Rheinisches Ärzteblatt 4/2023

26 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 4 / 2023 Während die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abschließend geregelt ist, sieht die privatärztliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ausdrücklich die Möglichkeit der individuellen Honorarvereinbarung zwischen Ärztinnen und Ärzten und deren Patienten vor. von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg Der Verordnungsgeber hat Ärztinnen und Ärzten einen gewissen Spielraum für individuelle vertragliche Regelungen zum Honorar für ihre Leistungen eingeräumt, nach denen eine abweichende Gebührenhöhe durch eine Vereinbarung mit den Patienten gemäß § 2 GOÄ festgelegt werden kann. Vorgaben der Gebührenordnung Hierbei sind nach § 2 GOÄ allerdings ein paar Spielregeln zu beachten. I m Rahmen einer abweichenden Vereinbarung (auch Honorarvereinbarung genannt) kann ein von § 5 Abs. 1 GOÄ abweichender Steigerungsfaktor für in der GOÄ als ärztliche Leistungen definierte Gebührenpositionen (Gebührenrahmen 1,0 - 3,5fach, Schwellenwert 2,3fach) vereinbart werden (§ 2 Abs. 1 S. 1 GOÄ). Die Festlegung eines Pauschalhonorars, einer abweichenden Punktzahl oder eines abweichenden Punktwerts ist unzulässig (§ 2 Abs. 1 S. 3 GOÄ). Die Vereinbarung ist nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Ärztinnen und Ärzten und deren Patienten vor Erbringung der Leistung in einem Schriftstück zu treffen, welches von beiden Vertragspartnern eigenhändig unterschrieben werden muss (§ 2 Abs. 2 S. 1 GOÄ). Die Delegation des Abschlusses einer Honorarvereinbarung an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nicht zulässig. Die Vereinbarung muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag – möglichst handschriftlich eingetragen – auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch den Kostenträger möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten (§ 2 Abs. 2 S. 3 GOÄ). Ärzte haben ihren Patienten eine Kopie der Vereinbarung auszuhändigen. Honorarvereinbarungen können nicht für Leistungen aus den Abschnitten A, E, M und O der GOÄ sowie Leistungen im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 1 StGB getroffen werden (§ 2 Abs. 3 S. 1 GOÄ). Bei stationären Leistungen können Honorarvereinbarungen nur für höchstpersönliche Leistungen des Wahlarztes abgeschlossen werden. N otfall- und akute Schmerzbehandlungen dürfen nicht von einer abweichenden Vereinbarung abhängig gemacht werden (§ 2 Abs. 1 S. 4 GOÄ). Berufsrechtliche Angemessenheit Bei der Wahl des Steigerungssatzes sind Ärztinnen und Ärzte nicht vollkommen frei. Sie dürfen nicht mehr als ein angemessenes Honorar fordern (§ 12 Abs. 1 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte). Zudem ergibt sich dies aus § 138 BGB, der eine sittenwidrige Honorarforderung verbietet. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit der Leistung und deren Zeitaufwand, auch im Rahmen einer Honorarvereinbarung die entscheidenden Kriterien für die Angemessenheit des Honorars. Stellenweise wird insofern auf maximal das Doppelte des Höchstsatzes, das heißt einen Gebührensatz von 7,0, abgestellt. Erstattungsfähigkeit und wirtschaftliche Aufklärung Gebührenvereinbarungen oberhalb des Höchstsatzes des Gebührenrahmens für ärztliche Leistungen (hier 3,5fach) sind zwar grundsätzlich zulässig, aber selten vom Versicherungsvertrag umfasst, sodass die Kosten von den Patientinnen und Patienten selbst zu tragen sind. Darüber, dass eine Kostenübernahme durch Dritte nicht gewährleistet ist, muss der Arzt den Patienten wirtschaftlich aufklären. Individuelle Vereinbarung Auf vorformulierte Honorarvereinbarungen, die nicht ausgehandelt werden, sind die Kontrollbestimmungen für allgemeine Geschäftsbedingungen anwendbar. Der Arzt muss ein berechtigtes Interesse an der Überschreitung des Gebührenrahmens darlegen können. Die Rechtsprechung nimmt dies an, wenn der Patient Leistungen von außergewöhnlicher Qualität oder mit einem besonderen Aufwand in Anspruch nimmt. Begründung Im Gegensatz zur Anwendung eines erhöhten Steigerungssatzes innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens nach § 5 GOÄ, wonach bei Überschreiten des Schwellenwertes stets eine individuelle Begründung erforderlich wird, muss bei Abschluss einer Honorarvereinbarung zur abweichenden Höhe der Steigerungsfaktoren nach § 2 GOÄ das Überschreiten des Regel- oder Höchstsatzes in der Rechnung grundsätzlich nicht gesondert begründet werden. Eine Begründung ist – auf Verlangen des Zahlungspflichtigen – nur dann erforderlich, wenn auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten des Regelsatzes gerechtfertigt gewesen wäre (§ 12 Abs. 3 S. 3 GOÄ). Aus Gründen der Transparenz und zur Vermeidung von Missverständnissen sollte aber zu den entsprechenden Gebührenpositionen ein Hinweis in der Rechnung auf die abgeschlossene Honorarvereinbarung (zum Beispiel „gemäß § 2 GOÄ“ oder „siehe Honorarvereinbarung“) erfolgen. Rechtsfolgen eines Verstoßes Falls Ärztinnen und Ärzte sich bei der Erstellung des Vertrages nicht strikt an die Vorgaben des § 2 GOÄ halten, ist die Honorarvereinbarung gemäß § 134 BGB nichtig. In diesem Fall kann der Arzt das vertraglich vereinbarte Honorar nicht fordern, sondern nur Gebühren nach der GOÄ, das heißt maximal bis zum Steigerungssatz von 3,5. Patientinnen und Patienten haben dann einen Anspruch auf die Erstattung von bereits bezahlten Gebühren (§ 812 BGB). Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung. Praxis – Arzt und Recht – Folge 134 Spielregeln zur Honorarvereinbarung

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