DER BETRIEB 25 - page 53

Im Außenverha¨ltnis haftet er den Gla¨ubigern der Gesellschaft
bis zur Ho¨he seiner Einlage unmittelbar (§ 171 Abs. 1 Hs. 1
HGB). Erbringt der Kommanditist seine Einlage, erlischt im
Innenverha¨ltnis seine Einlageverpflichtung gegenu¨ber der Ge-
sellschaft. Seine Haftung im Außenverha¨ltnis entfa¨llt gem.
§ 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB, wenn er einen der eingetragenen
Haftsumme entsprechenden Wert in das Gesellschaftsvermo¨gen
geleistet und ihn auch dort belassen hat. Wird dem Kommandi-
tisten die Einlage ganz oder teilweise zuru¨ckbezahlt, gilt sie gem.
§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB den Gla¨ubigern der Gesellschaft ge-
genu¨ber insoweit als nicht geleistet, d. h. die Außenhaftung ent-
steht wieder. Dasselbe gilt nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB. Die
in § 172 Abs. 4 HGB beschriebene Wirkung tritt aber nur ge-
genu¨ber den Gla¨ubigern ein, d. h. das Innenverha¨ltnis zur Ge-
sellschaft ist davon nicht beru¨hrt. Ein Ru¨ckgewa¨hranspruch der
Gesellschaft entsteht bei einer Ru¨ckzahlung der Einlage somit
nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechts-
gru¨nden ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden ver-
traglichen Abrede
4
.
Im Innenverha¨ltnis ko¨nnen die Gesellschafter frei daru¨ber ent-
scheiden, ob und wie erbrachte Einlagen zuru¨ckgezahlt werden
12
I
Es gibt bei der Kommanditgesellschaft keinen im Innenver-
ha¨ltnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz. Die Gesellschaf-
ter ko¨nnen ihre Rechtsbeziehungen im Innenverha¨ltnis insoweit
untereinander und zur Gesellschaft weitgehend frei gestalten.
Das schließt die Entscheidung daru¨ber ein, ob und wie erbrachte
Einlagen zuru¨ckgewa¨hrt werden. Auch die Auslegungsregel in
§ 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 706 Abs. 2 Satz 1 BGB,
nach der beizutragende vertretbare und verbrauchbare Sachen im
Zweifel in das Eigentum der Gesellschaft zu u¨bertragen sind
5
,
rechtfertigt nicht die Annahme, dass im Gesellschaftsvertrag
ausdru¨cklich vorgesehene Kapitalru¨ckzahlungen der Gesellschaft
im Zweifel wieder zuzufu¨hren sind
6
.
Die Auslegung des Gesellschaftsvertrags durch das Berufungs-
gericht ist rechtsfehlerhaft
13
I
2.
Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Auslegung des Gesell-
schaftsvertrags durch das Berufungsgericht. Sie gewichtet zum ei-
nen fu¨r die Auslegung wesentliche Umsta¨nde fehlerhaft und be-
ru¨cksichtigt zum anderen nicht sa¨mtliche relevanten Umsta¨nde.
Dem Gesellschaftsvertrag der Kla¨gerin la¨sst sich ein Vorbehalt
der Ru¨ckforderung der auf der Grundlage von § 11 Ziff. 3
Satz 1 des Gesellschaftsvertrags an die Kommanditisten gezahlten
Betra¨ge nicht entnehmen. Diese Feststellung kann der Senat selbst
treffen, weil Gesellschaftsvertra¨ge von Publikumsgesellschaften
nach ihrem objektiven Erkla¨rungsbefund auszulegen sind
7
.
Die nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und
Pflichten des Gesellschafters einer Publikumsgesellschaft mu¨s-
sen sich klar aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben
14
I
a)
Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen die Re-
gelungen in Gesellschaftsvertra¨gen von Publikumsgesellschaften
unabha¨ngig davon, ob die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1
AGBG bzw. § 310 Abs. 4 BGB n. F. eingreift, einer a¨hnlichen
Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Gescha¨fts-
bedingungen
8
. Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2
BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders
gehen
9
. Fu¨r den einer Publikumspersonengesellschaft beitreten-
den Gesellschafter mu¨ssen sich die mit dem Beitritt verbunde-
nen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und
Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag daher klar ergeben.
Der Gesellschaftsvertrag entha¨lt keine hinreichenden Anhalts-
punkte dafu¨r, dass die Ausschu¨ttungen unter dem Vorbehalt
der Ru¨ckforderung gewa¨hrt wurden
15
I
b)
Hieran gemessen entha¨lt der Gesellschaftsvertrag der Kla¨-
gerin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafu¨r, dass die Kom-
manditisten Auszahlungen gem. § 11 Ziff. 3 Satz 1 des Gesell-
schaftsvertrags unter dem Vorbehalt einer Ru¨ckforderung erhal-
ten haben.
