24 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2026 Forum Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), in Düsseldorf. Eine konsequente Therapie senke nachweislich das Risiko für Gewalttaten. Zusätzlich seien Maßnahmen zur Förderung der sozialen Integration und Teilhabe essenziell. Denn das Risiko, dass ein Mensch mit einer psychischen Erkrankung gewalttätig werde, entstehe aus der Wechselwirkung mit weiteren Belastungs- und Risikofaktoren für Aggression und Gewalttätigkeit, wie zum Beispiel junges Alter, männliches Geschlecht, Konsum von Drogen oder Alkohol, eigene Gewalterfahrungen, soziale Isolation, Armut oder Wohnungslosigkeit, gab Gouzoulis-Mayfrank zu bedenken. In einem Positionspapier habe die DGPPN deshalb den Ausbau geeigneter Behandlungsstrukturen für Menschen mit schweren psychischen Störungen gefordert, so die Psychiaterin. Gerade schwer psychisch Kranke würden durch die ambulante psychiatrische Regelversorgung und Psychotherapien häufig nicht erreicht. Es müssten deshalb Möglichkeiten geschaffen werden, die Betroffenen flächendeckend und niederschwellig, gegebenenfalls auch aufsuchend in ihrem Wohnumfeld zu behandeln. Notwendig sei zudem ein Ausbau des sozialpsychiatrischen Dienstes. Register verhindern keine Gewalt Die Diskussion um eine Verschärfung der Unterbringungsgesetze oder ein Register für psychisch Kranke hält Gouzoulis-Mayfrank nicht nur für nicht zielführend, sondern sogar für stigmatisierend und gefährlich. „Psychische Erkrankungen sind generell nicht mit einem erhöhten Gewaltrisiko verknüpft“, betonte die Psychiaterin. Ein höheres Risiko bestehe nur bei bestimmten Erkrankungen wie Schizophrenien und anderen Psychosen oder schweren Persönlichkeitsstörungen und das meist auch nur, wenn weitere Risikofaktoren wie Alkohol- oder Drogenkonsum dazukämen und die Betroffenen unbehandelt blieben. „Eine zentrale Erfassung aller Menschen mit einer psychischen Diagnose würde Gewalttaten nicht verhindern“, sagte Gouzoulis-Mayfrank. Etwa ein Drittel der Bevölkerung leide jedes Jahr unter einer psychischen Störung. Da dürfte allein die Fülle der Personendaten eine Herausforderung für die Sicherheitsbehörden sein. Zumal das Mittel der „klassischen“ Gefährderansprache bei psychisch Kranken in der Regel ins Leere laufe. Sie benötigten eine kontinuierliche Therapie, keinen einmaligen Besuch. Eine Meldung von Patientinnen und Patienten an ein behördliches Register unterminiere zudem das Vertrauensverhältnis zu den Therapeuten – das Fundament für eine erfolgreiche Behandlung – und führe im schlimmsten Fall dazu, dass Patienten keine Hilfe mehr suchten. Bestehende Gesetze anwenden Eine besondere Herausforderung stellen Gouzoulis-Mayfrank zufolge diejenigen Patientinnen und Patienten dar, die in der Vergangenheit durch Aggressivität und Gewaltbereitschaft aufgefallen seien, eine Behandlung jedoch verweigerten. Hier müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine unfreiwillige Behandlung vorliegen. Allerdings sei es aktuell so, dass eine Unterbringung wegen Selbst- oder Fremdgefährdung unmittelbar beendet werde, wenn die akute Symptomatik abgeklungen sei, auch wenn sich der Gesamtzustand des Patienten noch nicht ausreichend stabilisiert habe. „Damit ist mittel- und langfristig weder den Betroffenen noch der Gesellschaft geholfen“, so die DGPPN-Präsidentin. Diese Praxis müsse man unbedingt überdenken. Nach Ansicht von Gouzoulis-Mayfrank braucht es dafür keine neuen gesetzlichen Regelungen. „Wir müssen die bestehenden Möglichkeiten besser anwenden und zum Beispiel auch nachsorgende Hilfen nutzen.“ Wichtig ist der Psychiaterin aber ein zentraler Punkt: „Die meisten schweren Gewalttaten werden von Menschen verübt, die nicht psychisch krank sind und die volle strafrechtliche Verantwortung für ihre Taten tragen.“ Als „Modell gelebter interprofessioneller Verantwortung“ beschrieb Professor Dr. Elmar Habermeyer, Direktor Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, die dort angesiedelte Fachstelle Forensic Assessment & Risk Management (FFA). Die FFA unterstütze die Zürcher Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaft mit forensischem Fachwissen bei der Risikoeinschätzung und im Fallmanagement von psychisch kranken Gewalttätern. Für Habermeyer ist die FFA, die direkt an die polizeilichen Gewaltschutzstellen angebunden sei, ein gelungenes Beispiel für die institutionelle Verknüpfung von forensisch-psychiatrisch/psychologischer Fachkompetenz und operativem Bedrohungsmanagement, wie er im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft erläuterte. Dabei betonte Habermeyer, dass es bei dem Modell nicht um präventive Eingriffe in Freiheitsrechte gehe, die zu Vertrauensverlusten führen könnten. Im Rahmen des Kantonalen Bedrohungsmanagements Zürich habe die FFA im Jahr 2024 an 74 Gefährderansprachen teilgenommen. In der Regel sei der Kontakt zum Gefährder gut, betonte Habermeyer. Über 80 Prozent der Gefährder hätten einem (freiwilligen) Gespräch zugestimmt. Die frühzeitigen Gespräche mit Betroffenen zielten auf De-Eskalation und Kooperation, nicht auf Sanktion. Die Versorgungslücke zwischen ambulanter psychiatrischer Versorgung und Forensik will die Präventionsstelle der Kliniken des Bezirks Oberbayern schließen. Die ambulante Versorgung sei symptomorientiert, erklärte Dr. Islem Ganzoui, Leitende Oberärztin der Präventionsstelle am Isar-Amper-Klinikum in München. Dort finde kaum eine systematische Risikodiagnostik für potenziell gewalttätige schwer psychisch kranke Menschen statt. Die forensische Versorgung wiederum greife erst nach einer schweren Straftat. „Dazwischen liegt ein Niemandsland ohne klare Zuständigkeit“, sagte Ganzoui. Das Angebot der Präventionsstelle richte sich an Menschen mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis oder mit einer schweren Persönlichkeitsstörung, die in ihrer Krankheitsgeschichte ein Risiko für gewalttätiges Verhalten aufwiesen und die die üblichen Behandlungs- und Hilfeangebote ablehnten. Ziel sei es, Straftaten zu verhindern, potenzielle Opfer zu schützen, aber auch den Betroffenen zu ermöglichen, ein möglichst normales Leben führen zu können. Die Behandlung in der Präventionsstelle erfolge freiwillig und ohne Zwang. Motivation und Beziehungsgestaltung stünden im Mittelpunkt. Das Modell sei niederschwellig und bei Bedarf aufsuchend gestaltet. Es gelte das „No-Drop-Out-Prinzip“: „Wir bleiben dran, auch bei Krisen oder Rückzug des Patienten“, betont Ganzoui. Man setze an, bevor es zu einer Unterbringung im Maßregelvollzug komme. Ihre zentrale Botschaft: „Nicht die Erkrankung macht gefährlich, sondern fehlender Halt, fehlende Struktur und fehlende Einbindung. Vorbilder im Süden
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