Gutachtliche Entscheidungen

42 | Gutachtliche Entscheidungen Neuromonitoring in der Schilddrüsenchirurgie Unter den möglichen Folgen einer Schilddrüsenopera- tion wie Stimm-Beeinträchtigung oder – Verlust, Neben- schilddrüsen-Funktionseinbuße, Infektion oder kos- metisch unbefriedigende Narbenbildung steht nach Häufigkeit und patientenseitiger Befürchtung die Stimmbandnervenlähmung deutlich voran. Seit kon- sequenter Einhaltung der präparatorischen visuellen Darstellung der Stimmbandnerven hat deren verbes- serte Schädigungsvermeidung die Nervenlähmungs- rate von zuvor zwischen fünf und zehn Prozent auf mittlere ein bis drei Prozent gesenkt, in spezialisierten Händen sogar unter ein Prozent. Die Einführung des apparativenNeuromonitorings der Nn. laryngei recurrentes, das von Flisberg et al [ 1 ] erst- mals 1970 beschrieben und erst mit technischer Reife in den letzten 20 Jahren zu breiter Anwendung und Akzeptanz gelangt ist, stellt ein Verfahren dar zur Sicherheitsverbesserung und damit auch einer Scha- densvermeidung. Es vermag das bestehende Risiko einer Stimmbandnervenlähmung nicht restlos zu be- seitigen, bietet aber bei korrekter Anwendung die rea- listische Aussicht, den „SuperGau“ einer beidseitigen N. recurrens-Parese nahezu auszuschließen. Die wiederholte Befassung der Gutachterkommission mit Klageführung über erlittene Stimmbandnerven- lähmung im Zusammenhang mit einem inadäquaten Einsatz des Neuromonitorings – oder fehlerhafter Do- kumentation – veranlasst zu diesem Hinweis für eine korrekte Verfahrensweise (siehe T abelle) . Eine typische Kasuistik aus den Kommissionsentscheidungen sei dem vorangestellt: Bei einer zum Zeitpunkt der Behandlung 61-jährigen Patientin mit „multinodöser retrosternal eintauchen- der Struma im Stadium III“ mit Euthyreose und nach einjähriger Thyroxin-Behandlung wegen unverändert fortbestehenden Druck- und Globusgefühls wurde in- ternistischer- und chirurgischerseits die Operations- indikation gestellt. Nach üblichen Voruntersuchungen inklusive regulärem HNO-ärztlichen Kehlkopfbefund sowie rechtzeitiger und inhaltlich korrekter Eingriffs- aufklärung erfolgte die Operation durch einen Ober- arzt mit Hilfe zweier Assistenzärztinnen in einer Ab- teilung für Viszeralchirurgie eines Krankenhauses der Regelversorgung. Das Eingriffsprotokoll nennt als Operation: „DUN- HILL-Resektion mit Hemithyreoidektomie rechts und Near-total-Resektion links mit Neuromonitoring“. Be- gonnen wird auf der rechten Schilddrüsenseite. Nach Zugang und Freilegung der Schilddrüse heißt es im OP-Bericht: „Es erfolgt in Dissektionstechnik an der Grenzlamelle die Umfahrung der Schilddrüse mit Prä- paration der oberen Polgefäße, welche unterbunden werden. Die Epithelkörperchen werden dargestellt und Damit das Neuromonitoring bei einer Schilddrüsenoperation das Risiko für eine Lähmung der Stimmbandnerven mindern kann, muss es korrekt angewendet werden. von Hans-Dietrich Röher, Karl Joseph Schäfer und Beate Weber Fehler bejaht BF- Quote in % v. n n Anteil in % v. n 01.01.2010–31.12.2015 Begutachtungen 2.801 29,9 9.380 100,0 Vorwürfe zu Schilddrüsenoperationen 23 31,9 72 0,8 davon mit operativen Fehlern 18 25,0 Risikoaufklärungsfehler 6 8,3 Haftung für Rekurrensparese 15 44,1 34 0,4 01.01.2004 – 31.12.2009 Begutachtungen 2.650 31,2 8.495 100,0 Vorwürfe zu Schilddrüsenoperationen 17 24,6 69 0,8 davon mit operativen Fehlern 12 17,4 Risikoaufklärungsfehler 2 2,9 Haftung für Rekurrensparese 12 27,9 43 0,5 Tabelle: Vorwürfe zu Schilddrüsenoperationen in der Allgemein- und Viszeral- chirurgie der abgeschlossenen Verfahren bei der Gutachterkommission Nordrhein der Jahre 2004 bis 2009 und 2010 bis 2015 Chirurgie

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=