Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2021
Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2021 | 109 Rechtsabteilung kann nicht abstrakt-generalisierend erfolgen, son- dern ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit und der Sicherung des Werbeverbots vorzunehmen. Urteil: Werbung mit verschreibungspflichtigem Arzneimittel Eine interessante Entscheidung des Landgerichts Köln vom 8.10.2020 (AZ 81 O 28/20) betraf die Wer- bung mit dem verschreibungspf lichtigen Arznei- mittel Ketamin im Internet. Die Wettbewerbszentrale verklagte einen Arzt wegen unlauterer Werbung und eines Verstoßes ge- gen arzneimittel- sowie heilmittelwerberechtliche Vorschriften. Sie vertrat die Auffassung, dass die Bewerbung durch den Beklagten gegen § 10 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) verstoße, wo- nach verschreibungspf lichtige Arzneimittel nicht gegenüber Verbrauchern beworben werden dür- fen. Bei der Werbung mit dem Wirkstoff Ketamin handele es sich um Werbung mit einem verschrei- bungspf lichtigen Arzneimittel. Zugleich liege ein Verstoß gegen § 3 a HWG vor, wonach Werbung mit zulassungspf lichtigen Arzneimitteln unzuläs- sig sei. Auch wurde ein Verstoß gegen § 27 Abs. 3 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztin- nen und Ärzte (BO) wegen anpreisender Werbung im Internet geltend gemacht. Die Klage wurde vom Landgericht (LG) Köln abgewiesen. Es urteilte, § 10 HWG finde hier in verfassungskonformer Auslegung keine Anwen- dung. § 10 Abs. 1 HWG stehe nur insoweit mit der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 des Grundgesetzes (GG) im Einklang, als einer Verleitung zur Selbst- behandlung bestimmter Krankheiten und Leiden entgegengewirkt werden soll. Das Verbot besitze aber im Bereich der Selbstdarstellung der Ärzte kei- ne eigenständige Bedeutung. Hier überwiege das in der Berufsfreiheit verankerte Recht des Beklag- ten auf Darstellung seiner Behandlungsmethode, eine mögliche Anwendung des § 10 Abs. 1 HWG. Vorliegend komme es wesentlich auf die Nennung des Wirkstoffes Ketamin für die Behandlung an. Um den Patienten die Behandlungsmethode (Off- Label-Use) bekannt zu machen, müsse es möglich sein, den Wirkstoff zu nennen. Die Behandlungs- methode sei im Übrigen nicht dazu geeignet, Pati- enten zur Eigenbehandlung zu animieren, da die Verabreichung der Infusionslösung unter ärztlicher Aufsicht erfolgen müsse. Auch ein Verstoß gegen § 27 BO liege nicht vor. Zwar werde die Ketamin-Therapie deutlich positiv dargestellt, sie sei aber nicht reißerisch, sondern als sachliche berufsbezogene Information einzustufen. Das rechtskräftige Urteil ist für die Beratungs- praxis der Ärztekammer relevant. Arztwerbung für Wertgutschein auf einer Rabatt-Plattform Im Berichtsjahr wurde ein von der Wettbewerbs- zentrale zunächst beim Landgericht (LG) Köln geführtes Verfahren (AZ 84 O 128/19) wegen der irreführenden Werbung von zwei Ärzten auf einer Internet-Plattform mit einem Wertgutschein über 499,00 Euro im Berufungsverfahren vom Senat des Oberlandesgerichtes (OLG) Köln überraschend anders beurteilt als in der 1. Instanz. Die Ärzte hat- ten auf der Internet-Plattform einen Wertgutschein über 499,00 Euro, anrechenbar auf eine Faltenre- duktion an einer Zone nach Wahl für eine Person, angeboten. Das LG Köln hatte die Werbung der Ärz- te für irreführend gehalten, weil der angesproche- ne Verkehr das Angebot dahingehend verstehe, dass die Ärzte die beworbene Behandlung zum Preis von pauschal 499,00 Euro durchführen (Urteil vom 30.10.2019 - AZ 84 O 128/19). Vor dem LG Köln hat- ten die Ärzte vorgetragen, dass eine Abrechnung nach der Behandlung und innerhalb des Gebühren- rahmens stattfinde. Die Beklagte legte gegen das Urteil des LG Köln Berufung beim OLG Köln ein. Der Senat des OLG Köln vertrat zur Überraschung der Wettbewerbs- zentrale die Auffassung, dass der Verbraucher den Hinweis, dass der Gutschein nur „anrechenbar“ sei, so verstehe, dass damit dann gegebenenfalls auch nur ein entsprechender Teilbetrag gezahlt werden könne. Die Wettbewerbszentrale erklärte darauf- hin den Verzicht auf die Klageansprüche, sodass ein entsprechendes Verzichtsurteil ergangen ist. In der Beratungspraxis wird man sich daher in zu- künftigen Fällen dieser Art nicht mehr auf das Urteil des LG Köln vom 30. Oktober 2019 berufen können. Ausländische Titel und Grade Im Berichtsjahr hat die Anzahl der Eintragung ausländischer Titel und Grade wieder erheblich zugenommen. Kammerangehörige baten um die Eintragung ausländischer Professorentitel, aus- ländischer Doktortitel und die Eintragung von Berufsdoktoraten und Masterabschlüssen. Es ist festzustellen, dass häufig auch um die Eintragung von Titeln aus anderen Fachgebieten (zum Beispiel
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=