Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2025 17 haus, das die Hornhaut entnommen hat, und dann zum transplantierenden Krankenhaus. Zum Be- und Entladen der Drohne seien keine Vorkenntnisse notwendig, sodass sich die Klinikmitarbeiter kein spezielles Wissen aneignen müssten, betont Müller. Neben der verbesserten Logistik bieten Drohnen auch für Rettungseinsätze Vorteile. Ausgestattet mit einer Kamera kann der TW Neo Müller zufolge zum Beispiel nach vermissten Personen in unwegsamem Gelände suchen, wie etwa in der Eifel. Bei schweren Autounfällen mit vielen Verletzten könne eine an die Drohne montierte Kamera den Einsatzkräften bereits vor dem Eintreffen einen ersten Überblick über die Lage aus der Luft verschaffen. Mit einem bestimmten Sensor ausgerüstet wäre es zudem möglich, die Vitalparameter der Verletzten zu erfassen, sodass dringliche Fälle zuerst behandelt werden könnten. Weltweiter Einsatz Der TW Neo hat aber nicht nur im deutschen Luftraum bereits Testflüge absolviert: Im Projekt „FlutNetz“ kam die Drohne in Bangladesch zum Einsatz. Dort komme es während der Regenzeit in den überfluteten Gebieten oft zu lebensgefährlichen Schlangenbissen, erklärt Flugsystem-Experte Müller. Weil die Straßen vielfach unpassierbar seien, sei das nächstgelegene Krankenhaus für die Opfer der Schlangenbisse nicht mehr erreichbar. In solchen Situationen wurde der TW Neo genutzt, um Antiseren abzuwerfen, erklärt Müller. Weltweit sind die Drohnen auf dem Vormarsch: So hat das US-amerikanische Start-Up Unternehmen Zipline in Ruanda bereits 2016 ein landesweites Drohnen-Liefersystem ausgebaut. Das ostafrikanische Land ist etwa so groß wie Mecklenburg-Vorpommern und wird aufgrund seines bergigen Terrains auch als „Land der tausend Hügel“ bezeichnet. Dabei ist die Infrastruktur schlecht ausgebaut, insbesondere in der Regenzeit sind viele Straßen nicht passierbar. Der Transport von lebenswichtigen Gütern über den Luftweg sei deshalb eine gute Lösung, erklärt das US-amerikanische Unternehmen Zipline auf seiner Homepage. Werde ein Arzneimittel benötigt, könne der Arzt ganz einfach etwa telefonisch oder per SMS eine Bestellung aufgeben. Im Durchschnitt dauere die Zustellung des benötigten Arzneimittels dann knapp 30 Minuten. Gestartet werde die Drohne über eine Abschussrampe, am Zielort angelangt werfe sie das Arzneimittel mit einem Fallschirm ab und kehre—ohne zwischenzeitlich zu landen — zum Flugplatz zurück. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde sowie einer Reichweite von 160 Kilometern könne die Drohne auch entlegenste Krankenhäuser beliefern, betont das Unternehmen. Von 2016 bis 2019 absolvierten die Drohnen von Zipline knapp 15.000 Flüge, in einem Drittel der Fälle wurden die Drohnen nach Angaben des Unternehmens für Notfälle eingesetzt. Daneben ist der Tech-Konzern in Nigeria, Kenia, der Elfenbeinküste, Ghana, Japan und den USA aktiv. Insgesamt beliefert Zipline dort mehr als 4.000 Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen mit Arzneimitteln, Blutkonserven und Impfstoffen. Spezial Vorreiter Deutschland? Im internationalen Vergleich sieht Flugsystem-Experte Philipp Müller Deutschland in Sachen Drohnen-Technik als Vorreiter. Zusammen mit dem Luftfahrtbundesamt (LBA) arbeiteten Müller und seine Kollegen daran, dass die Fluggenehmigungen noch schneller werden. Bislang sei es beispielsweise noch nicht möglich, auf Krankenhäusern als luftrechtlich besonders geschützten Orten zu landen. „Dies ist natürlich absurd, wenn wir Organe zwischen Krankenhäusern transportieren wollen“, kritisiert Müller. „Hier arbeiten wir mit den Luftfahrtreferaten des Bundesverkehrsministeriums und dem LBA an Lösungen“, sagt er. Eine Besonderheit im Dreiländereck bei Aachen stellten allerdings grenzüberschreitende Drohnenflüge dar: Nicht selten seien niederländische oder belgische Kliniken in einer Notfallsituation schneller zu erreichen als deutsche Krankenhäuser, sodass in dringenden Fällen Medikamente über die Grenze transportiert werden müssten. Zwar habe die Europäische Union bereits im Jahr 2021 versucht, per Richtlinie den grenzübergreifenden Drohnenverkehr zu harmonisieren. Diese sei jedoch von den Mitgliedsstaaten unterschiedlich in nationales Recht überführt worden, sodass bei grenzüberschreitenden Missionen regionale Regeln beachtet werden müssten. Insgesamt verlaufe die Kooperation mit den niederländischen und belgischen Kliniken jedoch sehr gut. Die Drohnen ermöglichten in der Region eine gute Vernetzung über die Grenzen hinweg. Auch in der Bevölkerung mangelt es den Drohnen nicht an Akzeptanz: Eine Befragung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aus diesem Jahr in sechs EU-Staaten ergab, dass ein Großteil der Einwohner Drohnen durchweg positiv sieht, insbesondere, wenn diese im Katastrophenmanagement eingesetzt werden. Unter dem Namen „Grille“ hat das bayrische Unternehmen AVILUS eine Rettungsdrohne für den Sanitätsdienst der Bundeswehr entwickelt. Diese kann nach Angaben des Herstellers medizinisches Gerät liefern und als „fliegende Krankentrage“ verwundete Soldaten aus einem Kampfgebiet evakuieren. Während des Fluges würden die Vitaldaten des Patienten kontinuierlich überwacht und bei Bedarf könne der verletzte Soldat per Videoanruf psychologisch betreut werden. Die Drohne fliege vollautomatisch. Ein Fernpilot überwache den Flug lediglich von einem KleinLKW aus, der sogenannten „flugDie „Grille“ — eine fliegende Krankentrage Die Grille verfügt über sechs Rotoren und kann Lasten von bis zu 130 Kilogramm transportieren. Foto: AVILUS GmbH medizinischen Leitwarte“. Das Patientenmanagement übernehme ein Fliegerarzt der Bundeswehr. Durch die hohe Automatisierung könne die zweiköpfige Crew eine Vielzahl an Rettungsmissionen zur gleichen Zeit ausführen.
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