WERDER MAGAZIN Nr. 344

WERDER MAGAZIN 344 17 INTERVIEW wicklung des Clubs weiter voranzutreiben, den Austausch mit dem Leistungszentrum intensiv zu pflegen. Aber ich muss zugeben: Danach haben wir alles, was zusätzliche Energie kostete, über Bord geworfen. Alle Kraft war nur noch darauf ausgerichtet, Spiele zu gewinnen. Und durch die Corona- Pandemie wurden schließlich sowieso sämt- liche persönliche Verbindungen zu anderen Abteilungen, die ich ansonsten sehr schätze und genieße, von einem auf den anderen Tag gekappt. Wir durften keinen Kontakt mehr haben und waren nur noch in unserer ‚Bun- desliga-Blase‘. Wie oft haben Sie daran gedacht, dass Ih- nen diese schwierige Zeit Ihren Job kosten kann? Ich hatte diesen Gedanken insofern regel- mäßig, weil ich mich in der Phase, als wir viel verloren haben und in der deutlich wur- de, dass es extrem eng wird, in der Liga zu bleiben, selbst überprüft habe, ob ich noch der Richtige bin. Ich habe darüber auch mit Frank Baumann gesprochen. Es gibt die- ses Zitat von mir vor dem Spiel in Freiburg, als ich gesagt habe: ‚Ich bin weiterhin der Beste‘. Ich wollte damit lediglich zum Aus- druck bringen, dass ich mich ständig selbst hinterfrage. Denn wenn ich das Gefühl ge- habt hätte, dass die Mannschaft mit mir absteigt und es jemand anderes in diesem Moment besser kann, dann hätte ich den Weg freigemacht. Dafür ist mir Werder einfach zu wichtig. Ist die Idee vom Fußball nach dieser schwierigen Saison noch dieselbe wie vor einem Jahr? Die Grundidee soll immer dieselbe bleiben. Wir wollen dominanten, zielgerichteten Ballbesitz-Fußball spielen, ergänzt – und das ist sehr wichtig – durch Aggressivität und Aktivität gegen den Ball. Mit dem Ziel, den Ball so schnell wie möglich wiederzu- erobern. Das in die Balance zu bringen, ist extrem schwer. Aber es ist unser Anspruch. Der Weg, wie wir zu diesem Fußball kom- men, verändert sich allerdings jedes Jahr. Weil sich der Fußball insgesamt verändert und sich unsere Spieler verändern. Wir können schließlich mit Tahith Chong, Ömer Toprak und Davy Klaassen nicht genauso spielen wie früher zum Beispiel mit Tho- mas Delaney, Jérôme Gondorf und Ishak Belfodil. Welche Prämissen gab es bei der Zusam- menstellung des Kaders für die neue Saison? Einfach gesagt: jung, dynamisch, erfolgs- hungrig. Das erfordert natürlich Mut. Denn wir haben bisher ausschließlich Spieler ver- pflichtet, die über Potenziale verfügen. Ich bin von allen Neuen positiv überrascht, wie gut sie sich einbringen. Aber man sieht bei allen: Es sind keine 27, 28 Jahre alten ge- standenen Profis, die bereits gezeigt ha- ben, dass sie in der Bundesliga über Mona- te oder Jahre stabile Leistungen bringen und die zu keiner Zeit unter ein gewisses Leistungsniveau fallen. Es ist unsere Auf- gabe, die jungen Spieler zu formen. Das macht unglaublichen Spaß. Als ehemaliger Jugendtrainer ist es meine Passion, Spie- ler zu entwickeln, mit ihnen zu arbeiten, sie besser zu machen. Das wird diese Saison sehr herausfordernd sein. Wie hat es die Arbeit verändert, dass meh- rere erfahrene Spieler nicht mehr dabei sind, dafür stattdessen noch mehr junge? Das ist nicht die gravierendste Verände- rung, die Einfluss auf die Arbeit hat. Das Entscheidende ist, so banal es klingt: Wir können wieder trainieren. Vergangene Sai- son brauchten wir aufgrund der vielen Ver- letzungen fast nie darüber nachzudenken, wie wir mannschaftstaktisch trainieren, wann wir individuelle Blöcke setzen, wie die Gesamtperiodisierung für die Mann- schaft im athletischen Bereich ist. Wir ha- ben stattdessen nur ‚von der Hand in den Mund‘ gelebt, haben vor dem Training ge- zählt, wer da ist, und sind dann rausgegan- gen. Jetzt haben wir einen Kernkader von 24 Spielern, die eigentlich immer da sind. Damit kann man richtig arbeiten. Fokussiert, konzentriert, kämpferisch: Die schonungslose, selbstkritische und transparente Aufarbeitung der enttäuschenden Saison 2019/2020 war für Cheftrainer Florian Kohfeldt die Grundlage, um seine Mannschaft für die neue Spielzeit auszurichten und die Grün-Weißen in eine erfolg- reiche Zukunft zu führen. 

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