Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2022

108 | Jahresbericht 2022 Ärztekammer Nordrhein Rechtsabteilung Im Falle eines sexuellen Übergriffs drohen dem Arzt neben strafrechtlichen Konsequenzen der Entzug der vertragsärztlichen Zulassung, der Entzug der Approbation sowie ein berufsgerichtliches Verfahren wegen der Verletzung der Berufsordnung. Keineswegs ist das Unrecht allein durch die strafrechtliche Sanktion ausreichend abgegolten, wie das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht für das Land NordrheinWestfalen (LBG) in einem von der Ärztekammer geführten Verfahren entschieden hat. Eine Patientin befand sich im vorliegenden Fall mehrere Jahre lang in hausärztlicher Behandlung bei einem Facharzt für Allgemeinmedizin. Auf dessen Veranlassung wurde sie mehrfach wegen psychischer Probleme stationär untergebracht. In den Jahren 2011 und 2012 kam es im Rahmen der Behandlung zu meist einvernehmlichen sexuellen Handlungen. Gegen den Arzt wurde Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung seines Behandlungsverhältnisses gestellt (§ 174 c Strafgesetzbuch, StGB. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen/seelischen oder körperlichen Krankheit anvertraut ist, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Nach einer Verständigung zwischen Arzt und Patientin wurde das Strafverfahren nach Zahlung einer Geldauf lage in Höhe von 10.000 Euro eingestellt. Den von der Ärztekammer wegen eines Verstoßes gegen § 29 Heilberufsgesetz NRW i.V.m. § 2 Abs. 2 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) gestellten Antrag auf Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens hat das Berufs- gericht beim Verwaltungsgericht in Köln in der ersten Instanz abgewiesen. Es fehle am sogenannten berufsrechtlichen Überhang. Die Tat sei durch das strafrechtliche Verfahren ausreichend sanktioniert. Das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) stehe der Eröffnung entgegen. Die zweite Instanz, das Landesberufsgericht hob diese Entscheidung auf und eröffnete das berufsgerichtliche Verfahren. Alleine die Tatsache, dass der Arzt im Strafverfahren einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 Euro zu zahlen hatte, hindert die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens nicht. Ob das Verbot der Doppelbestrafung entgegensteht, ist nach dem Einzelfall zu beurteilen, so das Landesberufsgericht in seinem Beschluss. Eine berufsrechtliche Disziplinierung ist auf jeden Fall dann von Nöten, wenn der betroffene Arzt sich nicht einsichtig zeigt und das Fehlverhalten, wie im Beispielfall, von erheblichem Gewicht ist. Zudem ist eine berufsrechtliche Ahndung aus generalpräventiven Gründen sinnvoll. Gerade in einem Fall des § 175 c StGB ist eine strafgerichtliche Entscheidung nicht ausreichend für die Wahrung berufsrechtlicher Belange. Die Unsicherheit darüber, was Missbrauch und was eine leichte Grenzverletzung ist, kann groß sein. Alles, was in Richtung sexueller Handlungen imRahmen von Behandlungen geschieht, ist unzulässig. Dazu zählten auch Dating-Versuche. Eine Untersuchung muss immer nach den Regeln der Kunst erfolgen. Sexuelle Handlungen sind im Rahmen von Behandlungen grundsätzlich verboten – auch wenn die Patientin oder der Patient seine Einwilligung dazu gibt. Dies folgt aus dem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zwischen Patient und Arzt. Betreuung von Gremien der Ärztekammer Nordrhein Ständiger Ausschuss „Berufsordnung, allgemeine Rechtsfragen und Europa“ Der Ausschuss „Berufsordnung, allgemeine Rechtsfragen und Europa“ führte unter dem Vorsitz von Bernd Zimmer, dem Vizepräsidenten der ÄkNo, im Berichtszeitraum mehrere Sitzungen durch. Es wurde in mehreren Sitzungen unter anderem mit den Beratungen zum Berufsbild der Ärztin/des Arztes, beziehungsweise der Abgrenzung der ärztlichen Tätigkeit zu den heilkundlichen Tätigkeiten anderer Gesundheitsberufe fortgefahren: • Umsetzung der Beschlussfassung des 124. Deutschen Ärztetages zu § 16 Satz 3 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte • Stellungnahme der BÄK/KBV zum Heilpraktikerrecht • Satzungsrecht der Kammer zur Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen • Kooperation von Ärztinnen und Ärzten mit anderen Gesundheitsfachberufen • Änderung der Fortbildungsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte • Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16.12.2021 zur Triage • Rahmenvertrag § 64 d SGB V • Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts I ZR R 40/20 vom 18.1.2022

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