Gutachtliche Entscheidungen
Gutachtliche Entscheidungen | 53 Fehlerhafte Primärdiagnostik beim Mammakarzinom diagnostiziert werden, die sonst lebenslang unerkannt geblieben wären und keine Beschwerden verursacht hätten („Überdiagnose“). In Nordrhein-Westfalen leben etwa 18 Millionen Menschen, davon 9,4 Mil- lionen in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln, für die die Gutachterkommission Nordrhein zuständig ist. Nach dem Epidemiologischen Krebs register Nordrhein-Westfalen – Datenreport 2013 [3] wurden in NRW 16.797 Neuerkrankungen mit Brust- krebs bei Frauen registriert. Für die Regierungsbe- zirke Düsseldorf und Köln muss man daher von etwa 9.000 Neuerkrankungen pro Jahr ausgehen. Ziel des Mammographie-Screenings ist es, Brustkrebs möglichst frühzeitig in prognostisch günstigerem Sta- dium zu entdecken. Weiterhin, die Rate der Intervall- karzinome möglichst gering zu halten und damit auch die Zahl der falsch-negativen Diagnosen zu minimie- ren. Es gilt, durch die Ausschöpfung der neben der Mammographie möglichen Bildgebung (Sonographie / MRT) unnötige Biopsien zu vermeiden [4]. Zum einen wegen der Komplikationen oder Narben, vor allem aber auch in Hinblick darauf, dass Patientinnen mit häufigeren Biopsien „müde“ werden und eine weitere Diagnostik im Verlauf womöglich ablehnen. Der Er- mittlung der Intervallkarzinome und von falsch-ne- gativen Befunden („minimal signs beziehungsweise missed cancer“) kommt im Rahmen der Qualitäts- sicherung des Screenings eine große Bedeutung zu, da diese Fälle, die gerade vermehrt in den dichten Mammae gefunden werden, genutzt werden können, um Fallstricke zu erkennen und die Qualität zukünf- tiger Untersuchungen durch systematisches Review zu verbessern. Patientinnen hätte durch die Vorsorge die Chance be- standen, das bestehende Mammakarzinom frühzeitig zu erkennen und eine Prognoseverschlechterung zu vermeiden. Diskussion Mit etwa 70.000 Neuerkrankungen jährlich ist Brust- krebs die häufigste Krebserkrankung der Frau, die zudem meist frühzeitig, das heißt vor dem 55. Le- bensjahr auftritt. Laut dem Krebsregister des Robert- Koch-Instituts [2] stieg die Zahl der Neuerkrankungen (in 2004 ging man von 55.000 Neuerkrankungen bundesweit aus) seit Einführung des Mammographie- Screenings in Deutschland ab 2005 zunächst sprung- haft auf 72.000 an, ist aber seit 2009wieder leicht rück- läufig. Man geht davon aus, dass in der ersten Phase des Screenings viele Tumore deutlich früher entdeckt wurden als ohne Screening – insbesondere wenn noch kein Tastbefund vorliegt – und dass auch einige Tumore Tabelle 4: Kausalschaden Therapieverzögerung Fehler bei Primärdiagnostik 55 100,0 % bis wenige Wochen 13 23,6 % 3–6 Monate 18 32,7 % > 6–9 Monate 7 12,7 % > 9–12 Monate 6 10,9 % > 12–24 Monate 6 10,9 % > 24 Monate bis 36 Monate 5 9,1 % Tabelle 5: Tumorstadium zum Zeitpunkt der Erkennung und Gutachterliche Einschätzung der Prognoseverschlechterung Fehler bei Primärdiagnostik (55 Patientinnen) Stadium n. TMN-Klassifikation nach UICC bzw. AJCC (2003); Zahlen in Klammern=Screening Einschätzung Prognose in Bezug auf Stadium/Therapie (-verzögerung) n 0 I IIA IIB IIIA IIIB IIIC IV n 55 3 17 18 5 7 1 2 2 Nicht bewert-(et/bar) 4 / / 2 (1) / 1 / / 1 Keine Änderung 31 3 17 (6) 9 (2) 1 1 / / / Verschlechterung 20 / / 7 4 (1) 5 1 2 1 Gynäkologie
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