Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2021

26 | Jahresbericht 2021 Ärztekammer Nordrhein Kammerversammlung haben ein psychisches Problem. Diese Menschen brauchen keine Sterbehilfe, sondern Unterstüt- zung“, sagte Bartels. Mehr Praxisorientierung im Studium Ein eigener Tagesordnungspunkt der Frühjahrs- Kammerversammlung war der geplanten Reform des Medizinstudiums gewidmet. Das Bundesminis- terium für Gesundheit hatte im November 2020 ei- nen Referentenentwurf zur Neufassung der Appro- bationsordnung für Ärztinnen und Ärzte vorgelegt. Kernpunkte sind eine stärkere Praxisorientierung im Studium, eine bessere wissenschaftliche Ausbil- dung, kompetenzorientierte Prüfungen sowie eine Stärkung der Allgemeinmedizin. Diese Ziele würden von allen Beteiligten im Ge- sundheitssystem unterstützt, auch vom Medizini- schen Fakultätentag (MFT), berichtete der Dekan der Medizinischen Fakultät der Rheinisch-Westfä- lischen Technischen Hochschule Aachen, Professor Dr. Stefan Uhlig, den Mitgliedern der Kammerver- sammlung. Die Kompetenzorientierung, die stär- kere Berücksichtigung der Dynamik in der medi- zinischen Forschung und der Versorgung sowie die frühe Verschränkung von klinischen Elementen mit der Lehre in den Grundlagenfächern wie Ana- tomie, Physiologie oder Biochemie seien klare Stär- ken der geplanten Reform. Klarheit über Kosten fehlt Risiken sieht Uhlig in der Umsetzung. Wichtige Fragen seien ungeklärt. Vertreter der Wissenschaft und der Länder hätten die Reformpläne bereits bei der Vorstellung unter Finanzierungsvorbehalt ge- stellt. Die Kostenschätzungen lägen zwischen 300 und 500 Millionen Euro jährlich. Genauer könne man es nicht beziffern, denn es sei zum Beispiel völlig offen, in welcher Höhe künftig den niederge- lassenen Praxen ihr Aufwand erstattet werde. Diese werden künftig im Rahmen von Blockpraktika und Praktischem Jahr verstärkt in die Lehre und in die mündlichen Prüfungen im dritten Staatsexamen eingebunden. „Die Deutsche Gesellschaft für All- gemeinmedizin geht davon aus, dass die niederge- lassenen Prüfer mit 30 Euro am Tag zufrieden sind. Der MFT geht eher von 100 bis 150 Euro am Tag aus“, erklärte Uhlig. Die niedergelassenen Ärzte selbst habe im Übrigen noch niemand gefragt. Uhlig warnte zudem vor einer inhaltlichen Über- frachtung des Medizinstudiums. Es kämen viele neue Lerninhalte hinzu, ohne dass alte gestrichen würden. Das sei ein grundsätzliches Problem in der Medizin. Studien belegten, dass sich das Wissen in dem Fach alle 70 Tage verdoppelt. „Wir haben bis- her noch keine Antwort darauf gefunden, wie wir das im Studium angemessen adressieren können“, erklärte der Dekan. Dazu komme der „ambitionier- te“ Zeitplan. Nach demWillen des Gesetzgebers soll die Studienreform 2025 in Kraft treten. „Es müs- sen aber noch viele Vorarbeiten geleistet werden“, gab Uhlig zu bedenken. So müssten die Fakultäten Curricula anpassen und gemeinsam mit den nieder- gelassenen Ärztinnen und Ärzten das notwendige Praxisnetzwerk aufbauen. Denn es müsse sicher- gestellt werden, dass genügend Lehrpraxen, am- bulante Prüfer und Prüfpatienten zur Verfügung stünden. „Das sind alles Riesenaufgaben“, so Uhlig. „Keine Bevorzugung einzelner Fächer“ Lucas Thieme von der Bundesvertretung der Me- dizinstudierenden in Deutschland, Philipp Schiller, Vorsitzender des Sprecherrats der Medizinstudie- renden imMarburger Bund, und Philip Simon, Vor- sitzender des Ausschusses Medizinstudierende im Hartmannbund, lobten bei der Kammerversamm- lung Wissenschafts- und Kompetenzorientierung sowie die Verankerung digitaler Kompetenzen im Medizinstudium. Alle drei warnten aber zugleich ähnlich wie Dekan Uhlig vor einer Überfrachtung der Lehrinhalte. Als „verpasste Chance“ bezeichne- te es Thieme, dass der Gesetzgeber die Aufwands- entschädigung für PJler nicht klar geregelt habe. Die Forderungen der Studierenden orientieren sich am Bafög-Höchstsatz. Zudem mahnten die Vertre- ter von Hartmannbund und Marburger Bund an, einzelne Fächer nicht zu bevorzugen. Vizepräsident Bernd Zimmer führte durch die Diskussion zum Lagebericht des Präsidenten.

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