Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2021
18 | Jahresbericht 2021 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung Auch Dr. Oliver Funken (Rheinbach) plädierte dafür, die pragmatischen Erfahrungen der nieder- gelassenen Ärzte in die Beratergremien zur Bewäl- tigung der Coronapandemie einf ließen zu lassen. Die ärztlichen Fachdisziplinen hätten unterschied- liche Sichtweisen auf die Pandemie. Daraus resul- tierten unterschiedliche Äußerungen, die in der Öffentlichkeit den Eindruck von Zerstrittenheit erweckten. Funken sprach sich dafür aus, dass die Bundesärztekammer hier eine Moderatoren- rolle einnehmen solle. Dr. Sven Dreyer (Düsseldorf ) hob die gute Zusammenarbeit von niedergelas- senen Ärzten und Krankenhausärzten bei der Be- wältigung der Pandemie hervor. „Wir stehen zu- sammen wie kaum jemals zuvor“, sagte er. „Ich erle- be sehr dankbare Klinikärzte, die sich freuen, dass niedergelassene Kolleginnen und Kollegen drau- ßen kämpfen, damit die Betten nicht überbelegt werden. Und ich erlebe niedergelassene Kolle- ginnen und Kollegen, die dankbar sind, dass die Aufnahme auf den Stationen so schnell funktio- niert.“ Den Marathon der Pandemie-Bekämpfung könne man nur gemeinsam durchstehen, sagte Dreyer. Zum wirksamen Kampf gegen die Coronapande- mie gehöre es auch, die Bevölkerung sachgerecht über begrenzte medizinische Ressourcen aufzuklä- ren, forderte Wieland Dietrich (Essen). Er bezog sich auf die knapp werdenden Impfstoffe gegen die saisonale Grippe und Pneumokokken. Die Imp- fungen würden vor dem Hintergrund der Pande- mie vielfach auch von Menschen wahrgenommen, für die die Ständige Impfkommission diese nicht empfiehlt. Dasselbe gelte für die willkürliche In- anspruchnahme von Coronatests. Dabei arbeite- ten die Labore an der Leistungsgrenze und Test- material werde knapp. Es sei die Verantwortung von Politik und Krankenkassen, die Bevölkerung über begrenzte Ressourcen und die Notwendig- keit der Priorisierung nach sinnvollen ärztlichen und ethischen Maßstäben aufzuklären. „Es kann nicht Aufgabe der Ärzte sein, Mangellagen abzu- fangen, abzufedern, zu moderieren und gegen- über den Patienten zu kommunizieren“, sagte Diet- rich. Debatte über ärztlich assistierten Suizid Michael Lachmund (Remscheid) rief in der De- batte mit der Sterbehilfe ein Thema auf, das grund- legende ethische Fragen des ärztlichen Berufs be- rührt. Hintergrund der Diskussion war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020. Das Gericht erklärte darin das Verbot der geschäfts- mäßigen Förderung der Selbsttötung, wie es seit 2015 in § 217 des Strafgesetzbuches steht, für verfas- sungswidrig. In seinem schriftlichen Lagebericht hatte Kammerpräsident Henke erklärt, die rhei- nische Ärzteschaft habe sich seinerzeit vehement für das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung eingesetzt und sei entsprechend enttäuscht von dem Urteil des Bundesverfassungs- gerichts. „Der Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden ist ein Gradmesser für die Humanität der Gesellschaft“, betonte Henke in seinem Lage- bericht. Eine organisierte Ermutigung zur Selbst- tötung könne zu einem gesellschaftlichen Klima beitragen, in dem sich schwerkranke, pf legebedürf- tige oder behinderte Menschen zur Selbsttötung gedrängt fühlten. „Wir wollen aber nicht, dass die Selbsttötung und die Suizidassistenz zur gesell- schaftlichen Normalität werden“, so Henke. Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch auch ausdrücklich klargestellt, dass Ärztinnen und Ärz- te nicht zur Mitwirkung an einer Selbsttötung ver- pf lichtet werden könnten. „Ich bleibe dabei: Die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten ist es, unter Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Patien- „Es ist untragbar, wenn medizinisches Personal, das während der ersten Coronawelle T od und Sterben vieler Patienten erlebt hat, jetzt Bedrohungen ausgesetzt ist.“ Bernd Zimmer, Vizepräsident
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