Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2025 17 Spezial Auch Lieselotte Klotz fühlte sich nach ihrer DemenzDiagnose allein gelassen. Sie hätte sich bessere Informationen über bestehende Angebote gewünscht, insbesondere, um sich im „Antragsdschungel“ der Pflegestufen zurechtzufinden, meint Klotz. „Ein Demenzcoach, der Betroffene zum Beispiel bei Behördengängen begleitet, wäre für viele ein Segen und könnte dazu beitragen, dass Patienten möglichst lange selbstständig bleiben.“ Klotz setzt sich darüber hinaus für strukturierte Versorgungspfade für von Demenz Betroffene ein. „Menschen mit Demenz werden zu schnell aufs Abstellgleis gestellt“, kritisiert sie. Dabei lasse sich der Alltag mit den richtigen Hilfen oft gut bewältigen. Großes Potenzial, um möglichst lange selbstständig zu sein, sieht Klotz in der Digitalisierung. „Das Smartphone ist mein Gehirn“, sagt sie. Dort sammelt sie alle wichtigen Papiere und organisiert ihre Termine. Ein Timer mit Piepton erinnert sie daran, notwendige Medikamente einzunehmen. Ihr Haus hat sie barrierefrei eingerichtet und Smarthome-Technologien installiert, etwa um Lampen zu steuern. Auch auf Künstliche Intelligenz will Klotz nicht mehr verzichten, etwa, um sich Texte zusammenfassen zu lassen. Wenn sie etwas nicht mehr schaffe, bitte sie andere Menschen um Hilfe. „Auch das fiel mir in der Vergangenheit nicht immer leicht,“ sagt Klotz. Unterstützt werde sie vor allem von ihren Kindern und ihrem Bruder, der mit im Haus lebt. Außerdem gehe sie regelmäßig zur psychosozialen Therapie und zur Ergo-Therapie, nehme logopädische Hilfe in Anspruch und trainiere ihr Gehirn, mit einer App, um der Erkrankung aktiv zu begegnen. Dass sie auf diese Angebote zurückgreifen könne, verdanke sie zu einem großen Teil ihrer guten finanziellen Situation. „Viele Betroffene und deren Familien könnten sich eine vergleichbare Betreuung nicht leisten“, sagt sie mit Blick auf die soziale Ungleichheit in der Versorgung. Lieselotte Klotz weiß, dass die Demenzerkrankung sie irgendwann einmal an ihre Grenzen bringen wird. „Dann wünsche ich mir, dass meine Familie mich weiterhin liebt, auch wenn ich keine eigenen Entscheidungen mehr treffen kann.“ vielen Patienten betrage die Lebenserwartung nach Diagnosestellung weniger als zehn Jahre. Je früher ein Patient die Diagnose erhalte, desto schneller könne er Vorsorgemaßnahmen treffen und beispielsweise eine Patientenverfügung ausstellen. Jessen hofft, dass es künftig mittels Antikörper-Therapie möglich sein wird, die Krankheit im frühen Stadium deutlich zu verlangsamen. Aber auch dafür sei die Voraussetzung eine rechtzeitige Diagnose, sagt Jessen. Damit keine wertvolle Zeit verloren geht, empfiehlt er Patientinnen und Patienten, Gedächtnisprobleme nicht leichtfertig zu ignorieren, sondern umgehend einen Arzt aufzusuchen. Hausärzten rät der Psychiater, die Schilderungen der Patienten ernst zu nehmen und, wenn möglich, auch Ehepartner und Kinder der Betroffenen zu Auffälligkeiten zu befragen. Häufig hätten diese Verhaltensänderungen bereits bemerkt. Im Gespräch mit älteren Patienten empfiehlt Jessen Ärztinnen und Ärzten, regelmäßig auch Gedächtnisprobleme anzusprechen, die auf eine beginnende Demenz hindeuten könnten. Zukunftsfähig aufgestellt? Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft prognostiziert, dass bis 2050 die Zahl der Menschen mit Demenz in Deutschland auf bis zu 2,8 Millionen steigen könnte. Ausreichend vorbereitet auf diesen Zuwachs sei Deutschland nicht, sagt Jessen. Es mangle derzeit an einer ausreichenden Vernetzung von Gedächtnis- Kliniken mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten sowie Beratungsstellen. Vor allem aber würden insbesondere junge Patientinnen und Patienten derzeit zu spät diagnostiziert. Aber auch danach gebe es Lücken. Um die Betroffenen nach einer so schwerwiegenden Diagnose besser auffangen zu können, müssten sie besser über bestehende Hilfsangebote und Sozialleistungen aufgeklärt werden. Für die Familien der Betroffenen sei eine Anbindung an eine Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige sowie psychologische Unterstützung wichtig, um mit einem solchen Schicksalsschlag fertig zu werden. Doch Hilfsangebote, die speziell auf junge Demenzerkrankte zugeschnitten sind, sind Jessen zufolge rar und außerhalb von größeren Ballungszentren praktisch nicht vorhanden. Viele Selbsthilfegruppen und Pflegeheime seien auf hochbetagte Patienten ausgerichtet. Jung Erkrankte, deren Lebensstil sich meist noch deutlich von dem anderer Pflegeheimbewohner unterscheide, fühlten sich dort verständlicherweise nicht wohl. Denn viele jung Erkrankte seien zum Zeitpunkt ihrer Diagnose noch beruflich aktiv, körperlich fit und würden zum Teil minderjährige Kinder großziehen. Schreite die Erkrankung fort und könne der Beruf nicht mehr ausgeübt werden, seien damit oftmals finanzielle Schwierigkeiten verbunden. Vom sozialen Umfeld fühlten sich viele zurückgewiesen, nicht wenige isolierten sich und vereinsamten. „Es ist daher wichtig, dass es Angebote gibt, die speziell auf diese Gruppe zugeschnitten sind,“ fordert Jessen (siehe Kasten S. 16). Wie sich Demenz im frühen Alter auf die Betroffenen auswirkt, welche Präventionsmöglichkeiten bestehen und auf welche Unterstützungsmöglichkeiten Betroffene sowie ihre Angehörigen zurückgreifen können, ist Thema eines Kammersymposiums, das am 19. Februar ab 15 Uhr im Haus der Ärzteschaft stattfindet. Die Veranstaltung flankiert die Eröffnung der Kunstausstellung „DEMENSCH“, die bis zum 29. März im Haus der Ärzteschaft, Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf zu sehen sein wird. Mit 15 gerahmten Bildern arbeitet der Cartoonist Peter Gaymann das Thema Demenz humorvoll auf. Weitere Informationen und die Anmeldung unter: www.aekno.de/veranstaltung-alter Terminhinweis: Demenz im frühen Alter
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