Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2026 Foto: Jochen Rolfes Genau einen Tag, bevor die 4. Kammerversammlung in Düsseldorf tagte, hatte der Bundesrat das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege und das daran gekoppelte sachfremde „Sparpaket“ für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in den Vermittlungsausschuss überwiesen. Mit dem „Sparpaket“ in Höhe von zwei Milliarden Euro wollte die Bundesregierung mögliche Anhebungen der Zusatzbeiträge in der GKV für 2026 verhindern. Doch die Kritik der Bundesländer entzündete sich daran, dass die Hauptlast der Einsparungen mit 1,8 Milliarden auf die Krankenhäuser durch die im Gesetz geplante Aussetzung der sogenannten „Meistbegünstigungsklausel“ entfallen sollte. Folge dieser Entscheidung sei, dass es für Millionen Versicherte damit vorerst keine Klarheit gebe, ob die Krankenkassenbeiträge im neuen Jahr annähernd stabil bleiben, erklärte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung richtete er in seinem Lagebericht zur Kammerversammlung das Augenmerk auf den überaus kritischen Zustand der gesetzlichen Krankenversicherung. Die dort für das kommende Jahr bereits vorherzusehende Finanzierungslücke von rund 57 Milliarden Euro könne ohne die rasche Umsetzung von Reformen nur mit steigenden Zusatzbeiträgen der Versicherten und Arbeitgeber geschlossen werden. Bislang kämen jedoch nur wenige Reformvorschläge aus dem Bundesgesundheitsministerium, und es dauere zu lange, auf die Reformvorschläge der von der Bundesregierung eingesetzten „Finanzkommission Gesundheit“ zu warten, die Ergebnisse erst im März und Dezember 2026 vorlegen werde. „Angesichts der dargestellten Defizite in der GKV haben wir diese Zeit einfach nicht“, sagte Dreyer unter dem Beifall der Delegierten und präsentierte kurzfristige Lösungsvorschläge zur Entlastung der GKV-Finanzen. So würde allein die ausreichende Finanzierung der Krankenkassenbeiträge für Bürgergeldempfänger aus Steuermitteln die GKV-Beitragszahler um rund zehn Milliarden entlasten. In dieser Frage sei man sich einig mit den GKV-Spitzenverbänden, die inzwischen in dieser Angelegenheit Klage beim Landessozialgericht NRW eingereicht hätten. Weiterbildung im Blick behalten Mindestens weitere fünf Milliarden Euro ließen sich einsparen, wenn der Mehrwertsteuersatz für verschreibungspflichtige Medikamente von derzeit 19 auf sieben Prozent gesenkt würde, führte der Kammerpräsident aus. „Für die Ärzteschaft ist es unerklärlich, warum Jakobsmuscheln und Schnittblumen mit sieben Prozent besteuert werden, wohingegen lebenserhaltende Medikamente wie Zytostatika oder Antiasthmatika als Luxusgut gelten“, heißt es dazu auch in einer einstimmig gefassten Entschließung der Kammerversammlung, in der die dauerhafte Absenkung des Mehrwertsteuersatzes gefordert wurde. In der Entschließung wird darauf verwiesen, dass in 24 von 27 EU-Mitgliedsstaaten ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Einvernehmen in zentralen Fragen Vor dem Hintergrund vordringlicher gesundheitspolitischer Problemfelder bot die 4. Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein in der Wahlperiode 2024–2029 ein Bild relativ großer Geschlossenheit. Kontroverse Debatten in Sachfragen blieben weitgehend aus. Trotz des Triage-Urteils des Bundesverfassungsgerichts war die Sorge um die ärztliche Berufsfreiheit in den Debattenbeiträgen deutlich vernehmbar. von Thomas Gerst
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