Gesundheitswesen: Gerüstet für den Kriegs- und Krisenfall? Schicksalsschlag Demenz Es fehlen Hilfsangebote für jung Erkrankte Überversorgung in der letzten Lebensphase „Wir haben verlernt, über das Lebensende zu sprechen“ Vorgezogene Bundestagswahl Die Ärzteschaft fordert mutige Reformen Februar 2025 Heft 2 / 31.01.2025 80. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts
Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts IQN Bild: tria-z-modro | fotolia Fortbildungsreihe Die Veranstaltung ist eingebettet in die Ausstellung „DEMENSCH“ im Haus der Ärzteschaft. Im Anschluss an das Kammersymposium findet die Vernissage zur Ausstellung statt. DER ÄLTERE MENSCH Prävention und Unterstützung im frühen Alter Vernissage der Ausstellung „DEMENSCH“ 19. Februar 2025 | 15 bis 19 Uhr | 19 bis 20:30 Uhr im Haus der Ärzteschaft Düsseldorf RbP - Punkte: 6 Registrierung beruflich Pflegender CME - Punkte: 6 Anrechnung nur bei vollständiger Teilnahme PROGRAMM - Moderation: Stefan Kleinstück, Referent medizinische Grundsatzfragen bei der Ärztekammer Nordrhein Begrüßung und Einführung Dr. med. Arndt Berson, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein Dr. rer. oec. Peter Pick, Vorsitzender des Landesverbandes der Alzheimer Gesellschaften NRW Stigmatisierung in der Gesellschaft und der Berufswelt Lieselotte Klotz (Lilo), Beirat „Leben mit Demenz“, Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz (DAlzG) IMPULSVORTRÄGE Demenz in der Mitte des Lebens – eine unterschätzte Realität? Nancy Kolling, Health Administration (M.A.), Landesverband der Alzheimer Gesellschaften NRW Körper und Geist -- fit im Alter: Wie viel Bewegung ist nötig und gefährdet Sitzen die Gesundheit? Dr. Rieke Trumpf, wiss. Mitarbeiterin Abteilung für Gerontopsychiatrie und Psychotherapie, LVR-Klinik Köln Demenzprävention: Wie kann man das Gehirn gesund erhalten? Univ.-Prof. Dr. Frank Jessen, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Köln WORKSHOPS Empathie und Expertise: Herausforderungen in der Begleitung von jungen Menschen mit Demenz im medizinischen Kontext Nancy Kolling Aktivitätstracking mit Wearables: Status quo und Zukunftsperspektiven für gesundes Altern Dr. Rieke Trumpf Leitlinienorientierte Früherkennung und Behandlung Univ.-Prof. Dr. Frank Jessen Einführung Ausstellung „DEMENSCH“ Humor und Demenz - unserer eigenen Unvollkommenheit begegnen? Prof. Dr. habil. Thomas Klie, Institutsleitung von AGP Sozialforschung & Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) Die Teilnahme ist kostenfrei. Weitere Informationen und die Online-Anmeldung zur Veranstaltung unter: www.aekno.de/veranstaltung-alter
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 3 Heft 2 • Februar 2025 Gesundheitsversorgung muss Priorität bekommen Ende Februar wird in Deutschland nach dem vorzeitigen Ampel-Aus eine neue Regierung gewählt. Ein Anfang in schwierigen Zeiten, auch weil die Regierungsbildung und die dazu nötigen Kompromisse den zukünftigen Regierungsparteien einiges abverlangen werden. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK Bundesverbandes sehen 48 Prozent der Befragten in der Gesundheitsversorgung und bei der Pflege zukünftig den größten politischen Handlungsbedarf in Deutschland, noch vor Themen wie Wirtschaft oder Innere Sicherheit. Gleichzeitig gaben 61 Prozent der Menschen in der Umfrage, die Ende Dezember 2024 durchgeführt wurde, an, dass sie über die gesundheitspolitischen Vorhaben der Parteien im Bundestag „nicht so genau Bescheid“ wissen. Das ist bedenklich und ein gewichtiger Grund, jetzt von den Parteien eine Priorisierung des Themas „Gesundheit“ zu fordern und es auf der politischen Agenda nach oben zu heben. Wir erwarten von einer kommenden Regierung ein klares Bekenntnis zum Erhalt und zur Stärkung der ärztlichen Freiberuflichkeit, die Grundlage für ein vertrauensvolles ArztPatienten-Verhältnis ist. Die Alternativen zur ärztlichen Freiberuflichkeit sind Staatsmedizin oder die uneingeschränkte Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung. Beides ist bislang in Deutschland politisch nicht gewollt. Die berufliche Selbstverwaltung als freiheitliches und demokratisch legitimiertes Organisationsprinzip der Ärztinnen und Ärzte ist untrennbar mit der ärztlichen Freiberuflichkeit verbunden. Ärztekammern sind keine Lobbyorganisationen, sondern dienen dem Gemeinwohl, indem sie im staatlichen Auftrag über die Regeln der Berufsausübung und der Weiterbildung entscheiden und über die Einhaltung ärztlicher und ethischer Standards wachen. Die Ärzteschaft sollte mit ihrem Expertenwissen daher stärker als bisher in politische und gesetzgeberische Prozesse eingebunden werden. Um die gesundheitliche und pflegerische Versorgung auch in Zukunft zu sichern, müssen wir mehr zur Nachwuchsförderung tun. Wenn man den Prognosen glaubt, werden in Deutschland in 20 Jahren 40.000 bis 50.000 Ärztinnen und Ärzte weniger für die Patientenversorgung zur Verfügung stehen. Um hier gegenzusteuern, muss die Zahl der Medizinstudienplätze substanziell erhöht werden. Außerdem muss die längst überfällige Novelle der ärztlichen Approbationsordnung endlich in Kraft gesetzt werden. Die vom Bundestag im Oktober 2024 verabschiedete Krankenhausreform ist noch nicht geeignet, die drängenden finanziellen Probleme der Krankenhäuser in Deutschland zu lösen. Insbesondere die im Krankenhausversorgungsstärkungsgesetz vorgesehenen Regelungen für eine Vorhaltevergütung müssen dringend nachgebessert werden. Eine Reform der Notfallversorgung muss 2025 kommen, denn sie sollte idealerweise Hand in Hand mit der Krankenhausreform gehen. Nach wie vor verstopfen Patienten mit Bagatellerkrankungen Notdienstpraxen und Notaufnahmen. Diese Fehlinanspruchnahme ist nicht nur teuer, sondern auch belastend für Patienten und medizinisches Personal gleichermaßen. Gegensteuern kann man hier mit klaren und vernetzten Behandlungspfaden, darüber herrscht politische Einigkeit. Was für die Notfallversorgung gilt, trifft auch auf die allgemeine Versorgung zu. Um Fehlnutzung und Doppeluntersuchungen zu vermeiden, müssen Behandlungspfade klug koordiniert werden. Patientinnen und Patienten sollten sich freiwillig für ein Primärarztmodell entscheiden können, in dem vorzugsweise Hausärztinnen und Hausärzte die ersten Ansprechpartner bei Gesundheitsbeschwerden sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe an dieser Stelle einige wenige Maßnahmen beispielhaft aufgeführt, die zügig aufgrund bestehender Vorarbeiten umgesetzt werden könnten. Weitere Forderungen der Ärztekammer Nordrhein zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung lesen Sie auf unserer Homepage. Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes
Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: +49 211 4302-2751 E-Mail: iqn@aekno.de Die Veranstaltungen sind kostenfrei und mit je 3 Fortbildungspunkten anerkannt! Anmeldung erforderlich: www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Internet: www.iqn.de FGM/C – Weibliche Genitalbeschneidung Mittwoch, 05. Februar 2025, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar Grußwort von Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW • Auf dem Weg zur Eliminierung von FGM/C (Female Genital Mutilation/Cutting) bis 2030: Eine statistische Analyse zu globalen, nationalen und regionalen Trends • Typisierung von FGM/C, gesundheitliche Folgen und Beispiele aus der gynäkologischen Praxis • Soziokulturelle Hintergründe von FGM/C und Beispiele aus der Beratungsarbeit • Dokumentation und Gutachten von betroffenen Frauen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge • Die anatomische Rekonstruktion nach weiblicher Genitalbeschneidung Jawahir Cumar, PD Dr. med. Dan mon O’Dey, Christina Pesch, Agata Romanski-Ordas, Dr. med. Christoph Zerm, Dr. med. Sabine Mewes Im Fokus: Rheumatologie Mittwoch, 26. Februar 2025, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei rheumatologischen Erkrankungen • Labordiagnostik bei rheumatologischen Erkrankungen • Physiotherapie bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen – Bewegung erhalten, Leben gestalten • Autoinflammation und Autoimmunität – von der Pathophysiologie zur Klinik • Monogenetische, erworbene Autoinflammationserkrankung (VEXAS) PD Dr. med. Björn Bühring, Dr. med. Andreas Dormann, Dr. med. Christina Düsing, PD Dr. med. Oliver Sander, Regine Astrid Schmidt, Dr. med. Sabine Mewes R auchstopp und Tabakentwöhnung – Beratungsmethoden und motivierende Gesprächsführung Wiederholungsveranstaltung von 08/2024 Mittwoch, 26. März 2025, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Das ABC der evidenzbasierten Tabakentwöhnung • Tabakentwöhnung in der Hausarztpraxis – wie kann das gelingen? • Patientenkurse zur Tabakentwöhnung/Erfahrungsberichte Univ.-Prof. Dr. Daniel Kotz PhD MSc MPH, Olaf Reddemann, Lisa Welmes, Özden Yerlikaya, Dr. med. Sabine Mewes Hinweis: Die vollständige Teilnahme berechtigt zur Abrechnung der Beratungsleistung über das DMP Asthma/COPD! G ewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen und richtig handeln, Teil 13: Häusliche Gewalt Mittwoch, 02. April 2025, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Häusliche Gewalt? Und was ist mit den Kindern? • Rechtssichere Dokumentation kinderärztlicher Untersuchungen bei Kinderschutzfällen • Rechtliche Aspekte bei häuslicher Gewalt – zwischen Schweigepflicht und Opferschutz • Die Begleitung von Kindern und Jugendlichen im Frauenhaus • Polizeiliches Handeln in Fällen häuslicher Gewalt Prof. Dr. med. Sibylle Banaschak, Anja Brückmann, Juliana Damm M.A., Dr. Daniela Dohmes-Ockenfels, Dr. med. Anna Holzer, Dr. med. Sabine Mewes
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 5 Gesundheitswesen: Gerüstet für den Kriegs- und Krisenfall? Ein Abschied Stück für Stück An demenziellen Erkrankungen leiden überwiegend ältere Patientinnen und Patienten. Doch in Deutschland leben rund 100.000 Menschen, die jünger als 65 Jahre waren, als sie die Diagnose Demenz erhielten. Ihnen fehlen Versorgungsangebote, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. „Wir haben verlernt, über das Lebensende zu sprechen“ Im Krankenhaus werde zunehmend Medizin betrieben, die keine Grenzen mehr kennt. Intensivmediziner Professor Dr. Uwe Janssens spricht sich dafür aus, bei der Indikationsstellung sehr viel mehr darauf zu achten, welchen Nutzen eine intensivmedizinische Intervention für die Patienten noch hat. Heft 2 • Februar 2025 Meinung Gesundheitsversorgung muss Priorität bekommen Seite 3 Magazin Seiten 6 bis 10 Steigende Kosten belasten Arztpraxen · Vor 50 Jahren · Medizinische Fachangestellte bekommen mehr Geld · Digitale Gesundheitskompetenz soll gefördert werden · Kammer Online · Transplantationen: Prüfer ziehen positive Bilanz ihrer Arbeit · Allgemeinmedizin: Interesse an Quereinstieg steigt · Studium und Berufseinstieg Thema Nur bedingt krisenfest Seite 12 Spezial Ein Abschied Stück für Stück Seite 14 Gesundheits- und Sozialpolitik Bundestagswahl: Ärzteschaft fordert „mutige Reformen“ Seite 18 Zwangsbehandlung soll auch ambulant möglich sein Seite 19 Praxis STATAMED: Erster Praxistest fällt positiv aus Seite 20 Schulterschluss im Notdienst Seite 21 Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln – Grenzen der gewerblichen Tätigkeit – Folge 145 der Reihe „Arzt und Recht“ Seite 22 Forum Adipositas – allgegenwärtig und doch übersehen Seite 23 Interview „Wir haben verlernt, über das Lebensende zu sprechen“ Seite 24 Wissenschaft und Fortbildung Fehlerhaftes Komplikationsmanagement nach Wirbelsäulenoperation bei sagittaler Imbalance – Folge 145 der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ Seite 26 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 29 RÄ Regional Seite 32 Bücher Seite 35 An Rhein und Ruhr Seite 36 Kulturspiegel Es spukt an der Schanzenstraße Seite 37 Amtliche Bekanntmachungen Seite 38 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 39 Mein Beruf „Für uns seltene Tropenkrankheiten sind in Äthiopien Alltag“ Seite 47 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: gpointstudio/istockphoto.com Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat eine Zeitenwende in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eingeläutet. Auch das Gesundheitssystem müsse sich besser rüsten für Katastrophen, Krisen und Krieg, meint unter anderem der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege.
