Rheinisches Ärzteblatt 01/2026

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2026 3 Heft 1 • Januar 2026 Zeit für Reformen Das Jahr neigt sich dem Ende zu und rückblickend stellen wir fest, dass der versprochene „Herbst der Reformen“ gerade bei den dringend reformbedürftigen Sozialversicherungen ausgeblieben ist. Eine große Rentenreform soll eine Rentenkommission im nächsten Jahr erarbeiten. Reformen zur Stabilisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung hat die Bundesregierung ebenfalls an eine Kommission weitergegeben. Und das von Gesundheitsministerin Nina Warken verkündete Sparpaket zur Stabilisierung der Zusatzbeiträge der Gesetzlichen Krankenversicherung, das sachfremd an das Gesetz zur Entbürokratisierung der Pflege angehangen wurde, ist Mitte November vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuss geschickt worden. Einen „Plan B“, wie 2026 die Zusatzbeiträge der GKV stabilisiert werden sollen, scheint es nicht zu geben. Wahrscheinlich werden die Sparmaßnahmen nach dem Gießkannenprinzip irgendwie alle treffen. Das hat leider mit strategischer Gesundheitspolitik wenig zu tun und ist umso misslicher, wenn man einen Monat zuvor den Bürgerinnen und Bürgern einen stabilen Zusatzbeitrag für das kommende Jahr versprochen hat. Auf unserer zurückliegenden Kammerversammlung haben wir Sparvorschläge zur Entlastung der GKV gemacht und uns für eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, für die Streichung von versicherungsfremden Leistungen aus der Beitragsfinanzierung sowie für eine höhere Besteuerung von Nikotin und Spirituosen ausgesprochen. Und natürlich brauchen wir zügig Reformen, um Effizienzreserven in unserem Gesundheitssystem zu heben und Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die ersten Haut- und Augenscreenings in Drogeriemärkten in diesem Jahr scheinen nur der Auftakt solcher Fehlentwicklungen zu sein. Auch Supermärkte drängen nun mit telemedizinischen Leistungen auf den Markt. Ganz unabhängig von ungeklärten Fragen zu Patientensicherheit, Datenschutz und Haftungsfragen sorgt uns diese Entwicklung sehr. Denn hier wird suggeriert, dass Medizin eine Ware ist, die Kunden neben Käse, Wein und Nahrungsergänzungsmitteln konsumieren können. Medizin wird damit zunehmend kommerzialisiert und zum Mitnahmeartikel. Auch stellen die bislang bekanntgewordenen Modelle keine Entlastung der Arztpraxen dar, wie das gerne von den Betreibern dargestellt wird. Denn die meisten Erkrankungen sind telemedizinisch bei Neupatienten nicht behandelbar und auffällige Screeningbefunde benötigen im Nachgang immer eine ärztliche Einordnung. So bleibt das ungute Gefühl bestehen, dass die Betreiber weniger die medizinische Versorgung, als vielmehr ihr Zusatzgeschäft im Sinn haben. Würde es den Ladenketten tatsächlich um die Gesundheit ihrer Kunden gehen, dürften sie Alkohol, Tabak und Süßigkeiten nicht in Kassennähe aufstellen. Wir müssen anlässlich dieser Entwicklung darauf achten, dass wir die bestehenden Strukturen der ambulanten Versorgung durch kommerzialisierte Angebote nicht noch weiter schwächen oder belasten. Die Antwort auf den Ärztemangel auf dem Land ist nicht der Supermarkt, sondern eine gut koordinierte sektorübergreifende Versorgungsstruktur, in der Telemedizin natürlich ihren Platz haben wird. Dafür werden wir uns 2026 stark machen. Wir wünschen Ihnen und Ihren Angehörigen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Wir bedanken uns besonders bei denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die über die Feiertage im Dienst für unsere Patientinnen und Patienten im Einsatz sind. Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes Dr. Arndt Berson, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes

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