Page 16 - Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper

This is a SEO version of Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper. Click here to view full version

« Previous Page Table of Contents Next Page »

14 | Jahresbericht 2011

Ärztekammer

Nordrhein Kammerversammlung

Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG), integrierte Versorgung

Der Bundestag hat am 11. November 2010 ein Gesetz zur Neuord-nung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) verabschiedet. Dieses Gesetz sieht vor, dass Pharmaunternehmen und Medizinprodukte-hersteller im Bereich der integrierten Versorgung (§ 140 b) direkte Vertragspartner der Krankenkassen werden können.

Nach Aufassung der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe ist es vorstellbar, dass sich die Vertragsgestaltung nicht nur auf die Versorgung mit Arzneimitteln bzw. Medizinproduk-ten beschränkt, sondern dass Pharmaunternehmen oder Medizin-produktehersteller die für eine integrierte Versorgung notwendigen weiteren „Leistungserbringer“ in Form von „Subunternehmern“ mitliefern, die ihnen als „besonders geeignet“ erscheinen. Auf diese Weise erhielte die Industrie eine versorgungspolitische Verantwortung und Steuerungsfunktion, die ihren Stellenwert im Gesundheitswesen gravierend verändert.

Als Folge der geplanten Gesetzgebung würde die Funktion des Arztes im Rahmen solcher Verträge auf den Status des Erfüllungs-gehilfen reduziert.

Die Ärztekammer Nordrhein teilt die Befürchtungen der Kassenärzt-lichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe und fordert den Gesetzgeber auf, dafür Sorge zu tragen, dass o. g. Konsequenzen nicht umgesetzt werden können.

Industrie darf nicht Partner von Versorgungsverträgen sein

Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG)

hat der Gesetzgeber die Integrierte Versorgung für die Herstel-ler von Arzneimitteln bzw. von Medizinprodukten geöfnet. Der geänderte § 140b SGB V führt „pharmazeutische Unternehmen“ ausdrücklich als Partner von Integrationsverträgen. Diese gelten insoweit als „Leistungserbringer“.

In Verbindung mit dem ebenfalls durch das AMNOG eingeführten

§ 130c SGB V (Verträge von Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern) verfügt die pharmazeutische Industrie künftig über eine „legale“ Option, auf Verordnungs- und Therapieentscheidungen unmittelbar Einfuss zu nehmen.

Diese Neuregelung gefährdet die „ärztliche Unabhängigkeit gegen-über Dritten“ (§ 30 Abs. 1 MBO-Ä) und zielt auf eine Vorteilsgewäh-rung für die Verordnung von Arzneimitteln ab (§ 34 Abs. 1 MBO-Ä). Sie verstößt daher nach Aufassung der Kammerversammlung gegen das ärztliche Berufsrecht. Darüber hinaus untergräbt sie das Vertrauen der Patienten in eine von wirtschaftlichen Interessen unbeeinfusste medizinische Behandlung.

Schließlich könnte sich die Neuregelung des AMNOG als Einfallstor erweisen, über welches die Industrie künftig in weiteren Vertrags- und Versorgungsformen eine unmittelbare Therapiekompetenz beansprucht.

Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber auf, seine Entscheidung für eine Öfnung der Integrierten Versorgung für Unternehmen der pharmazeutischen Industrie und der Medizin-produktehersteller zu revidieren.

GOÄ

Bestrebungen des Gesetzgebers, eine Öfnungsklausel für die ärzt-liche Gebührenordnung zu installieren, werden abgelehnt.

Aktive Mitarbeit in der Nutzenbewertung neuer medikamentöser Therapieformen

Die Kammerversammlung beauftragt Vorstand bzw. Geschäfts- führung, den Kontakt zum Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) aufzunehmen. Die Kammer soll über ihre Mitteilungsorgane die Mitglieder der nordrheinischen Ärzte-schaft bei der Nutzenbewertung neuer medikamentöser Therapie-formen zur aktiven Mitarbeit aufordern.

Ärztemangel

Ärztemangel und Überalterung der Ärzteschaft sind ernstzuneh-mende Probleme. Mit einer deutlichen Verschärfung ist in Zukunft zu rechnen, wenn die Rahmenbedingungen für Ärzte in Klinik und Praxis nicht wieder attraktiv werden. Humane Arbeitszeiten, eine attraktive Vergütung, Planungssicherheit, Bürokratieabbau und eine Wiederherstellung der berufichen Autonomie von Ärztinnen und Ärzten sind Grundvoraussetzungen, um dem Ärztemangel zu begegnen und eine humane Patientenversorgung wiederherzustel-len. Die Schafung von Anreizen zur Ergreifung und Ausübung des Arztberufes ist notwendig. Planwirtschaftliche Maßnahmen werden als grundsätzlich ungeeignet abgelehnt und haben sich in der Ver-gangenheit als ungeeignet erwiesen.

Versorgungsstrukturen, Fairer Wettbewerb

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein stellt fest, dass die bestehenden Strukturen in der ambulanten Versorgung mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten von großer Bedeutung sind, um die Probleme des demografschen Wandels zu bewältigen. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, zügig Grundlagen für einen fairen Wettbewerb zwischen sämtlichen Versorgungsstrukturen zu schafen.

Kostenerstattung in der öfentlichen Diskussion

Äußerungen von Politik oder Krankenkassenverbänden, Kosten-erstattung als Transparenzabrechnung sei ein Instrument, um Patienten zu übervorteilen, werden mit Nachdruck zurückgewiesen. Mit dieser Behauptung wird das in weiten Lebensbereichen der sozialen Marktwirtschaft übliche Prinzip, für eine erbrachte Leistung eine Rechnung zu erstellen, in für Ärztinnen und Ärzte inakzeptabler Weise desavouiert. Kostenerstattung hat mit „Vorkasse“ nichts zu tun. Neben der Schafung von Transparenz dient die Kostenerstattung dem Ziel, ärztliche Leistung nach Qualität und Umfang, wie es nach der Berufsordnung geboten ist, wieder möglich zu machen.

Versorgungsstrukturen – Gegen Verquickung von Körperschaften und Kapitalgesellschaften

Von Mitgliedern ärztlicher Körperschaften gegründete oder auch mittelbar mitbetriebene Versorgungsstrukturen, die Kapitalgesell-schaften oder Institute der Finanzwirtschaft als Anteilseigner oder Kapitalgeber einbeziehen, werden abgelehnt. Solche Strukturen ebnen den Befürwortern einer Industrialisierung der Gesund-heitsversorgung den Weg und stellen eine Konkurrenz in einem anzunehmender Weise unfairen Wettbewerb zu den bestehenden Versorgungsstrukturen dar.

Entschließungen der Kammerversammlung

Aekno2011_v42_fpp.indd 14 23.08.11

Page 16 - Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper

This is a SEO version of Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper. Click here to view full version

« Previous Page Table of Contents Next Page »