Gutachtliche Entscheidungen
Allgemeinmedizin Gutachtliche Entscheidungen | 17 Behandlungsfehlervorwürfe gegen hausärztlich tätige Ärzte zunahme“ zwar jeweils ein EKG abgeleitet, aber ein Belastungs-EKG erst für acht Tage später vorgesehen. Dieses wurde vom Patienten abgesagt, da er sich „zu schwach fühlte“; es fand erst nach einer Woche statt: Ohne vorherigen Arztkontakt zeigte das Ruhe-EKG einen abgelaufenen ausgedehnten Vorderwandspit- zeninfarkt im Zwischenstadium, der vom Arzt in Er- mangelung einer Inaugenscheinnahme des EKGs nicht erkannt wurde. Grob fehlerhaft erfolgte im Anschluss ein Belastungs-EKG bis 175 Watt und fehlerhaft ohne Arzt-Anwesenheit. Auch der Rat an den infarktgeschä- digten Patienten, im eigenen PKW eine Klinik aufzu- suchen statt ihn im RTW mit Arztbegleitung dorthin transportieren zu lassen, war unzureichend (mehr- faches Organisationsverschulden). Andere Diagnosefehler Zwischen Januar 2007 und August 2008 wurde bei ei- nem 80-Jährigen mit rezidivierenden Angina-pectoris- Beschwerden, Hypercholesterinämie und arterieller Hypertonie 26-mal ein Ruhe-EKG mit Echokardio- graphie und 15-mal eine Lungenfunktion sowie regel- mäßig eine Abdomensonographie, aber behandlungs- fehlerhaft zu keinem Zeitpunkt ein Belastungs-EKG durchgeführt oder eine weiterführende kardiologische Diagnostik veranlasst, sodass die hochgradige Einge- fäßerkrankung erst erkannt und behandelt wurde, als der Patient im Januar 2009 bei unklarem Lebertumor von 8 x 11 cm zur PE eingewiesen wurde. Außer Er- dulden der Überdiagnostik kein Gesundheitsschaden. Bei einem 66-jährigen Patienten mit seit drei Wochen rezidivierendemFieber mit Abgeschlagenheit und Hus- ten wird nach Labor und Röntgenthorax mit dortiger Empfehlung einer Computertomographie und eines kardiologischen Konsils über vier Wochen eine akute Mitralklappenendokarditis durch Streptokokken ver- kannt, obwohl deutlich erhöhte Entzündungswerte (CRP von 46,6mg/l), eine neu aufgetretene Herzver- größerung, ein leichter beidseitiger Pleuraerguss und weiterhin Fieberschübe abends und nachts vorlagen. Die laut Arzt erteilte Aufforderung, einen Kardiolo- gen aufzusuchen, wird vom Patienten bestritten. Nach Überweisung wurden eine Darmspiegelung und eine Bronchoskopie durchgeführt und ein Antibiotikum, ein Kortikoid-Präparat, ein Betablocker und ein Di- uretikum verabreicht. Die Auskultation mit dem Er- gebnis eines „leisen Systolikums, sonst o.B.“ bei einem nicht angeforderten Hausbesuch am 17. Tag hat laut Patient nicht stattgefunden. Fünf Tage später ist der CRP-Wert unter Antibiotika mit 30mg/l noch erhöht; ein aus technischen Gründen nicht sachgerecht abge- leitetes, nicht bewertbares EKG wird nicht wiederholt. Bei Zustandsverschlechterung weist sich der Patient am 29. Tag selbst ein. Die Schwere der Klappenzerstö- rung und die Zeitdauer der Beschwerden werden dem Arzt als Gesundheitsschaden zugerechnet. Behandlungsfehler bei Diabetes Typ2 Behandlungsfehlervorwürfe in Bezug auf die Betreu- ung eines Diabetes mellitus wurden 9-mal erhoben und waren sechsmal begründet, darunter der Fall eines 51-Jährigen mit Diabetes mellitus Typ 2, der seit sechs Jahren von seinem Hausarzt vierteljährlich im DMP betreut wurde und ihm die fehlerhafte Behandlung einer geröteten Zehe vorwirft, die innerhalb einer Woche unter Lokaltherapie und Gabe eines Antibioti- kums gangränös wurde und bei festgestellten Osteoly- sen amputiert werden musste. Die Lokalmaßnahmen waren in diesem kurzen Zeitraum zwar sachgerecht erfolgt, allerdings war die Führung des Patienten trotz berechtigt unberechtigt 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 Grafik 3: Häufige Vorwürfe* mit Fehlerquoten gegenüber hausärztlich tätige Ärzte (n=389 Verfahren, davon 222 Diagnosefehlervorwürfe (69 begründet) und 167 Behandlungsfehlervorwürfe (51 begründet) DF Einzeldiagnose 27/106, 25 % DF Tumorerkrankung 19/62, 31 % DF akutes Abdomen 12/24, 50 % DF akutes Koronarsyndrom 9/16, 56 % DF Zerebrale Symptomatik 2/14, 14 % BF Einzelbehandlungen 13/67, 19 % BF Medikamente 19/54, 35 % BF Injektion 13/27, 48 % BF p.o. Nachbehandlung 0/10, 0 % BF Diabetes mellitus 6/9, 67 % * ein Vorwurf pro Verfahren
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=