Rheinisches Ärzteblatt / Heft 4 / 2024 25 Praxis – Arzt und Recht – Folge 140 Das Landgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 23. Januar 2024 (Aktenzeichen 3-08 O 540/23) eine GmbH verurteilt, eine Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten zu unterlassen, in deren Rahmen diese Patientinnen und Patienten medizinisches Cannabis verschreiben. von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg Die A. GmbH bezeichnet sich selbst als „Deutschlands führende Plattform für die Therapie mit medizinischem Cannabis“. Sie bietet Ärztinnen und Ärzten bundesweit eine Zusammenarbeit an, die die Verschreibung von medizinischem Cannabis im Rahmen einer ärztlichen Behandlung ohne persönlichen Kontakt zum Behandelnden, insbesondere für digitale Folgetermine zum Ziel hat. Gegenüber potenziellen Patientinnen und Patienten bewirbt sie dieses Geschäftsmodell auf ihrer Internetseite. Das Landgericht Frankfurt am Main untersagte nun in einem von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. geführten Prozess sowohl diese Zusammenarbeit als auch die Werbung für dieses Geschäftsmodell wegen zahlreicher Verstöße gegen die jeweilige Berufsordnung der kooperierenden Ärztinnen und Ärzte. Die beklagte GmbH betreibt auf ihrer Website www.a.....com ein von ihr sogenanntes „Vermittlungsportal“. Auf diesem können Kunden ihr Interesse an einer ärztlichen Behandlung mit medizinischem Cannabis anmelden. Ihnen werden von der A. GmbH im Anschluss Ärzte präsentiert, mit denen die Patientinnen und Patienten einen Behandlungstermin vereinbaren können. Die A. GmbH stellt den beteiligten Ärzten ferner verschiedene Serviceleistungen sowie im Bedarfsfall nach Vereinbarung stundenweise Räumlichkeiten zur Verfügung. Vertraglich vereinbart ist des Weiteren eine Vergütung, die einem prozentualen Anteil an der ärztlichen Honorarforderung entspricht. Das Landgericht sieht in diesem Geschäftsmodell einen Verstoß gegen §§ 2 Abs. 4, §§ 17, 31 der (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte, die den Vorgaben der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) entspricht. Auch wenn die Berufsordnung unmittelbar nur Ärztinnen und Ärzte verpflichte, fördere die A. GmbH, die diesen eine vertragliche Zusammenarbeit anbiete, diesen Berufsrechtsverstoß wissentlich und hafte daher mittelbar wettbewerbsrechtlich als Teilnehmerin. Weisungsverbot § 2 Abs. 4 BO Das in § 2 Abs. 4 BO normierte Weisungsverbot besagt, dass Ärztinnen und Ärzte hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidung keine Weisung von Nichtärzten entgegennehmen dürfen. Der Internetauftritt der A. GmbH richtet sich an Menschen, die den Wunsch nach der Verschreibung von medizinischem Cannabis haben. Es wird der Eindruck erweckt, dass genau zu diesem Zweck der Kontakt zu den kooperierenden Ärzten hergestellt wird, die das gewünschte Rezept ausstellen. Ein Arzt, der die entsprechende Verschreibung nicht vornimmt, würde die Erwartungen der Patienten enttäuschen. Bereits die subtile Erwartung an die kooperierenden Ärzte, die gewünschte Therapie zu verordnen, stelle einen Verstoß gegen das weit auszulegende Weisungsverbot dar. Niederlassungspflicht § 17 BO Die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit ist nach § 17 BO an die Niederlassung in einer Praxis gebunden. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Ärztinnen und Ärzte an einem bestimmten Ort zu angekündigten Zeiten für Patienten erreichbar und zur Untersuchung und Behandlung bereit sind. Mit den kooperierenden Ärzten war vereinbart, dass diese Räumlichkeiten nur nach Absprache nutzen können. Zuweisungsverbot § 31 BO Die A. GmbH soll einen Anteil von 60 Prozent (Erstbehandlung) beziehungsweise bis zu 79 Prozent (Folgetermine) des von den Ärzten nach der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte abgerechneten Honorars erhalten. Auch unter Berücksichtigung der im Übrigen seitens der A. GmbH angebotenen Dienstleistungen entfalle bei wertender Betrachtung, so das Gericht, die von den Ärzten zu leistende Vergütung jedenfalls zum Teil auf die berufsrechtswidrige Patientenvermittlung. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig. Leistungsvermittlung nimmt zu Seit der Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung infolge der Beschlüsse des 121. Deutschen Ärztetages nimmt die Präsenz gewerblicher Anbieter zu, die im Internet ärztliche Leistungen vermitteln. Da es sich um eine verhältnismäßig neue Entwicklung handelt, wissen viele Ärzte nicht, wo die rechtlichen Grenzen der Zulässigkeit verlaufen. Umso begrüßenswerter sind gerichtliche Entscheidungen, die mehr Klarheit in der Rechtsanwendung schaffen. Das Urteil des Landgerichts bestätigt vollumfänglich die Auffassung der Ärztekammern zu diesen Vermittlungsplattformen. In engem Rahmen kann es berufsrechtlich zulässig sein, wenn Ärzte im Internet angebotene Serviceleitungen „einkaufen“. Stets sind aber, wie auch dieses Urteil zeigt, enge Grenzen einzuhalten, um die durch die Berufsordnung geschützte ärztliche Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung. Cannabis-Vertrieb über Ärzte unzulässig Ärztliche Körperschaften im Internet Ärztekammer Nordrhein www.aekno.de Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein www.kvno.de
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