Gutachtliche Entscheidungen

88 | Gutachtliche Entscheidungen Neurologie Behandlungsfehlervorwürfe bei verwirrten oder bewusstseinsgestörten Krankenhauspatienten Für eine Fortbildungsveranstaltung mit dem Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein (IQN) zum Thema „Das Durchgangssyndrom/Delir – Diagnose, Therapiemöglichkeiten und rechtliche Situation“, die am 29. August 2018 in der Ärztekammer Nordrhein stattfindet, hat die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler in Nordrhein die Begutachtungen von Patienten mit im Gutachten erwähnten Bewusst- seinsstörungen oder Verwirrtheit ausgewertet. Ein- schränkend muss darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um eine retrospektive Analyse der Daten- bankdokumentation vonBegutachtungen zu vorgewor- fenen Behandlungsfehlern handelt. Die festgestellten Behandlungsfehler stellen Einzelfallentscheidungen dar, die eine Verallgemeinerung nicht zulassen. Folgt man Literaturangaben, so erleiden je nach ope- rativem Spektrum und Patientenklientel etwa ein Drit- tel bis die Hälfte aller operierten Krankenhauspatien- ten im Rahmen des Aufenthaltes eine akute Störung des Bewusstseins und/oder der Aufmerksamkeit [ 1 , 2]. Nachdem früher das Auftreten eines sogenannten „Durchgangssyndroms“ im Rahmen einer schwer- wiegenden Erkrankung bei einer Krankenhausbe- handlung allgemein akzeptiert wurde, ist es in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit, der Ärzte und Pflegekräfte sowie der Rechtsprechung gerückt. Heutzutage steht die Prävention eines Delirs im Vor- dergrund. Es gilt, Risikopatienten ausfindig zu ma- chen und diese gezielt zu überwachen [ 1 , 4]. Neben den hohen Kosten, die das Auftreten eines Delirs ver- ursacht, gilt das ärztliche Augenmerk vor allem dem betroffenen Patienten. So gibt es gerade von jünge- ren Patienten Berichte über das traumatische Erleben („Schlangen im Kopf“) und nachfolgende, teils dauer- haft anhaltende kognitive Leistungsstörungen bis hin zum Verlust der Selbstständigkeit [3, 4]. Das Auftreten einer Bewusstseinsstörung stellt damit nicht nur für den betroffenen Patienten und seine An- gehörigen, sondern auch für die Pflegekräfte und Ärz- te eine schwierige, unter Umständen auch bedrohliche Ausnahmesituation dar. Nicht jede Bewusstseinsstö- rung eines Patienten ist dabei für die Pflegekräfte und Ärzte sofort erkennbar. Daher sind Angaben der An- gehörigen, dass der Patient „verändert zu sein scheint“, immer sehr ernst zu nehmen. Auch wenn die Ärztin oder der Arzt letztendlich die Verantwortung für das Wohl des Patienten trägt und deshalb - etwa im Rahmen einer Visite – von sich aus seinen Blick auch auf etwaige Bewusstseinsstörun- gen des Patienten lenkt, kann er im Übrigen erst tätig werden, wenn er informiert wurde. Damit kommt den Pflegekräften eine hohe Verantwortung für den Pa- tienten zu, die durch den Krankenhausträger gewähr- leistet sein muss. Dieser haftet nach § 278 BGB auch für Fehler des Pflegepersonals (Haftung für Erfül- lungsgehilfen). Dabei handelt es sich regelmäßig auch um eigenmächtige Handlungen, beispielsweise bei der Abgabe von nicht ärztlich autorisierten Medikamenten [5]. Selbst Straftaten des Gehilfen führen nicht per se zur Verneinung der Zurechnung [6]. In Kooperation mit den Pflegekräften muss der Arzt häufig entscheiden, ob eine über das übliche Maß einer Normalstation hinausgehende Überwachungs- pflicht besteht, ob und gegebenenfalls welche Schutz­ Unruhezustände eines Patienten mit und ohne Bewusstseinsstörungen können einfache Ursachen haben wie ein Flüssigkeitsdefizit oder Schmerzen. Sie können aber auch Vorbote einer ernstzunehmenden Erkrankung sein, die eine abklärende Befunderhebung und Überwachung bis hin zu freiheitsentziehenden Maßnahmen erfordern kann. Bei der Betreuung von verwirrten oder bewusstseinsgestörten Krankenhauspatientinnen und -patienten besteht ein spezielles Risiko für Behandlungsfehler. von Beate Weber, Johannes Köbberling und Rainer Rosenberger

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