Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2021

106 | Jahresbericht 2021 Ärztekammer Nordrhein Rechtsabteilung Interventionsprogramm Laut Bundesministerium für Gesundheit und So- ziales gibt es in Deutschland aktuell knapp 17 Mil- lionen Menschen, die an einer Suchterkrankung leiden. Unter ihnen sind auch Ärztinnen und Ärzte, denn der Beruf bringt oft eine überdurchschnitt- liche Arbeitsbelastung und enormen Druck durch große Verantwortung mit sich. DiemeistenMeldungen an die Ärztekammer über womöglich suchterkrankte Ärztinnen oder Ärzte erfolgen auf Grundlage der Mitteilung in Straf- sachen, die sogenannte MiStra, durch die Staats- anwaltschaften. Dort ist in Nr. 26 die Meldepf licht für straffällig gewordene Angehörige von Heil- berufen geregelt. Wenn die Staatsanwaltschaft zum Beispiel Anklage erhebt, weil eine Ärztin oder ein Arzt betrunken Auto gefahren ist oder unter Drogeneinf luss körperliche Gewalt ausge- übt hat, ergeht automatisch auch eine Meldung an die Kammer. Für suchtkranke Ärztinnen und Ärzte haben die Ärztekammern in den Ländern in den ver- gangenen Jahren strukturierte Behandlungs- und Betreuungsprogramme aufgebaut. Damit soll si- chergestellt werden, dass Betroffene mit ihrer Er- krankung nicht alleine gelassen werden und die Sicherheit der Patienten gewährleistet ist. Die Ärzte- kammer Nordrhein bietet das „Interventions- programm für abhängigkeitskranke Ärzte“ an. Ziel des Interventionsprogramms ist es, auffällig ge- wordene oder gemeldete Ärztinnen und Ärzte nicht umgehend mit einer Ruhelegung der Approbation zu bestrafen, sondern zunächst einmal abzuklären, inwieweit der gemeldete Vorfall tatsächlich auf eine Abhängigkeitserkrankung zurückgeht und wenn ja, inwieweit Behandlungsbereitschaft besteht. In einem ersten Gespräch macht sich der Leiter des Programms ein Bild über die Lage der betroffenen Person. Alles Weitere wird im Heilberufsgesetz NRW geregelt. Eine der Kernaufgaben der Ärztekammer ist die Durchführung der Berufsaufsicht (§ 6 Abs. 1 Ziff. 6 des Heilberufsgesetzes NRW). Die Landes- ärztekammern sind ihren Mitgliedern gegenüber nicht nur zur Fürsorge verpf lichtet, sondern müs- sen gegebenenfalls auch sanktionierende Maß- nahmen einleiten, etwa wenn ein Arzt unter Dro- geneinf luss Patienten behandelt. Abgestufte Sank- tionsmöglichkeiten reichen von der Rüge über den Verweis oder die Entziehung des passiven Be- rufswahlrechts bis hin zur Geldbuße. Erst ganz am Ende der Eskalationsskala steht eine vom Be- rufsgericht ausgesprochene Feststellung der Unwür- digkeit, den Arztberuf auszuüben. Wenn die Ärztekammer über die Vermutung ei- ner Suchterkrankung informiert wird, prüft sie daher auch, ob berufsrechtliche Ermittlungen ein- zuleiten sind. Ferner ist sie, wenn der Verdacht be- steht, dass Ärzte gesundheitlich nicht mehr geeignet sind, den ärztlichen Beruf auszuüben, verpf lichtet, diesen Verdacht an die Approbationsbehörde wei- terzugeben. Der Approbationsbehörde, in Nordrhein die Be- zirksregierungen Köln oder Düsseldorf, kommt die Aufgabe zu, im Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Berufsfreiheit einerseits und dem Patienten- schutz andererseits zu entscheiden, ob es bei einer Abhängigkeitserkrankung zum Ruhen oder gar zum Entzug der Approbation kommen muss. Die Rechtsprechung hat für die ärztliche Tätigkeit ein- deutig geregelt, dass bei der Arbeit die Null-Promil- le-Grenze gilt. Aber auch wenn die Ärztin oder der Arzt im Beruf unauffällig ist, kann die Approbation bei einer festgestellten Suchterkrankung entzogen werden, da jede Gefahr für das Wohl der Patienten vermieden werden muss. Bei der Entscheidung der Approbationsbehör- de ist allerdings nicht zuletzt das sogenannte „Nachtatverhalten“ entscheidend. Entschließt sich eine Ärztin oder ein Arzt zur Teilnahme am Inter- ventionsprogramm oder einem vergleichbaren Pro- gramm und kann so über einen längeren Zeitraum seine Abstinenz nachweisen, spielt dies bei der Ein- schätzung der Approbationsbehörde regelmäßig eine große Rolle. Schlichtung nach § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) Die Ärztekammer Nordrhein überwacht als Zu- ständige Stelle nach § 76 Abs. 1 Berufsbildungsge- setz (BBiG) die Berufsausbildung und berät die an der Berufsausbildung beteiligten Personen bei Be- darf. Auf Antrag einer oder beider Parteien führt die Ärztekammer bei laufenden Ausbildungsverhält- nissen gemäß § 9 Abs. 1 Muster-Ausbildungsver- trag Schlichtungen durch, soweit dies gewünscht wird. Vor Inanspruchnahme des Rechtsweges soll eine gütliche Einigung unter Mitwirkung der Ärztekammer angestrebt werden. Die Schlichtungs- gespräche werden unter Mitwirkung der ehrenamt- lichen Ausbildungsbeauftragten der Kreisstellen vor Ort durchgeführt. Bei besonders gelagerten Fällen, wenn eine Kündigung droht und bei anwaltlicher Vertretung der Parteien unterstützt die Rechtsab-

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