Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2021
Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2021 | 21 Kammerversammlung appelliert daher an die Oberbürgermeister und Landräte in Nordrhein, nun unmittelbar in ihrem Verantwortungsbereich einen arztspezifischen, arbeits- marktadäquaten Tarifvertrag zu realisieren. Schließlich erneuert die Kammerversammlung ihre Forderung nach einer stärke- ren Koordination des Öffentlichen Gesundheitsdienstes über die Landesebene. Die lokale und regionale Ebene ist für die Bewältigung der Krise zwar von entscheidender Bedeutung. Sie muss jedoch durch eine starke überregionale und landesweite Koordination mit klaren Rahmenvorgaben unterstützt werden. Unter- schiedliche Vorgehensweisen der Gesundheitsämter führen gerade in benachbar- ten Kreisen und Städten zu Irritationen in der Bevölkerung und bei den weiteren Partnern in der Gesundheitsversorgung. Deswegen müssen die Strukturen auf Landesebene weiterentwickelt werden. Verteilung von Impfstoff gegen saisonale Influenza Die Mitglieder der Kammerversammlung erwarten von der Politik eine wirksame öffentliche Klarstellung, dass die noch ausstehenden Auslieferungen von Grippe- impfstoffen zielgerichtet für die Personenkreise verwendet werden müssen, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Die Mitglieder der Kammerversammlung erwarten außerdem von der Politik, die in der Öffentlichkeit entstandenen Kommunikationsdefizite bezüglich der Zielgruppe der Grippeimpfung aufzugreifen und nachdrücklich für ein Ver- ständnis der Bevölkerung zu werben, dass die noch erwartete Impfstoffmenge vorrangig den durch eine Influenza-Infektion besonders gefährdeten Risiko- gruppen vorbehalten sein soll. Die beim Robert Koch-Institut angesiedelte Ständige Impfkommission benennt hier Menschen ab 60 Jahren, Menschen mit chronischer Grunderkrankung, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr, medizinisches Personal, Kontaktpersonen von Menschen mit bestimmtem Risiko (Kokonstrategie), Schwangere. Impfen gehört in ärztliche Hand – Modellversuche in Apotheken sofort aussetzen Die Kammerversammlung fordert die sofortige Aussetzung der Modellversuche zur Grippeimpfung in Apotheken. Impfen ist eine ärztliche Aufgabe. Noch wider- sinniger sind die Modellversuche angesichts der aktuellen Herausforderungen der Coronapandemie und der derzeitigen Knappheit des Grippeimpfstoffes. Apotheken müssen sich in dieser Zeit auf ihre originären und herausfordern- den Aufgaben in der Impfstoffversorgung fokussieren. Die Durchführung von Impfungen in Apotheken hingegen läuft einer effektiven, bedarfsadjustierten Impfstrategie im Sinne der Ziele des Nationalen Impfplans zuwider. Impfungen in Apotheken sind medizinisch-fachlich unvertretbar, können das erforderliche hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit von Impfungen gefährden und sind zudem unter Versorgungsgesichtspunkten ineffektiv und teuer. Es besteht gerade bei der unzureichenden Belieferung der Praxen durch Apotheken die Gefahr, dass für die vorrangig zu Impfenden in Arztpraxen Impfdosen fehlen, die für Modell- versuchsimpfungen verbraucht wurden. Modellversuche dieser Art passen nicht in eine Zeit der Pandemie, in der alle vorhandenen Kräfte entsprechend ihrer Profession zielgerichtet und gebündelt eingesetzt werden müssen. Der Gesetzgeber wird dringend aufgefordert, die ent- sprechenden Regelungen unverzüglich auszusetzen. Die Impfung der Patienten muss in ärztlicher Hand bleiben. Denn nur Ärztinnen und Ärzte sind qualifiziert für die Impfanamnese, den Aus- schluss akuter Erkrankungen, die Aufklärung zur Impfung sowie für die Beherr- schung nie ganz auszuschließender Nebenwirkungen wie zum Beispiel allergischer Reaktionen. Diese Kompetenz erwerben Ärztinnen und Ärzte durch das sechs- jährige Medizinstudium. Sie wird durch die ärztliche Approbation attestiert. Apothekerinnen und Apotheker können diese Kompetenz nicht dadurch erwerben, dass sie – wie im Rheinland – eine insgesamt 9-stündige Schulung absolvieren. Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber auf, sicherzustellen, dass Schutzimpfungen im Zusammenspiel mit weiteren Präventionsleistungen in ärztlicher Hand bleiben. Refinanzierung des elektronischen Heilberufsausweises (eHBA) Ab 2021 wird der Einsatz des eHBA für Ärztinnen und Ärzte, die gesetzlich krankenversicherte Patientinnen und Patienten behandeln, zur Pflicht. So sollen z. B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausschließlich elektronisch an die entsprechende Krankenkasse übertragen werden. Die Übermittlung erfolgt inner- halb der Telematik Infrastruktur mittels eines KIM-Dienstes (Kommunikation im Medizinwesen). Der eHBA übernimmt hierbei die Funktion der Verschlüsselung und der rechtsverbindlichen Signatur auf der elektronischen Arbeitsunfähigkeits- bescheinigung (eAU). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die Deutsche Krankenhausgesell- schaft haben für Ärztinnen und Ärzte mit dem GKV-Spitzenverband jeweils eine Finanzierungsvereinbarung getroffen. Gemäß diesen Vereinbarungen erhalten Ärztinnen und Ärzte auf Antrag eine Erstattung von jährlich insgesamt 46,52 €. Allerdings betragen die tatsächlich anfallenden regelmäßigen Kosten rund 100 € pro Jahr. Eine weitere Maßnahme der Finanzierung zur Digitalisierung des deut- schen Gesundheitswesens geht somit zu Lasten der Ärztinnen und Ärzte. Vergleichbare (nichtärztliche) Signaturkarten verfügen aus technischer Sicht über identische Funktionen wie ein eHBA (Authentisierung, Verschlüsselung und qualifizierte elektronische Signatur). Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Eigenschaft als Arzt/Ärztin auf dem Zertifikat des eHBA hinterlegt ist. Die Signaturfunktion einer solchen allgemeinen Signaturkarte ist genauso rechtsver- bindlich, wie die Signatur eines eHBA. Die Kosten für eine solche Signaturkarte sind allerdings deutlich geringer. Für eine zielführende Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen ist eine breite Akzeptanz der Ärzteschaft zwingend notwendig. Dies sollte sich u. a. in einer fairen Refinanzierung des eHBA widerspiegeln. Die Kammerversammlung fordert, dass die bundesdeutsche Gesundheitspolitik auf eine 100% Refinanzierung des eHBA für alle Ärztinnen und Ärzte im SGB V- Rechtsbereich hinwirkt. T-Systems: https://www.telesec.de/de/produkte/signaturkarte/ueberblick DGN: https://www.dgn.de/produkt/dgn-businesscard/ Bundesdruckerei: https://shop.secrypt.de/produkt/d-trust-einzel-signaturkarte/ Betriebsärztliche Kompetenz in Pandemiezeiten weiter stärken: Weiterentwicklung der Vorschrift 2 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Zeiten der Pandemie Die Kammerversammlung unterstützt den Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) in seinen Bemühungen, in Zeiten der Corona-Epidemie eine Weiterentwicklung der Vorschrift 2 der Deutschen Unfallversicherung zu erwirken. Während der Pandemiezeit ist der Beratungsaufwand für Betriebs- und Werks- ärzte im Rahmen der Grundbetreuung deutlich erhöht. Neben der Grundbetreuung entsteht ebenfalls ein erhöhter Aufwand besonders schutzbedürftiger Personen im betriebsspezifischen Teil der DGUV 2. Die betrieblichen Einsatzzeiten in der Grundbetreuung sollten in den jeweiligen Gruppen um 6 Minuten pro Beschäftigtem erhöht werden, unabhängig von der Gruppeneinteilung der Einsatzzeiten in der Grundbetreuung. Entschließungen der Kammerversammlung
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