Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 4 / 2024 nicht vertraut oder denen die Wartezeiten auf einen regulären Termin in der Arztpraxis zu lang seien, erklärte Henke. Zwar habe der Bundesgesundheitsminister inzwischen Eckpunkte für eine Reform vorgelegt, die langjährige Forderungen der Ärzteschaft aufgreifen, wie zum Beispiel eine verbindliche Steuerung der Patienten in die für ihre Erkrankung angemessene Versorgungsebene. „Geradezu kontraproduktiv wäre es aber, wenn – wie in den Eckpunkten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgesehen – durch eine rund um die Uhr Versorgung mit telemedizinischen Leistungen und Hausbesuchen Parallelangebote zur Regel- und Notfallversorgung geschaffen werden“, sagte Henke. Solche Angebote seien weder medizinisch notwendig, noch könnten sie angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels umgesetzt werden. Die Kammerversammlung unterstrich diese Einschätzung mit einem Beschluss, in dem sie zugleich eine angemessene Beteiligung der Ärztekammer an der Notfallreform einforderte. Die Abgeordneten sprachen sich zudem für eine separate Finanzierung der Vorhaltekosten des ärztlichen Notdienstes aus. Dessen Strukturen hätten sich mit der Einrichtung von Portalpraxen und Fahrdiensten sowie der Beschäftigung von Ärztinnen und Ärzten im Notdienst derart verändert, dass eine Umlagefinanzierung aus den Honoraren der Vertragsärzte nicht mehr angemessen sei. Die Kammerversammlung forderte den Gesetzgeber darüber hinaus auf, im Notdienst beschäftigte Ärzte von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen. Bei den großen Gesetzen stockt es Notfallversorgung und Krankenhausfinanzierung, vertragsärztliche Honorare, Investoren in der ambulanten Versorgung, Digitalisierung, Bürokratieabbau: Der Stapel an Gesetzesvorhaben aus dem BMG türme sich, bilanzierte Kammerpräsident Henke in Wuppertal. „Tatsächlich reden wir aber immer nur über Referentenentwürfe in unterschiedlichsten Stadien und im Gesetzgebungsverfahren der wirklich großen Gesetze kommen wir nicht voran.“ Bei den Gesetzen, die tatsächlich verabschiedet würden, zeige sich eine Praxisferne, die auch daher rühre, dass mit Expertenkommissionen gesprochen werde statt mit Praktikern. Als Beispiel führte Henke das Cannabisgesetz an, das der Bundestag am 23. Februar mit der Mehrheit der Ampelregierung und der Linken verabschiedete, obwohl Ärztinnen und Ärzte, Lehrer- und Apothekerverbände, Kinder- und Jugendpsychologen, Polizeigewerkschaft und Deutscher Richterbund vor einer Legalisierung gewarnt hatten (siehe „Cannabis legalisiert“, Seite 18). Dagegen lasse die für Ende Januar von einer Mehrheit des Deutschen Bundestages geforderte Strategie zum Ausbau der Suizidprävention weiter auf sich warten, sagte der Kammerpräsident. Dabei untermauerten Nach wie vor ungelöst sind auch die Probleme in der Notfallversorgung. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser klagten weiterhin über eine Fehlinanspruchnahme durch Menschen, die keine echten Notfälle seien, sondern mit dem Gesundheitssystem Die im Referentenentwurf eines Medizinforschungsgesetzes vorgesehene Bundes-Ethik-Kommission wurde von der Kammerversammlung abgelehnt. Die Delegierten forderten den Bundesgesundheitsminister auf, die Planungen zu deren Errichtung zu beenden. Kritisiert wurde insbesondere, dass die hinreichende Unabhängigkeit der Bundes-Ethik-Kommission im Sinne der Deklaration von Helsinki zum Patientenschutz nicht gewährleistet sei; denn die Kommission soll dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unterstellt werden und die Mitglieder sollen durch das Ministerium für Gesundheit berufen werden. Die Abgeordneten wandten sich gegen den Aufbau einer überflüssigen Parallelstruktur zu den bei den Ärztekammern bestehenden EthikKommissionen, „die in den letzten Jahren zeitnahe und gewissenhafte sowie wissenschaftlich fundierte Entscheidungen getroffen haben“. Auch Kammerpräsident Rudolf Henke wies in seiner Rede auf den eindeutigen Bruch im Gesetzentwurf mit der geforderten institutionellen Unabhängigkeit von EthikKommissionen hin. Die Medizinforschung in Deutschland werde nicht durch das bewährte System der nach Landesrecht eingerichteten Ethik-Kommissionen behindert, sondern vielmehr durch erhebliche Funktionsmängel und Anwendungsprobleme des Clinical Trials Information Systems auf EU-Ebene. Hier sei eine Nachbesserung dringend erforderlich. Bereits mit Schreiben vom 21. Februar hatten die Präsidenten der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe die Landesregierung NRW gebeten, sich „im Sinne einer Stärkung der in den Ländern vorhandenen Strukturen in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen und … auf eine Änderung des Gesetzentwurfs hinzuwirken“ (siehe „Medizinforschungsgesetz: Geschenk für die Pharmaindustrie?“, Seite 22). tg Ablehnung einer Bundes-Ethik-Kommission Mit 720 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist die erste Fortbildungswoche der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein im vergangenen Oktober in Bonn erfolgreich gestartet. Der Kongress ä23 habe damit mehr Ärzte und Medizinische Fachangestellte erreicht als das traditionelle Format auf der Nordseeinsel Norderney, erklärte der Vorsitzende des Fortbildungsausschusses, Professor Dr. Gisbert Knichwitz, bei der Kammerversammlung in Wuppertal. Der ä24 (www.kongress-ae24.de) findet vom 7. bis 12. Oktober erneut im ehemaligen Bundestag in BonnBad Godesberg statt. Unter dem Motto „Gesundheit der Zukunft“ sind Knichwitz zufolge die thematischen Schwerpunkte Klima und Gesundheit, Telemedizin, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Erfolgreicher Start des Kongresses ä23
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