gespielt, und Teile des Flutlichts sind ausgefallen. Dadurch war es ziemlich dunkel, und wir konnten nur schlecht sehen.“ Von ihrem Debüt bis heute entwickelte sich die Abwehrspezialistin zu einer wahren Dauerbrennerin. Mit aktuell 131 Pflichtspielen (Stand: 15.02.2019) steht sie auf Platz sechs der ewigen Werder- Rekordliste. Für Michelle Ulbrich sind diese vielen Partien nicht nur ein großer Vertrauensbeweis, sondern auch eine große Wertschät- zung ihres Spiels: „Es macht mich stolz, dass ich so häufig zum Ein- satz gekommen bin. Ich versuche jedes Wochenende, meine beste Leistung abzurufen. Es ist eine Bestätigung für meine Arbeit, dass mir bisher jede Trainerin und jeder Trainer das Vertrauen geschenkt hat.“ Einen kleinen Karriereknick musste UIbrich Mitte des Jahres 2018 verdauen, als sie sich am Meniskus verletzte und lange pausie- ren musste. „Ich hatte damals keine Schmerzen und wollte auch die nächste Partie spielen. Ein paar Tage später kam aber die Diagnose, und wir mussten überlegen, was wir machen. Denn das wichtige Spiel um den Klassenerhalt in Köln stand noch bevor. Also war die Frage, ob ich es riskieren sollte zu spielen. Oder ob ich mich lieber gleich operieren lassen sollte. Am Ende hat die Vernunft gesiegt“, er- zählt sie und ergänzt: „Die Mannschaft hat es ja auch ohne mich gerockt.“ Trotz ihrer erst 22 Jahre gehört Michelle Ulbrich zu den erfah- renen Führungsspielerinnen.

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