Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2021
Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2021 | 17 Kammerversammlung nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen und Krankenhäusern, die sich öffent- lich für die Einhaltung der Abstands-, Hygiene- und Maskenregeln einsetzten, zum Teil mit Hassmails, Gewaltandrohungen und Schmähungen überschüt- tet würden. Es sei eine untragbare Situation, wenn medizinisches Personal, das während der ersten Coronawelle Tod und Sterben vieler Patienten er- lebt habe, solche Anwürfe und Bedrohungen aus- halten müsse, sagte Zimmer. „Damit es nicht zu einer Überforderung des Ge- sundheitssystems kommt, bedarf es unser aller Anstrengung, die Neuinfektionszahlen weiter zu senken“, erklärte Henke. Als „Hoffnungsträger“ im Kampf gegen die Pandemie bezeichnete er die in Entwicklung befindlichen Impfstoffe. Seinerzeit hatten die Pharmaunternehmen Pfizer und Bion- tech erste Daten zu ihrem RNA-Impfstoff vorgelegt. Schutzschirme für Kliniken und Praxen Wie schon in der ersten Welle der Pandemie müssten Schutzschirme über Praxen und Kran- kenhäuser gespannt werden, um COVID-bedingte Mindererlöse auszugleichen, sagte der Kammerprä- sident. Außerdem müssten die für die Pandemie- kontrolle unersetzlichen Gesundheitsämter materi- ell und personell besser ausgestattet werden. Den „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ von Bund und Ländern hatte Henke in einem ausführ- lichen schriftlichen Lagebericht, der im Vorfeld der Sitzung an die Kammerversammlung verschickt worden war, als wichtigen Schritt nach vorn be- zeichnet. Vier Milliarden Euro stellt der Bund dafür bis 2026 zur Verfügung. Hinzu kommen 50 Millio- nen Euro, die in diesem Jahr für Investitionen in die Digitalisierung der Gesundheitsämter fließen sollen. Insgesamt sollen bis Ende 2022 5.000 zusätzliche Stellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst geschaf- fen werden. Allerdings wies Henke darauf hin, dass noch immer eine beträchtliche Lücke zwischen den Gehältern der Ärztinnen und Ärzte in den Ge- sundheitsämtern und denen der Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern und beim Medi- zinischen Dienst der Krankenversicherung klafft. Um qualifizierte Ärztinnen und Ärzten für den Öf- fentlichen Gesundheitsdienst gewinnen zu können, müsse auch für diese ein arztspezifischer Tarifver- trag abgeschlossen werden. Ärztliche Expertise nutzen Die an den Lagebericht anschließende Aussprache prägten drei Themen: der Umgang mit der Corona- pandemie, notwendige Priorisierungsentscheidun- gen beim Impfen und die seinerzeit aufkommen- de Debatte über den ärztlich assistierten Suizid. Sebastian Exner (Stolberg) sprach sich dafür aus, dass die Politik die gesamte Bandbreite der ärzt- lichen Expertise zur Bewältigung der Corona- pandemie nutzen solle. In der Öffentlichkeit und den Medien würden insbesondere Virologen und Intensivmediziner als gefragte Fachexperten gel- ten. „Man muss aber berücksichtigen, dass von 20 Coronafällen 19 im ambulanten Bereich behan- delt werden“, gab Exner zu bedenken. „Da sind vorrangig die niedergelassenen Ärzte, allen voran die Hausärzte, gefragt. Deren Expertise imUmgang mit der Coronapandemie, mit den Angehörigen, mit den Gesundheitsämtern, der findet in der öffent- lichen Wahrnehmung und in den Beratungs- gremien der Politik in meinen Augen nicht oder viel zu wenig statt.“ Durch öffentlich ausgetragene Fachdiskussionen von Virologen und Intensivmedi- zinern seien in der Vergangenheit große Teile der Bevölkerung verunsichert worden. Er sehe es pri- mär als ärztliche Aufgabe, durch Ruhe und Sach- lichkeit zur Information der Bevölkerung beizutra- gen, sagte Exner. „Wir können die Pandemie nur gemeinsam bekämpfen. Spaltungstendenzen müssen wir entgegentreten.“ Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein
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