Magazin 6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 Niederlassung Steigende Kosten belasten Arztpraxen Die realen Jahresüberschüsse der ärztlichen und psychologisch-psychotherapeutischen Praxen in Deutschland sind im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent zurückgegangen. Während die Praxiseinnahmen im selben Zeitraum um 3,4 Prozent zunahmen, stiegen die Kosten um 5,2 Prozent. Das zeigen Ergebnisse des Zi-Praxis-Panels (ZiPP) des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur wirtschaftlichen Lage der Arztpraxen in den Jahren 2019 bis 2022. Über den gesamten Zeitraum stiegen die Kosten dem Zi zufolge mit 17,2 Prozent stärker als die Praxiseinnahmen (16,4 Prozent). Einzige Ausnahme bildete das Jahr 2021: Die Coronapandemie und die starke Beteiligung der Vertragsärztinnen und -ärzte an der COVID19-Impfkampagne führten dazu, dass die Einnahmen (9 Prozent) die Kosten (7,5 Prozent) überstiegen und so den Effekt etwas abmilderten. Die Personalausgaben waren mit 58 Prozent der Gesamtaufwendungen der größte Kostenfaktor in den Praxen. Im Rahmen des Zi-Praxis-Panels werden die Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten zudem regelmäßig um einen Ausblick in die Zukunft gebeten. Zwar bewerteten im ersten Halbjahr 2024 noch 48 Prozent der Praxen ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut und sieben Prozent sogar als sehr gut. Der Ausblick auf die Zukunft falle jedoch zunehmend schlechter aus, so das Zi. Mit minus 10,4 Anfang 2023 und minus 14,3 Anfang 2024 zeigte der ZiPP-Klimaindex den schlechtesten Wert der vergangenen zehn Jahre. jf Fachmesse für Medizintechnik Medica und Sexualphallographie Aus der „Diagnostikwoche“ wurde 1974 die „Medica“. Das berichtete das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) in der ersten Februar-Ausgabe vor 50 Jahren. „Auf der „6. Diagnostikwoche in Düsseldorf (sie hat inzwischen die Bezeichnung ‚Medica‘ erhalten) wurden mehr als 20.000 Besucher registriert. Neben Ärzten und Angehörigen der ärztlichen Hilfsberufe waren auch zahlreiche Laien zu dieser mit einer großen technischen Ausstellung verbundenen Tagung in die neue Düsseldorfer Messehalle gekommen“. Somit war die Medica, die heute eine der weltweit größten Fachmessen für Medizintechnik ist, an ihrem jetzigen Standort in Düsseldorf-Stockum angekommen. Unter der Rubrik „Arzt und Recht“ wurde in der gleichen Ausgabe des RÄ eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg zur sexualphallographischen Untersuchung von „Triebtätern“ wiedergegeben. „Eine sexualphallographische Untersuchung ist zu problematisch, um hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür zu bieten, daß ein 47-jähriger Mann, der sich noch im Alter von 40 Jahren als gefährlicher Sexualtäter gezeigt hat und insgesamt noch immer äußerst ungünstig beurteilt wird, inzwischen allein wegen seines abgesunkenen psychosexuellen Stimulationsniveaus keine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit mehr darstellt“, lautete der Leitsatz. Ein Sachverständiger habe die Auffassung vertreten, dass „unter freien Lebensbedingungen“ mit weiteren Sexualdelikten des Verurteilten nicht zu rechnen sei. Diese Auffassung stützte er auf das Ergebnis der sexualphallographischen Untersuchung, bei der dem Probanden ein sexuell aufreizender Film gezeigt und zugleich "über eine spezifische Apparatur seine Penisreaktion darauf erfaßt“ wurde. bre Chronische Erkrankungen Mehr Patienten in DMPs versorgt In Nordrhein haben im Jahr 2023 rund 30.000 mehr chronisch Erkrankte als im Vorjahr an einem oder mehreren der insgesamt sechs Disease-Management- Programme (DMP) teilgenommen. Die Zahl der in DMP betreuten Patienten stieg damit um 3,2 Prozent auf 980.000. Das zeigt der Qualitätsbericht der Gemeinsamen Einrichtung DMP. Die Qualität der Versorgung in DMP habe sich ebenfalls verbessert. So haben im Programm für Diabetes mellitus Typ 2 mehr Patienten an regelmäßigen Kontrollen des Fußstatus und des Blutdrucks sowie an Netzhautuntersuchungen teilgenommen. jf Drogenbericht Zahl der Toten auf Höchststand Die Zahl der Drogentoten in Deutschland lag im Jahr 2023 mit 2.227 Fällen auf dem höchsten Wert seit der Datenerfassung. Das geht aus dem jährlichen Bericht der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hervor, der Ende 2024 veröffentlicht wurde. Demnach konsumierten im Jahr zuvor 3,6 Prozent aller Erwachsenen illegale Drogen, inklusive Cannabis waren es 9,6 Prozent. Dabei zeichne sich ein Trend zu einem steigenden Konsum von Kokain sowie anderen Stimulanzien ab. Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen, Burkhard Blienert, forderte verbesserte Maßnahmen im Kampf gegen den illegalen Drogenhandel sowie mehr Prävention, Beratung und Therapie. HK Dem Zi-Praxis-Panel zufolge steigen in Deutschlands Arztpraxen seit Jahren die Kosten stärker als die Einnahmen. Foto: seewhatmitchsee / istockphoto.com
Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 7 Tarifabschluss Medizinische Fachangestellte bekommen mehr Geld Die Tarifgehälter der Medizinischen Fachangestellten (MFA) sind Anfang Januar 2025 um 3,85 Prozent gestiegen. Zwölf Monate später werden die Gehälter nochmals um durchschnittlich 3,4 Prozent angehoben, wobei das Gehaltsplus ab 2026 in den Berufsjahresgruppen unterschiedlich stark ausfällt. Darauf haben sich der Verband medizinischer Fachberufe e.V. (vmf) und die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten Ende 2024 geeinigt. Auch die Ausbildungsvergütungen für MFA werden ab Januar dieses Jahres je nach Ausbildungsjahr auf monatlich 1.000, 1.100 und 1.200 Euro angehoben. Ab 2026 kommen nochmals je 50 Euro dazu. Ebenfalls einigten sich die Tarifparteien auf eine Änderung des Manteltarifvertrags. Die MFA haben nun Anspruch auf 29 Urlaubstage pro Jahr, ab dem 55. Lebensjahr erhöht sich der Anspruch auf 31 Tage. Bei der jährlichen Sonderzahlung wurden bezüglich der Elternzeit Klarstellungen sowie weitere redaktionelle Änderungen in den Manteltarifvertrag eingefügt. Sowohl der Gehaltstarifvertrag als auch der Manteltarifvertrag haben eine Laufzeit von 24 Monaten. Die aktuellen Tarifverträge sind auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein abrufbar unter www.aekno.de/mfa. bre Wie nutzerfreundlich ist das eLogbuch? Die Bundesärztekammer hat eine Online-Umfrage zur Nutzerfreundlichkeit des elektronischen Logbuchs (eLogbuch) gestartet. Weiterzubildende und Weiterbildungsbefugte können daran noch bis einschließlich 17. Februar freiwillig und anonym teilnehmen. Das eLogbuch soll Schritt für Schritt die Papierlogbücher ersetzen. Die Ergebnisse der Umfrage sollen auf dem 129. Deutschen Ärztetag Ende Mai in Leipzig präsentiert werden. Nutzer des eLogbuchs können über einen Link teilnehmen, der ihnen über die Mitteilungsfunktion in ihrem eLogbuch-Konto zur Verfügung gestellt wird. Der