Rheinisches Ärzteblatt 5/2023

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 /2023 25 Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission, Folge 137 Fehler bei der Arzneimitteltherapie werden sehr selten beklagt und bei der gutachterlichen Betrachtung als berechtigt angesehen. Auch Risikoaufklärungsmängel spielen eine geringe Rolle. Allerdings wird etwas mehr als ein Drittel der Fehler bei der Arzneimitteltherapie bei der Begutachtung aufgedeckt, ohne dass Patientinnen und Patienten hierzu Vorwürfe erhoben hatten. Die Dunkelziffer der Fehler dürfte daher hoch sein, da Laien die Kausalität häufig nicht bewusst ist. von Beate Weber Der Anteil von Fehlern bei der Arzneimitteltherapie ist in den Jahren 2017 bis 2021 gegenüber dem früheren Vierjahreszeitraum (2013 bis 2016, siehe RÄ 3/2018) bei einer Gesamtzahl von 6.893 Begutachtungen von 5,1 auf 5,9 Prozent gestiegen (Tabelle 1). Insgesamt ist die Zahl der nordrheinischen Begutachtungen zuletzt deutlich von durchschnittlich 1.735 (2013 – 2016) auf 1.379 Fälle pro Jahr zurückgegangen, ein Minus von 20,5 Prozent. Dieser Trend hatte sich mit einem Rückgang auf circa 1.500 Begutachtungen jährlich bereits vor der COVID-19-Pandemie gezeigt. Er verstärkte sich durch die geringere Inanspruchnahme der Kommission während der Pandemie weiter (Rückgang auf 1.050 Begutachtungen im Jahr 2021) und war auch bundesweit bei den anderen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen festzustellen. In den Begutachtungsjahren 2017 bis 2021 wurden insgesamt 2.042 Behandlungsfehler (29,6 Prozent) und 242 Risikoaufklärungsfehler (3,5 Prozent) festgestellt, darunter 87 (1,8 Prozent) bei ansonsten sachgerechter Behandlung. Bei den 405 Fällen mit Medikationsfehlern handelte es sich nur noch in etwas mehr als einem Viertel um Fälle (n=106), in denen die Patientinnen und Patienten Gesundheitsschäden infolge fehlerhafter medikamentöser Therapie geltend machten (2013 – 2016: 34,5 Prozent). In 142 Verfahren wurde neben anderen Vorwürfen auch die Arzneimitteltherapie gerügt, zum Beispiel die postoperative Infekt- oder Schmerzbehandlung. In 157 Verfahren (2,3 Prozent) wurden bei der gutachterlichen Prüfung anderer Behandlungsfehlervorwürfe auch Fehler bei der Arzneimittelgabe aufgedeckt. Bei diesen Verfahren handelt es sich somit um eine rein zufällige Stichprobe aus dem ohnehin sehr selektiven Datenbestand der Gutachterkommission, die eine verallgemeinernde statistische Aussage nicht erlaubt. Wie in Tabelle 1 dargestellt, ging es bei den bei 405 Patientinnen und Patienten festgestellten Medikationsfehlern am häufigsten mit einem Anteil von 1,8 Prozent (zuvor 1,2 Prozent) um Antibiotika (n=124). Fehler bei den die Gerinnung beeinflussenden Präparaten (Mehrfachnennung: prophylaktische (n=16) und therapeutische Heparingabe (n=18), ASS 100-Prophylaxe (n=14), Marcumar (n=7), Faktor Xa-Inhibitoren (n=4), Thrombozytenaggregationshemmer (n=5) und systemische Lyse (n=7)) hatten wie zuvor einen Anteil von etwa einem Prozent. Ein etwas stärkerer Rückgang von elf auf sieben Fehlerfälle pro Jahr war bei den Glukokortikoiden festzustellen. Behandlungsfehler wurden unter anderem auch bei 13 Lokalanästhetikagaben (vormals 19 in vier Jahren), zehn Chemotherapien (vormals 15), sieben Analgosedierungen (vormals acht) und drei Narkosemittelverabreichungen (vormals sechs) festgestellt. Weiterhin lagen fünfzehn Fehler beim Einsatz von Psychopharmaka vor, darunter allein fünf Risikoaufklärungsversäumnisse bei ansonsten sachgerechter Therapie, vier Indikationsfehler, je zweimal eine Verordnung ohne vorhergehendes EKG beziehungsweise in zu niedriger Dosierung, je einmal unterlassenes Fortführen, nicht beachtete Kontraindikation/Zulassung und fehlerhafte Auswahl sowie zwei Dokumentationsmängel. Die bezüglich der Arzneimittelgabe festgestellten vier möglichen Einzelfehler pro Fall (Tabelle 2, siehe Online-Version) wurden in vier Fallgruppen zusammengefasst und betrafen: 1. die Vornahme einer nicht indizierten Arzneimitteltherapie (63-mal), 2. das Unterlassen/die verspätete Durchführung einer indizierten Arzneimitteltherapie/-prophylaxe (138-mal), 3. die unsachgemäße Durchführung einer indizierten Arzneimitteltherapie (331mal), zum Beispiel aufgrund fehlerhafter Dosierung, zu kurzer oder zu langer Fehler bei der Arzneimitteltherapie 2017 – 2021 5 Jahre 2013 – 2016 4 Jahre n=6.940 2006 – 2012 7 Jahre n=9.923 Begutachtungen in Nordrhein 6.893 100% ca. 1.379/ Jahr 100% ca. 1.735/ Jahr 100% ca. 1.418/ Jahr Behandlungs- und Aufklärungsfehler 2.129 30,9% ca. 426/ Jahr 30,1% ca. 523/ Jahr 32,3% ca. 458/ Jahr Fälle mit Medikationsfehlern, davon*: 405 5,9% ca. 81/Jahr 5,1% ca. 88/Jahr 4,3% ca. 61/Jahr Antibiotika 124 1,8% ca. 25/Jahr 1,2% ca. 22/Jahr 1,2% ca. 16/Jahr gerinnungsbeeinflussende Präparate 71 1% ca. 14/Jahr 0,9% ca. 16/Jahr 1,1% ca. 16/Jahr Analgetika 49 0,7% ca. 10/Jahr 0,5% ca. 9/Jahr 0,4% ca. 5/Jahr Glukokortikoide 37 0,5% ca. 7/Jahr 0,6% ca. 11/Jahr 0,4% ca. 6/Jahr andere 167 2,4% ca. 33/Jahr 1,7% ca. 30/Jahr 1,2% ca. 18/Jahr Tabelle 1: Anzahl der Fehler bei der Arzneimitteltherapie * Mehrfachnennung pro Fall möglich

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