Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2025 37 erzkonservativen Schupo, der Elisabeth helfen möchte. Sie schöpft Hoffnung, auch wenn der Schutzpolizist in seiner Gummiuniform sehr förmlich auftritt. Die beiden wirken wie ein altes Ehepaar, noch bevor sie überhaupt verlobt sind. Menschliche Wärme sieht anders aus. Unversehens erscheint der Oberinspektor bei dem jungen Polizisten und klärt ihn genüsslich darüber auf, dass Elisabeth eine Straftäterin ist und bereits im Gefängnis saß. Wie eine heiße Kartoffel lässt der Schupo seine Freundin fallen, die somit zum zweiten Mal zurück in die Hoffnungslosigkeit gestoßen wird. Der Reisegewerbeschein rückt in unerreichbare Ferne. Verzweifelt und ohne Hoffnung geht Elisabeth ins Wasser, um kurz darauf als eine in schwarzes Gummi gekleidete Wiedergängerin aufzutauchen, die damit beginnt, die Vertreter des unbarmherzigen Staates und der Gesellschaft einen nach dem anderen mit in die Tiefe zu reißen. Der einzige Hoffnungsträger, der in diesem Stück menschliche Regungen zeigt, ist Mario, zurückhaltend gespielt von Sören Wunderlich. Er ist ebenfalls eine gescheiterte Existenz am Rande der Gesellschaft. Er versteht, in welcher verzweifelten Situation Elisabeth steckt, als sie aus dem Gefängnis entlassen wird und vor dem Nichts steht. Freundlich teilt Mario seinen Kaffee mit ihr und wiederholt, mehr zu sich als zu Elisabeth, dass man den Kopf nicht hängen lassen dürfe, egal wie hoffnungslos die Lage ist. Informationen unter www.theater-bonn.de und Tel.: 0288 778 008. Österreich zwei Jahre später Hitlerdeutschland anschloss, verließ Horváth das Land und floh über mehrere Stationen nach Paris, wo er am 1. Juni 1938 während eines Gewitters auf den Champs-Élysées von einem Ast erschlagen wurde. Horváths Hauptfigur Elisabeth, in Bonn ganz in Weiß und ohne Plastik oder Gummi gekleidet, steht dem Präparator gegenüber und bringt ihr Anliegen vor: Sie wolle schon zu Lebzeiten dem Institut ihren Leichnam verkaufen. Die junge Frau ist arm, arbeitslos und verzweifelt. Ihr fehlt das Geld, um einen Reisegewerbeschein zu beantragen, mit dem sie selbstständig und legal arbeiten könnte. Der junge Mann hilft ihr, allerdings zu spät. Denn in der Zwischenzeit zieht Elisabeth ohne Gewerbeschein von Haus zu Haus und verkauft Damenwäsche. Ihre herrische Arbeitgeberin, gespielt von Birte Schrein, die sich brüstet, sozial und nachgiebig gegenüber Elisabeth zu sein, kündigt ihr fristlos und zeigt sie obendrein noch an. Elisabeth muss wegen dieses verhältnismäßig kleinen Vergehens ins Gefängnis. Der ihr zuerst wohlgesonnene Präparator wendet sich empört ab. Zu dieser Entscheidung kommt der junge Mann mit kräftiger Unterstützung seiner Chefin, der Oberpräparatorin, herrlich arrogant gespielt von Lydia Stäubli. In deren Dunstkreis taucht wie ein Dämon immer wieder der Oberinspektor auf, den schön schaurig Bernd Braun mimt. Unmissverständlich gibt er Elisabeth zu verstehen, dass eine wie sie, von ihm keine Chance im Leben bekommt. Dennoch gelingt es der jungen Frau, einen Polizisten für sich zu gewinnen. Riccardo Ferreira spielt den verliebten, aber Das Theater Bonn zeigt eine in Plastikfolie gewickelte Inszenierung von „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth. von Jürgen Brenn Langsam und leise raschelnd werden auf der Bühne des Schauspielhauses in Bad Godesberg Wände aus milchig trüber Plastikfolie in die Höhe gezogen. Sie unterteilen den Raum in vorne und hinten und engen die Bewegungsfreiheit sichtlich ein. Vorne steht Elisabeth. Die junge Frau wird mitreißend und nuancenreich von Lena Geyer gespielt. Suchend schaut sie durch die Folie nach hinten, wo sich plötzlich ein junger Mann schlaksig und ungelenk aus den Tiefen des Bühnenraums nach vorne tänzelt. Zunächst nur als olivgrüner Schemen wahrnehmbar, wird immer deutlicher, dass er einen langen Laborkittel aus dickem grünem Gummi trägt. Er stellt sich als Präparator heraus, der im anatomischen Institut fürs Grobe zuständig ist. Tanzend bahnt sich der Mann, gespielt von Paul Michael Stiehler, seinen Weg durchs Plastik. „Ein kleiner Totentanz in 5 Bildern“ lautet die Unterzeile von „Glaube Liebe Hoffnung“ des Schriftstellers Ödön von Horváth. Das Stück ist derzeit in Bonn zu sehen. Die Regie führt Julia Hölscher. Die ebenso sozial- und gesellschaftskritische wie düstere Geschichte geht auf eine reale Begebenheit zurück. Der Münchner Gerichtsreporter Lukas Kristl hatte dem Dramatiker Horváth 1932 von dem Fall einer jungen Frau berichtet, die sich im Dickicht von Paragrafen und Polizeivorschriften im wahrsten Sinne heillos verhedderte. Ödön von Horváth wurde 1901 in Fiume, dem heutigen Rijeka in Kroatien geboren. Sein Vater war ungarischer Diplomat und wurde regelmäßig in andere Städte versetzt. So wuchs Horváth in Belgrad, Budapest, München, Preßburg und Wien auf. Ab 1919 studierte er in München und schrieb für das Satiremagazin Simplicissimus. Seine Stücke waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Die Proben für die Uraufführung von „Glaube Liebe Hoffnung“ wurden kurz nach der Machtergreifung 1933 untersagt, und der Autor kam kurzzeitig in sogenannte Schutzhaft. Kurz darauf floh er nach Wien. Dort wurde das Stück 1936 uraufgeführt. Als sich Kulturspiegel Glaube, Liebe und wenig Hoffnung Lena Geyer (vorne) überzeugt als Elisabeth in der Bonner Inszenierung von „Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth. Im Hintergrund zu sehen v.l.n.r.: Lydia Stäubli als Oberinspektorin, Paul Michael Stiehler als Präparator, Bernd Braun als Oberinspektor und Riccardo Ferreira als Schupo. Foto: Matthias Jung.
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