Login erfolgt über das Kammerportal www. meineaekno.de. bre/BÄK Kurz gemeldet 43 neue ArzneimittelWirkstoffe eingeführt Pharmaunternehmen haben 2024 in Deutschland 43 Medikamente mit neuem Wirkstoff auf den Markt gebracht. Das ist dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zufolge ein deutlicher Anstieg gegenüber 2023 mit 30 neuen Wirkstoffen. Bei den Anwendungsgebieten liegen Krebs- und Immunologische Erkrankungen mit zwölf und zehn Innovationen weit vorne. Wie der vfa weiter mitteilt, haben die Pharmaunternehmen 2024 zwei Reserveantibiotika auf den Markt gebracht. Das reiche allerdings nicht aus, um mit der Verbreitung neuer Resistenzen Schritt zu halten. Der vfa fordert mehr Forschungsanreize. HK Die Tarifpartner einigten sich auf einen neuen Gehaltstarifvertrag für Medizinische Fachangestellte. Foto: Eberhard Hahne CIRS-Homepage überarbeitet Das Netzwerk CIRS-NRW hat seine Homepage www.cirs-nrw. de neugestaltet. Nach eigenen Angaben wurde das Berichtsformular komprimiert und die Suchfunktion verbessert, sodass die Seite im medizinischen Alltag besser nutzbar ist. Außerdem sei die mobile Ansicht verbessert worden, damit die Seite nun besser auf Smartphones genutzt werden könne. CIRS-NRW ist ein Berichts- und Lernsystem zur anonymen Meldung von kritischen Ereignissen in der Patientenversorgung. Es soll Angehörigen der Gesundheitsberufe ermöglichen, sich über (Beinahe-)Fehler auszutauschen, daraus zu lernen und so die Patientensicherheit zu verbessern. MST Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und ZusatzWeiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 19. bis 23. Mai 2025. Anmeldeschluss: Freitag, 21. März 2025 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche La- dung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Arzneimittel Weiterhin gibt es Lieferengpässe Der Gesetzgeber hat mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetz von 2023 sein Ziel nicht erreicht, die Versorgungssicherheit nachhaltig zu verbessern. Zu dieser Einschätzung gelangte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) nach einer Auswertung der vertragsärztlichen Arzneiverordnungsdaten für die Jahre 2022 bis 2024. Derzeit sind demnach mehr als drei Millionen Versicherte von Lieferengpässen betroffen. Die Engpässe hätten Ende des 3. Quartals 2024 wieder das Niveau von Anfang 2022 erreicht, so das Zi. Auch die Lieferengpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte verzeichne nach wie vor mehr als 500 Präparate. Nach Ansicht des Zi hat der Gesetzgeber trotz zahlreicher finanzieller Anreize das Strukturproblem ungelöst gelassen: die zu geringe Anzahl der Wirkstoffhersteller. HK
Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 Service für Patienten Beschwerdewesen bei der Ärztekammer Nordrhein teilung der ÄkNo ist der richtige Adressat bei Fragen rund um Patientenrechte oder dem Verdacht auf einen Verstoß gegen Berufsordnung. Auf der Seite „Beschwerde einlegen“ wird genau erklärt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit das Anliegen von der ÄkNo bearbeitet wird. Auch steht auf der Seite ein beschreibbares PDFFormular zur Einreichung der Beschwerde sowie eine Schweigepflichtentbindungserklärung zur Verfügung, die der Beschwerde führende Patient unterzeichnet mit dem Beschwerdeformular bei der Rechtsabteilung der ÄkNo einreichen muss, damit diese bearbeitet werden kann. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail- Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre Patientinnen und Patienten finden auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) www.aekno.de ausführliche Informationen dazu, wie sie eine Beschwerde einreichen können. Denn bei Streitigkeiten zwischen Ärzten und Patienten, die aus dem Behandlungsverhältnis resultieren, haben letztere die Möglichkeit, sich mit ihrem Anliegen an die Ärztekammer Nordrhein zu wenden. Die Seite findet sich in der Rubrik „Patienten“ unter dem Stichwort „Beschwerde einlegen“. Je nach Anliegen sind verschiedene Stellen bei der ÄkNo zuständig, wie beispielsweise die GOÄ-Abteilung bei Fragen zu privatärztlichen Honorarforderungen oder die Gutachterkommission, wenn es sich um einen vermuteten Behandlungsfehler handelt. Die RechtsabDie digitale Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten sowie der Angehörigen der Gesundheitsberufe soll mithilfe zielgruppengerechter Angebote weiter ausgebaut werden. Ebenso müsse die Entwicklung von Cybersicherheitskompetenzen in der ärztlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung zunehmend berücksichtigt werden. Das sind Empfehlungen der Landesgesundheitskonferenz (LGK), die einmal jährlich tagt. Ende 2024 in Düsseldorf stand die Digitalisierung im Fokus. Zu den wichtigsten Chancen der Digitalisierung gehöre ein vereinfachter und verbesserter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger in NRW beispielsweise durch die Möglichkeiten der Telemedizin, erklärte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Gesundheitsfachkräfte könnten mithilfe von IT von Verwaltungsaufgaben entlastet und der Informationsaustausch auch über räumliche Distanzen hinweg im Sinne der Patienten verbessert werden. Datenschutz, Datensicherheit und die informationelle Selbstbestimmung müssten dabei stets gewahrt bleiben, forderte die LGK. Der vollständige Beschluss des Gremiums, der als Richtschnur für Anpassungen im Gesundheitswesen dient, findet sich unter www.mags.nrw/ landesgesundheitskonferenz. HK Chancen nutzen: Die Digitalisierung soll den Zugang zur medizinischen Versorgung vereinfachen und verbessern sowie Verwaltungsabläufe erleichtern. Landesgesundheitskonferenz Digitale Gesundheitskompetenz soll gefördert werden Länder GMK legt Fokus auf Prävention Thüringen, das turnusgemäß am 1. Januar den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) übernommen hat, will im kommenden Jahr einen besonderen Schwerpunkt auf Prävention und Gesundheitsförderung legen. Das hat Gesundheitsministerin Katharina Schenk angekündigt. Neben der Förderung von gesundheitlicher Chancengleichheit gehe es auch darum, die gesundheitlichen Folgen von Maßnahmen in anderen Politikbereichen wie Umwelt, Verkehr oder Bildung zu berücksichtigen. Ziel sei es unter anderem, eine Öffentliche Gesundheitsstrategie zu entwickeln. HK Organspende Stagnation auf niedrigem Niveau Im vergangenen Jahr haben 953 Menschen nach ihrem Tod Organe für die Transplantation gespendet, 2023 waren es 965. Insgesamt konnten 2.854 Organe entnommen und über die Vermittlungsstelle Eurotransplant verteilt werden. Wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) weiter mitteilte, stehen allerdings allein in Deutschland 8.260 Menschen auf den Wartelisten für eine Organtransplantation. Die DSO sprach sich vor diesem Hintergrund erneut für die Einführung einer Widerspruchslösung aus, die aber von weiteren strukturellen Veränderungen flankiert werden müsse, wie beispielsweise der syste- matischen Erfassung möglicher Organspender auf den Intensivstationen. HK Foto:ipopba / istockphoto.com
Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 9 Gewaltopfer Spurensicherung ist Kassenleistung Die Kosten für die sogenannte vertrauliche Spurensicherung in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern tragen zukünftig die gesetzlichen Krankenkassen. Der entsprechende Beschluss soll im Februar dieses Jahres in Kraft treten und dann schrittweise umgesetzt werden, teilte die NRW-Landesregierung mit. Zur vertraulichen Spurensicherung gehören die Dokumentation von Verletzungen sowie die Sicherung von Tatspuren am Körper von Betroffenen. Die gerichtsfest dokumentierten Befunde und Tatspuren stehen so auch bei späterer Anzeige und damit in einem späteren Strafverfahren als Beweismittel zur Verfügung. jf Kinder Psychosomatische Leiden nehmen zu In Nordrhein leidet ein Viertel der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren regelmäßig an zwei oder mehr psychosomatischen Beschwerden wie Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen, Niedergeschlagenheit, Gereiztheit oder Nervosität sowie Einschlafproblemen oder Benommenheit. Das zeigt der Kindergesundheitsatlas 2024, für den die AOK Rheinland/Hamburg rund 5.000 Eltern befragt hat. Über ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen zeigen ihren Eltern zufolge eines dieser psychosomatischen Symptome. Laut Kindergesundheitsatlas können emotionale Belastungen wie Zukunftsangst oder Mobbing Gründe für psychosomatische Beschwerden sein. www.aok.de/mk/rh/ kindergesundheitsatlas/. jf Transplantationen Prüfer ziehen positive Bilanz ihrer Arbeit Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 35 Transplantationsprogramme überprüft, innerhalb derer in den Jahren 2016 bis 2021 gut 10.000 Transplantationen vorgenommen wurden. Foto: sturti / istockphoto.com Die für die Prüfung der Transplantationszentren in Deutschland zuständigen Kontrollgremien von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKVSpitzenverband haben in ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht erneut eine positive Bilanz gezogen. Richtlinienvorgaben seien ganz überwiegend eingehalten worden und man habe keinerlei Anhaltspunkte für Manipulationen feststellen können, heißt es dort. Im Berichtszeitraum wurden die Herztransplantationen der Jahre 2016 bis 2018 sowie die Herz-, Lungen-, Leber-, Nieren- und Pankreastransplantationen der Jahre 2019 bis 2021 überprüft. Zurzeit sind in Deutschland 46 Transplantationszentren mit 129 Transplantationsprogrammen zugelassen. Ebenfalls Bestandteil des Tätigkeitsberichts ist die Arbeit der unabhängigen Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, bei der Auffälligkeiten und Verstöße gegen das Transplantationsrecht gemeldet werden können. Dort gingen dem Bericht zufolge insgesamt 30 Meldungen ein, bei denen es sich überwiegend um individuelle Fragen zur Wartelistenführung und Verteilungsgerechtigkeit bei postmortalen Organspenden Weiterbildung Allgemeinmedizin Interesse an Quereinstieg steigt Das Interesse der nordrheinischen Fachärztinnen und Fachärzte am Quereinstieg in die Allgemeinmedizin ist im Jahr 2023 gestiegen. Laut aktuellem Jahresbericht der Ärztekammer Nordrhein erreichten die Weiterbildungsabteilung der Kammer exakt 142 Anfragen zum allgemeinmedizinischen Quereinstieg (2022: 106). Dabei stammten die meisten der interessierten Ärztinnen und Ärzte aus der Anästhesiologie (60), gefolgt von der Inneren Medizin (41) und der Chirurgie (24). Im Rahmen des Quereinstiegs können Fachärzte verschiedener Fachrichtungen unter Verkürzung ihrer Weiterbildungszeit eine Facharztkompetenz auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin erwerben. Dabei entscheidet die Weiterbildungskommission der Ärztekammer Nordrhein in jedem Einzelfall, welche Weiterbildungsabschnitte mit welchen Inhalten den Kandidaten aus ihrer bereits erworbenen Facharztqualifikation auf das Gebiet der Allgemeinmedizin angerechnet werden können und welche Abschnitte noch absolviert werden müssten. Der Facharzttitel wird nach Abschluss der Weiterbildung im Rahmen einer Facharztprüfung erworben. Im Zeitraum zwischen 2019 und 2023 haben in Nordrhein 136 Ärztinnen und Ärzte im Rahmen des Quereinstiegs die Facharztanerkennung Allgemeinmedizin erhalten. Fachärztinnen und -ärzte mit Interesse am Quereinstieg in die Allgemeinmedizin richten eine formlose Bitte um Prüfung eines Quereinstiegs mitsamt den notwendigen Weiterbildungszeugnissen in Kopie und einem ausführlichen Lebenslauf an wbantrag@aekno.de. MST sowie um inhaltliche und verfahrensbezogene Fragen der Lebendorganspende handelte, erklärte der Leiter der Vertrauensstelle, Professor Dr. Michael Lindemann. Der vollständige Bericht ist unter www.baek.de abrufbar. HK
10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 Magazin – Studium und Berufseinstieg Mail aus Essen Hannah Stamm Foto: privat Im Dezember habe ich mit dem Lernplan für das zweite Staatsexamen begonnen, das ich – wenn alles nach Plan läuft – im April 2025 absolvieren werde. Ab Mai folgt dann das Praktische Jahr (PJ) und dann ist es auch wirklich schon vorbei, das Medizinstudium. Das Ende des Studiums schien immer in unerreichbarer Ferne und jetzt geht doch alles viel schneller als erwartet – zu schnell, um ehrlich zu sein. Die letzten Jahre scheinen plötzlich verflogen. Lange stand keine wirkliche Entscheidung an, denn das Studium gibt einem ziemlich genau vor, welches Fach man wann zu belegen hat und was man wann zu lernen hat. Und jetzt? Eine Entscheidung nach der nächsten: Wo möchte ich mein PJ machen? Welches Wahltertial möchte ich belegen? Wie soll es eigentlich danach weitergehen? Sind das jetzt vielleicht meine letzten Monate in Essen? Wo werden die Leute landen, mit denen ich seit mehr als fünf Jahren meinen Alltag teile? Und wovon mache ich meine Entscheidungen überhaupt abhängig? All diese Entscheidungen sind natürlich geprägt durch das Privileg, eine Fülle von Möglichkeiten und Optionen zu haben. Dafür bin ich wahnsinnig dankbar. Für mich werden wohl einige Veränderungen anstehen. Das ist sehr aufregend und stimmt mich erwartungsvoll. Aber es schwingt auch viel Unsicherheit, Respekt vor den neuen Aufgaben und eine große Portion Wehmut über das Ende einer so prägenden Zeit mit. Ich bin gespannt, was meine Antworten auf all die Fragen sein werden und freue mich auf einen neuen Abschnitt. Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir unter medizinstudium@aekno.de. Landarztquote Bewerbungsfrist endet am 31. März Der Bewerbungszeitraum für einen Studienplatz der Humanmedizin nach dem Landarztgesetz Nordrhein-Westfalen für das Wintersemester 2025 / 2026 läuft vom 1. bis 31. März 2025. In diesem Zeitraum ist das Bewerberportal für die Antragstellung geöffnet. In den darauffolgenden rund vier Monaten finden die weiteren Bewerbungsschritte statt. Dazu gehören Auswahlgespräche, das Nachrückverfahren und die Erteilung der Zulassungsbescheide der Stiftung für Hochschulzulassung. Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren sind unter anderem die deutsche Staatsbürgerschaft sowie die Allgemeine oder eine Fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung. Der Nachweis über Qualifikationen oder einschlägige Berufserfahrung in pflegerischen oder therapeutischen Ausbildungsberufen ist keine Zulassungsvoraussetzung, kann allerdings die Chancen erhöhen, zum Studium nach der Landarztquote zugelassen zu werden, erklärt das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. In einem ersten Schritt ist der Antrag über das Bewerberportal online zu stellen und anschließend muss dieser mit weiteren Nachweisen an das Landeszentrum geschickt werden. Berufsurkunden oder das Abiturzeugnis müssen in beglaubigter Form vorliegen. Das Landeszentrum gibt über die Homepage Auskunft darüber, welche weiteren Formalitäten beim Bewerbungsverfahren zu beachten sind und stellt ebenfalls eine Checkliste für die Bewerbung nach Landarztgesetz sowie eine Seite mit häufigen Fragen bereit unter www.lzg.nrw.de/lag. bre Patientensteuerung Hartmannbund fordert Notfallreform ein Der Arbeitskreis „Junge Ärztinnen und Ärzte“ im Hartmannbund hat die Politik aufgefordert, die Reform des Notfalldienstes in Angriff zu nehmen. Diese müsse wie die Krankenhausreform und die Stärkung der ambulanten Strukturen mit adäquaten Instrumenten zur Patientensteuerung und gesundheitlichen Aufklärung verknüpft werden. „Im vergangenen Jahr wurden 12,4 Millionen ambulante Notfälle in den Krankenhäusern versorgt. Aus dem ärztlichen Alltag wissen wir aber, dass viele Patientinnen und Patienten den Rettungsdienst unnötig in Anspruch nehmen und die Notaufnahme auch während der ambulanten Sprechzeiten aufsuchen und das selbst, wenn eine ambulante Behandlung ausreichend gewesen wäre“, sagte Dr. Moritz Völker, Vorsitzender des Arbeitskreises. Den Patienten sei oft nicht bewusst, dass sie damit Strukturen für tatsächliche akute Notfälle blockierten. „Die Gefahr besteht darin, dass dadurch die Versorgung am Ende insgesamt schlechter wird, da die Ressourcen schlicht begrenzt sind und die Notaufnahmen schon jetzt am Limit arbeiten.“ Zur Entlastung schlägt der Hartmannbund neben der Schaffung integrierter Notfallzentren eine digitale Triage mit Steuerungseffekt vor, die als erste Versorgungsstufe den Weg durch das Gesundheitssystem leiten könne. bre Hartmannbund: Mehr Versorgungssicherheit auch im Notfalldienst kann durch eine bessere Patientensteuerung erreicht werden. Foto: creativ studio/Fotolia.de Ärztliche Körperschaften im Internet Ärztekammer Nordrhein www.aekno.de Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein www.kvno.de Ärzteversorgung Nordrhein www.nordrheinischeaerzteversorgung.de
START-UPIN DIE Beratungsangebote Digitalisierung in der Praxis BWL-Grundlagen Hygienemanagement Qualitätsmanagement Abrechnung und Honorar Verordnung von Arzneimitteln und Sprechstundenbedarf 6. Juni — 7. Juni 2025 29. August — 30. August 2025 10. Oktober — 11. Oktober 2025 THEMEN TERMINE Alle Infos rund um den Praxiseinstieg in Nordrhein Zweitägige Informationsveranstaltung für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Niederlassungsphase Weitere Informationen sowie die Online-Anmeldung finden Sie unter kvno.de/termine. Anmeldung erforderlich Zertifiziert mit 11 Punkten Arzt sein in Ein Service der KV Nordrhein. NORDRHEIN AMBULANTE VERSORGUNG Bild: eakgrungenerd | AdobeStock
Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 Die Coronapandemie, die Flutkatastrophe an der Ahr, der Ukraine-Krieg: Für den Sachverständigenrat (SVR) Gesundheit und Pflege waren diese Ereignisse Anlass, die Krisenfestigkeit des Gesundheitssystems näher zu untersuchen. Das ernüchternde Fazit: „Aus den aktuellen Krisen wurden bislang nicht die notwendigen Schlüsse gezogen“, erklärte Ende Januar 2023 der damalige SVR-Vorsitzende Professor Dr. Ferdinand Gerlach bei der Vorstellung des Gutachtens mit dem Titel „Resilienz im Gesundheitswesen. Wege zur Bewältigung künftiger Krisen“. „Die bisherige Selbstwahrnehmung, dass in Deutschland alles gut organisiert ist und wir angesichts eines ausdifferenzierten Rettungs- und Gesundheitssystems bestens auch auf unvorhergesehene Entwicklungen vorbereitet sind, war und ist trügerisch“, warnte Gerlach damals. Das System sei ein „behäbiges Schönwettersystem“, das unter unzulänglicher Digitalisierung leide und zwischen Bund, Ländern und Kommunen unzureichend koordiniert sei. Nicht nur das Gesundheitssystem, das ganze Land müsse dringend krisenresistenter und strukturell widerstandsfähiger, also resilienter werden, so der SVR. An den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen hat sich seither nichts Grundlegendes geändert. Während jedoch der SVR den Fokus seiner Untersuchung noch auf die Folgen des Klimawandels und die Coronapandemie legte, rücken seit Neuestem in Gutachten, Podiumsdiskussionen und Expertenforen die Auswirkungen von militärischen Konflikten, Cyberattacken oder Terroranschlägen auf die Gesundheitssicherheit (siehe Kasten) in den Mittelpunkt. Die jüngste Veröffentlichung mit dem Titel „Resilienz und Gesundheitssicherheit im Krisen- und Bündnisfall“ stammt vom „Expertenrat Gesundheit und Resilienz“ im Bundeskanzleramt, dem Nachfolgegremium des Corona-Expertenrats. Der Rat geht dabei in seiner Stellungnahme aus dem Dezember 2024 von der Prämisse aus, dass einem robust aufgestellten und resilienten Gesundheitssystem und Gesundheitlichen Bevölkerungsschutz in Krisen und Kriegen eine herausragende und stabilisierende Rolle zukommt. Cyberangriffe auf Kliniken Die Analyse basiert auf der Annahme, dass angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage militärische Konflikte für Deutschland und Europa nicht mehr ausgeschlossen werden können. Das hat man so zuletzt in Zeiten des Kalten Krieges gehört. Durch seine NATO-Mitgliedschaft werde Deutschland zum potenziellen Angriffsziel, so der Expertenrat, wobei verschiedene Eskalationsstufen vorstellbar seien. Schon jetzt sei die kritische Infrastruktur des Landes, zu der auch die Krankenhäuser zählen, Ziel von Cyberangriffen. Es bestehe zudem das Risiko von Sabotageakten gegen die Strom-, Wasser- und IT-Infrastruktur sowie Industrieanlagen, die alle das Potenzial haben, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung zu beeinträchtigen, schreibt der Expertenrat. Foto: gpointstudio / istockphoto.com Nur bedingt krisenfest Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 hat eine Zeitenwende in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eingeläutet. Auch das Gesundheitssystem müsse sich besser rüsten für Katastrophen, Krisen und Krieg. Noch sei es ein „behäbiges Schönwettersystem“, das unter unzulänglicher Digitalisierung und Fragmentierung leide, meint etwa der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege. von Heike Korzilius
Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 13 Sollte es zu einem militärischen Angriff auf einen NATO-Partner Deutschlands kommen, würde das Land aufgrund seiner geografischen Lage zur logistischen Drehscheibe der Bündnispartner. Das bedeutet dem Expertenrat zufolge, dass die Logistik für hunderttausende alliierte Soldatinnen und Soldaten in und auf dem Weg durch Deutschland koordiniert werden müsste – inklusive der medizinischen Versorgung Verwundeter. Dazu käme im Ernstfall eine große Zahl von Flüchtlingen aus den Kampfgebieten, die ebenso versorgt werden müssten. Da die Sanitätskräfte der Bundeswehr maßgeblich im Rahmen der militärischen Verteidigung, sprich an der Front, gebunden wären, müssten die zivilen medizinischen Einrichtungen die Versorgung von Verwundeten unterstützen. Im Fall der letzten Eskalationsstufe, der Landesverteidigung, würden sich die Bedingungen weiter verschärfen, weil neben der Versorgung einer erheblichen Zahl von verwundeten Soldaten auch verletzte Zivilpersonen versorgt werden müssten, wobei davon auszugehen sei, dass durch die Kampfhandlungen auch die Gesundheitsinfrastruktur selbst beeinträchtigt wäre. „Mit den Vorbereitungen auf diese möglichen Szenare muss umgehend begonnen werden, um die Resilienz des Gesundheitssystems adäquat zu erhöhen und die Gesundheitssicherheit des Landes gewährleisten zu können“, fordert der Expertenrat in seiner Stellungnahme und gibt zugleich Empfehlungen. Entscheidend, so der Rat, sei eine deutlich verbesserte, strukturierte zivil-militärische Zusammenarbeit. Gemeinsame Verfahren müssten weiterentwickelt und regelmäßig geübt werden. Der Rat hebt hier besonders die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung zwischen dem Sanitätsdienst der Bundeswehr, zivilen medizinischen Einrichtungen und Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz hervor. Um das Ganze auf rechtlich sichere Füße zu stellen, fordert der Expertenrat, das Gesundheitssicherstellungsgesetz, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bereits im März 2024 angekündigt hatte, schnellstmöglich zu verabschieden. Der Expertenrat sieht in seiner Stellungnahme aber auch eine aktivere Rolle für die Bürgerinnen und Bürger vor. Sie müssten für die militärische Gefahrenlage sensibilisiert und motiviert werden, Vorsorge zu treffen und sich an der Verbesserung der Resilienz aktiv zu beteiligen. Auch die Bevorratung bestimmter Arzneimittel und Medizinprodukte sowie regelmäßige Ernstfallübungen für Gesundheitskrisen sollten gesetzlich verankert werden. Der Expertenrat stellt zugleich klar, dass auch im Krisen- und Bündnisfall neben der Versorgung von Verwundeten weiterhin die bestmögliche medizinische Versorgung der zivilen Bevölkerung, insbesondere vulnerabler Gruppen, sichergestellt werden müsse. Die Einschätzungen und Empfehlungen des Rates decken sich im Großen und Ganzen mit denen der Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Ärzteschaft, Katastrophenschutz und Bundeswehr, die im Oktober 2024 in Berlin zusammengekommen waren. Die Bundesärztekammer (BÄK) hatte unter dem Motto: „Bedingt abwehrbereit? Die Patientenversorgung auf den Ernstfall vorbereiten“ zu einem Dialogforum eingeladen. „Unser Land erlebt eine Zeit wachsender Bedrohungen von innen wie außen“, erklärte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhard im Vorfeld der Veranstaltung. Die Frage nach der Krisenresilienz stelle sich in einer seit Jahrzehnten nicht gekannten Dringlichkeit. „Das gilt auch und gerade für das Gesundheitswesen, das für die Daseinsvorsorge und den gesellschaftlichen Zusammenhalt von zentraler Bedeutung ist“, so Reinhardt. Keine sichere Zeit „Ich fühle mich zurzeit bedroht“, beschrieb Generalstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann in Berlin den Ernst der Lage. „Seit Beginn des Krieges in der Ukraine leben wir nicht mehr in einer sicheren Zeit.“ Die Bedrohung sei real und man könne ihr nur mit Stärke entgegentreten, mit dem Signal, dass man verteidigungsbereit und vorbereitet sei. Hoffmann betonte, dass es bereits jetzt einen engen Schulterschluss zwischen dem zivilen Sektor und der Bundeswehr gebe. So seien die bundesweit fünf Bundeswehrkrankenhäuser eng eingebunden in das zivile Versorgungssystem. „Die Bilder, die wir kennen, sind die von Angehörigen der Bundeswehr, die bei Naturkatastrophen zivile Helfer unterstützen“, sagte Hoffmann. Im Krieg wäre es umgekehrt. Darauf müsse man sich vorbereiten. „Bei einem Gefecht mit einem gleichwertigen Gegner rechnen wir mit 300 bis 1.000 krankenhauspflichtigen Patienten am Tag, die aus dem Einsatzgebiet zur Behandlung nach Deutschland zurückgeführt werden müssen“, so der Generalstabsarzt. Die Besonderheit an diesem Szenario: „Das findet nicht an ein, zwei oder drei Tagen statt, sondern über Monate oder Jahre hinweg – jeden Tag.“ Dafür müsse sich das Gesundheitssystem in Deutschland wappnen. Mit Blick auf die aktuelle Krankenhausreform regte Hoffmann an, sicherheitspolitische Herausforderungen mitzuberücksichtigen. Gesundheitssicherheit oder Health Security beschäftigt sich mit der Vorbereitung auf gesundheitliche Großschadenslagen und mit deren Bewältigung. Darunter fallen zum Beispiel Natur- oder andere Katastrophen, Anschläge und Krieg. Das Gesundheitsversorgungssystem, der öffentliche Gesundheitsdienst und der Gesundheitliche Bevölkerungsschutz sind gleichermaßen Gegenstand der Gesundheitssicherheit. Sind diese resilient aufgestellt, kann dies zum Schutz vor inneren und äußeren Risiken beitragen, erklärt der „Expertenrat Gesundheit und Resilienz“ in seiner siebten Stellungnahme. Über resiliente Systeme schreibt der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege in seinem Gutachten 2023, sie seien trotz unvorhergesehener Ereignisse in komplexen Situationen weiter funktionsfähig und gingen aus diesen idealerweise sogar gestärkt hervor. Gesundheitssicherheit und Resilienz
14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025
Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 15 Spezial Ein Abschied Stück für Stück An demenziellen Erkrankungen leiden überwiegend ältere Patienten. Doch auch immer mehr Menschen unter 65 Jahren erkranken an Demenz, wenn auch deutlich seltener. Junge Betroffene wünschen sich eine Versorgung, die besser auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. von Marc Strohm Lieselotte Klotz ist eine lebensfrohe Frau. Sie ist leidenschaftliche Seglerin, politisch interessiert und hört am liebsten die Musik der Kölner Mundart-Band Bläck Fööss. In die Ärztekammer Nordrhein kommt die 64-Jährige an diesem verregneten Dezembermorgen in einem cremefarbenen Rollkragenpulli, ein Goldkettchen ziert ihren Hals. Sie geht am Rollator, den sie für die Vorweihnachtszeit mit einer bunten Lichterkette geschmückt hat. Dass sie seit knapp acht Jahren unter einer Lewy-Body-Demenz leidet, merkt Unterstützung für jung Betroffene Nach Schätzungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sind in Deutschland rund 100.000 Patientinnen und Patienten unter 65 Jahren an einer Demenz erkrankt. Für Betroffene gebe es vielerorts keine Angebote, die auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten sind, kritisiert Lieselotte Klotz (kleines Bild). Die heute 64-Jährige erhielt ihre Diagnose einer Lewy-Body-Demenz im Alter von 58 Jahren und setzt sich seither für eine bessere Versorgung von (jungen) Patienten mit Demenz ein. „Für viele Betroffene wäre ein strukturierter Demenzversorgungspfad sowie ein Demenzcoach ein Segen“, sagt sie. Foto groß: imaginima / istockphoto.com Foto klein: privat
16 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 Spezial man im Gespräch mit ihr kaum. Sie redet gerne und lacht viel. Nur manchmal gerät sie ins Stocken und ringt nach Fachbegriffen. „Viele Menschen denken bei Demenz automatisch an das letzte Stadium der Erkrankung, wenn sich die Patienten nicht mehr selbst versorgen können. Dass manche Formen, wie beispielsweise die Lewy-Body-Demenz, einer Achterbahnfahrt gleichen, weiß kaum jemand,“ erklärt sie im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. So gebe es Tage, an denen sie sich äußerst fit fühle. Doch es gebe auch Tage und Momente, in denen sie unter Halluzinationen und starken Gleichgewichtsstörungen leide oder plötzlich erstarre. Bis zu ihrer Diagnose führte Lieselotte Klotz, die Freunde „Lilo“ nennen, „ein Leben auf der Überholspur“, wie sie sagt. Sie war Geschäftsführerin eines größeren IT-Unternehmens in Düsseldorf, trug Verantwortung für rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, engagierte sich politisch, zog drei Kinder größtenteils alleine groß und pflegte ihre an Alzheimer erkrankte Mutter. Dann änderte sich ihr Leben schlagartig. Im Jahr 2017 begannen die Halluzinationen. Sie sah Tiere, die nicht da waren. Bei der Arbeit verstand sie von ihr selbst erstellte Unterlagen nicht mehr, hatte Schwierigkeiten, längeren Meetings zu folgen und erkannte auf Veranstaltungen jahrelange Geschäftspartner nicht mehr. Klotz versuchte, die Symptome zu ignorieren, vermutete selbst einen Burn-Out. Ihre Kinder, die ebenfalls bemerkten, wie sich ihre Mutter veränderte, drängten sie dazu, die Symptome ärztlich abklären zu lassen. Auch Klotz‘ Arzt vermutete zunächst eine Depression oder einen Burn-Out. Den späteren Verdacht auf eine Lewy-Body-Demenz bei der damals 58-Jährigen bestätigte ein ausführlicher, mehrtägiger Test. „Ich habe zuerst versucht, so weiterzuleben wie bisher“, sagt Klotz. Doch die Bewältigung ihres Arbeitsalltags sei ihr zunehmend schwerer gefallen. Nach einem längeren Aufenthalt in einer neurologischen Klinik erhielt Klotz von ihrem Arbeitgeber die Kündigung — ohne Vorwarnung, ohne vorheriges Gespräch. Es folgte die Frühberentung. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei ein schwerer Schlag für sie gewesen, schildert Klotz. Sie habe sich „nutzlos gefühlt“. Um die Situation zu verarbeiten, habe sie mehrere Monate in einer psychosomatischen Klinik verbracht. Die folgenden Jahre prägte das Stigma einer demenziellen Erkrankung: Langjährige Freunde brachen den Kontakt ab, zu manchen Feiern und Dorffesten wurde sie nicht mehr eingeladen. „Ich habe noch immer das Gefühl, dass ich von meinem Umfeld oft auf meine Erkrankung reduziert werde“, sagt Klotz. Die größte Herausforderung sei allerdings, bewusst zu erleben, wie sich der eigene Gesundheitszustand allmählich verschlechtert. Multitasking funktioniere nicht mehr, und sie leide unter Gangunsicherheit. Ihren Rollator habe sie zu Beginn gehasst, nun sehe sie ihn als Chance, um weiter mobil zu bleiben. Große Angst habe sie davor, ihre erwachsenen Kinder mit ihrer Erkrankung zu belasten. Sie erinnert sich, wie ihre in Japan lebende Tochter einmal sagte: „Mit jedem Besuch verliere ich meine Mutter ein Stückchen mehr.“ Lieselotte Klotz findet es schwierig, die psychischen Auswirkungen der Erkrankung abzufedern. „Mir hilft nur radikale Akzeptanz, nicht den Lebensmut zu verlieren“, betont sie. Mut schöpft sie auch aus ihren Ehrenämtern. Unter anderem engagiert sie sich bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, beim Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen sowie bei der European Working Group People with Dementia. Sie hält Vorträge, unterstützt Forschungsprojekte und setzt sich politisch für Menschen mit Demenz ein. „Ich will aufklären und damit zur Entstigmatisierung beitragen“, sagt sie. Demenz – oft zu spät erkannt Dass Menschen wie Lieselotte Klotz bereits in einem Alter von unter 65 Jahren an einer Demenz erkranken, sei selten, sagt Professor Dr. Frank Jessen, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Köln, im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Nach Zahlen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sind von den rund 1,8 Millionen Patienten mit Demenz in Deutschland lediglich fünf Prozent jünger als 65 Jahre. Während ältere Patienten häufig an Alzheimer litten, seien die unter 65-Jährigen mehrheitlich von einer frontotemporalen Demenz betroffen, erklärt Jessen. Diese äußere sich im frühen Stadium bei jedem Patienten unterschiedlich und mache sich häufig durch Persönlichkeitsveränderungen, wie ein enthemmtes soziales Verhalten, oder Sprachstörungen bemerkbar. Erst in einem späteren Stadium träten dann Gedächtnisprobleme auf, die an Alzheimer erinnerten. Da demenzielle Erkrankungen bei jüngeren Menschen sehr selten vorkämen, seien sie schwierig zu diagnostizieren. Haus- und Fachärzte würden bei dieser Patientengruppe häufig nicht an demenzielle Erkrankungen denken, so Jessen. Vor wenigen Jahren habe er selbst einen 34-jährigen Patienten behandelt, der über Gedächtnisprobleme klagte. Anfangs habe er eine Depression vermutet. „Erst als im Verlauf der Zeit weitere kognitive Störungen auftraten, konnte ich die Diagnose einer Alzheimer-Erkrankung stellen“, erinnert sich Jessen. Dabei sei die Früherkennung bei Demenz besonders wichtig, denn die Erkrankung gehe mit einer dramatisch verkürzten Lebenszeit einher. Bei Ein Angebot, das sich speziell an jung an Demenz Erkrankte und ihre Angehörigen in Nordrhein-Westfalen richtet, ist das Selbsthilfeprojekt „JaDe.“ In kostenfreien Wochenendendworkshops und weiteren Formaten informiert JaDe zu Themen wie Vorsorge, persönliche Assistenz sowie Berufstätigkeit. Informationen: www.alzheimer-nrw.de/aktivitaeten-projekte/jade Ein Angebot für jung Erkrankte
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