Jahresbericht Ärztekammer Nordrhein 2022

Ärztekammer Nordrhein Jahresbericht 2022 | 83 Medizinische Grundsatzfragen Neue Strukturen und steigende Verantwortung für die Ethik-Kommission Klinische Forschung mit neuen Arzneimitteln, Medizinprodukten oder sonstigen berufsrechtlich zu beratenden Studien dient in erster Linie dem allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und dem Fortschritt in der Medizin. Eine humane medizinische Forschung ist demWohl des einzelnen Menschen verpflichtet. Zum Schutz der Versuchsteilnehmer muss daher jede Studie vor ihrem Beginn einer Ethik-Kommission (EK) vorgelegt werden. Berufsrechtliche Beratung Die Ethik-Kommission (EK) der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) berät Kammermitglieder nach § 15 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen. Grundlage für die ethische Beratung sind insbesondere die ethischen Grundsätze medizinischer Forschung nach der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes. Nicht beratungspf lichtig sind ausschließlich retrospektive epidemiologische Forschungsvorhaben. Im Vordergrund der Beratung stehen • die Freiwilligkeit der Entscheidung zur Versuchsteilnahme nach Aufklärung (informed consent), • das Überwiegen des Nutzens gegenüber einem potenziellen Schaden, • die angemessene Auswahl der Studienteil- nehmerinnen und -teilnehmer und • der Schutz vulnerabler Gruppen. Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehme- rinnen und Teilnehmer sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen forschender Ärztinnen und Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leitlinien prüft die EK, ob der Studienplan definierten wissenschaftlichen Kriterien genügt. Bei Beratungen der Kommission nach der Berufsordnung können Ärztinnen und Ärzte auch bei einer ablehnenden Entscheidung der Kommission mit der Studie beginnen – im Gegensatz zu klinischen Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) sowie dem Medizinproduktegesetz (MPG). Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (AKEK) hat mit einer Testphase zur Harmonisierung der Beratung multizentrischer Studien begonnen, die weder dem AMG noch dem MPG unterliegen. Die EK der ÄkNo nimmt an diesem koordinierten Verfahren bei multizentrischen Prüfungen teil. Klinische Prüfungen gemäß Arzneimittelgesetz Der Sponsor darf mit einer klinischen Studie nach dem AMG erst beginnen, wenn die zuständige EK diese zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde (BOB) diese genehmigt hat. Bei multizentrischen klinischen Prüfungen, die zugleich in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden (multinationale multizentrische klinische Prüfung), muss jeder betroffene Mitgliedsstaat jeweils eine einzige Stellungnahme abgeben. Diese Vorgabe wird in Deutschland durch die Stellungnahme der federführenden EK erfüllt. Die EU-Verordnung 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln gilt seit dem 1. Februar 2022. Mit der neuen Verordnung wurden die Rechtsvorschriften für die Durchführung klinischer Prüfungen sowie Bewertungs- und Überwachungsverfahren in der gesamten Europäischen Union (EU) harmonisiert. Insbesondere das Genehmigungsverfahren von multinationalen klinischen Prüfungen ist wesentlich geändert worden. Durch ein einziges Antrags- und Zulassungsverfahren und eine parallele Bewertung durch alle betroffenen Mitgliedstaaten mit der Einbeziehung nationaler EKen ist das Verfahren – aus der Sicht des Antragsstellers – vereinfacht und beschleunigt geworden. Die gesamte Kommunikation zwischen Antragstellern und Behörden sowie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erfolgt elektronisch über das EU-Portal CTIS. Für die interne Kommunika- tion mit den Bundesbehörden ist eine weitere Datenbank, das PANDA (parallele nationale Datenbank) entwickelt worden. Der Aufwand der täglichen Arbeit in der Geschäftsstelle der EK hat sich durch das neue Verfahren erhöht: Die neue Verordnung geht mit einem erhöhten Kommunikationsbedarf einher, Abstim-

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