16
I
aa)
Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Annahme
maßgeblich aus dem Wortlaut von § 11 Ziff. 3 des Gesell-
schaftsvertrags abgeleitet, nach dessen Satz 1 die Ausschu¨ttung
„auf Darlehenskonto gebucht“ wird und nach dessen Satz 2 „die
Bildung einer Darlehensverbindlichkeit“ unterbleibt, sofern ein
Gesellschafter auf diese Entnahme verzichtet. Hierbei geht das
Berufungsgericht davon aus, dass es sich um eine Verbindlich-
keit des jeweiligen Gesellschafters gegenu¨ber der Gesellschaft
handelt, ohne dass sich hierfu¨r im Gesellschaftsvertrag hinrei-
chende Anhaltspunkte finden lassen.
Die Begriffe „Ausschu¨ttung“ und „Entnahme“ weisen nicht auf
Vorbehalt der Ru¨ckforderung hin
17
I
(1)
Die in § 11 Ziff. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags ver-
wendeten Begriffe „Ausschu¨ttung“ und „Entnahme“ weisen
nicht auf einen Vorbehalt der Ru¨ckforderung hin. Der Begriff
der „Ausschu¨ttung“ wird im Handelsgesetzbuch im Zusammen-
hang mit der Auszahlung von Gewinnen verwandt (z. B. § 268
Abs. 8 HGB). Diesbezu¨glich regelt § 169 Abs. 2 HGB, dass der
Kommanditist nicht verpflichtet ist, bezogenen Gewinn wegen
spa¨terer Verluste zuru¨ckzuzahlen. Nach § 11 Ziff. 3 Satz 1 des
Gesellschaftsvertrags sind die Ausschu¨ttungen hier allerdings
unabha¨ngig von einem im Jahresabschluss ausgewiesenen Ge-
winn oder Verlust zu gewa¨hren. Daraus kann aber nicht auf eine
Verpflichtung zur Ru¨ckzahlung geschlossen werden. Vielmehr
sprechen die Regelungen des Gesellschaftsvertrags zur Ergebnis-
verteilung in § 11 Ziff. 1 und zur Zahlung der gewinnunabha¨n-
gigen Ausschu¨ttungen nach § 11 Ziff. 3 gegen die Annahme,
dass die Ausschu¨ttungen etwa nur Vorauszahlungen auf ku¨nftige
Gewinne darstellen und ggf. erstattet werden sollen. Auch eine
Verrechnung der nach § 11 Ziff. 3 gezahlten Ausschu¨ttungen
mit spa¨teren Gewinnen ist im Gesellschaftsvertrag nicht vor-
gesehen. Der Gesellschaftsvertrag macht die Ausschu¨ttungen
nach § 11 Ziff. 3 nicht von einem zumindest erwarteten und
spa¨ter endgu¨ltig festzustellenden Gewinn abha¨ngig. Aus der
Verwendung des Begriffs der „Entnahme“ la¨sst sich gleichfalls
kein Anhaltspunkt fu¨r ein Ru¨ckforderungsrecht entnehmen.
Dieser findet in der U¨ berschrift zu der Vorschrift des § 122
HGB Verwendung, die in Abs. 1 Hs. 1 gerade regelt, dass der
Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft unter den dort
genannten Voraussetzungen berechtigt ist, Geldbetra¨ge aus dem
4 Vgl. BGH vom 20. 6. 2005, a.a.O. (Fn. 3);
Strohn
, in: Ebenroth/Boujong/
Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 172 Rdn. 19.
5 Vgl.
Scha¨fer
, in: Ulmer, Mu¨nchKomm-BGB, § 706 Rdn. 9;
Servatius
, in:
Henssler/Strohn, GesR, § 706 BGB Rdn. 4.
6 A. A. OLG Ko¨ln, Urteil vom 11. 8. 2003 – 18 U 13/03, juris, Rdn. 25;
Weipert
,
in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 169 Rdn. 23.
7 St. Rspr., vgl. nur BGH-Urteil vom 19. 7. 2011 – II ZR 153/09, DB 2011
S. 2199 = ZIP 2011 S. 1906, Rdn. 11; vom 16. 10. 2012 – II ZR 251/10, DB
2013 S. 49 = ZIP 2013 S. 68, Rdn. 13.
8 BGH-Urteil vom 27. 11. 2000 – II ZR 218/00, DB 2001 S. 324 = ZIP 2001
S. 243 (244); vom 13. 9. 2004 – II ZR 276/02, DB 2004 S. 2418 = ZIP 2004
S. 2095 (2097 f.); Beschluss vom 13. 12. 2011 – II ZB 6/09, DB 2012 S. 168
= ZIP 2012 S. 117, Rdn. 50; Urteil vom 23. 4. 2012 – II ZR 75/10, DB 2012
S. 1679 = ZIP 2012 S. 1342, Rdn. 32.
9 BGH vom 13. 9. 2004, a.a.O. (Fn. 8).
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
Wirtschaftsrecht
1407
1...,43,44,45,46,47,48,49,50,51,52 54,55,56,57,58,59,60,61,62,63,...84
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