Rheinisches Ärzteblatt 5/2023

26 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2023 Dauer, fehlender Laborkontrollen, der Art und Weise der Durchführung oder fehlerhafter Auswahl, 4. die unterlassene therapeutische Aufklärung (31-mal) und/oder Risikoaufklärung (57-mal). Darunter waren 25 Verfahren mit sachgerechtem Vorgehen bei der Medikation, die nicht von einer rechtsgültigen mündlichen Risikoaufklärung gedeckt waren. Dokumentationsmängel spielten bei 27 von 405 Fehlerfällen eine Rolle (6,7 Prozent). Einzelfehler 2017–2021 im Vergleich zu Vorjahren Die unter www.aekno.de verfügbare Online-Version zeigt in der Tabelle 2 die festgestellten Einzelfehler auf. Grafik 1 stellt die pro Begutachtungsjahr erfassten Einzelfehler vergleichend zu den zwei Vorjahreszeiträumen dar, die Grafiken 2 bis 6 beziehen sich auf die vier häufigeren und die sonstigen gutachterlich überprüften Arzneimittel. Der häufigste festgestellte vorwerfbare Fehler war die Unterlassung einer notwendigen Medikation mit 27,6 statt zuvor 20,3 Fällen pro Begutachtungsjahr. Der Anstieg konnte für Antibiotika (plus 3,1 auf 11,4 Fälle pro Jahr) und für seltenere Arzneimittel belegt werden (plus 3,5 auf 7,8 Fälle pro Jahr). Bei Versäumnissen erforderlicher Labor-, Urin-, Abstrichs-, Blutkultur- oder anderen Untersuchungen war ein geringer Rückgang zu verzeichnen (minus 1,2 auf 16,6 Fälle pro Jahr); insbesondere ist hier die fehlende/zu späte Befunderhebung für eine Antibiotikagabe zu nennen (minus ein Fall auf 9,8 Fälle pro Jahr). Bei der längerfristigen Schmerztherapie mit Metamizol fehlte es beispielsweise einmal an einer Blutbild-Kontrolle, einmal wurde eine Niereninsuffizienz im Rahmen der stationären multimodalen Schmerztherapie um zwei Tage zu spät erkannt, obwohl der Patient bei aufgetretenem Delir fixiert werden musste. Bei einer indizierten, aber rechtswidrigen Thiamazol-Therapie bei einer Anfang 50-jährigen Patientin hätte durch Laborkontrollen eine Agranulozytose und eine Leberwerterhöhung frühzeitiger erkannt und die Patientin auf die zu beachtenden potenziellen Nebenwirkungen im Rahmen einer therapeutischen Aufklärung hingewiesen werden müssen. Es wurde ein einfacher Befunderhebungsfehler festgestellt, der aber zur Umkehr der Beweislast führte, da eine Nichtreaktion – in diesem Fall die unmittelbare Einweisung zur Behandlung – auf die sich anbahnende Agranulozytose grob fehlerhaft gewesen wäre, sodass der belastete Arzt für das septische Multiorganversagen mit Tod der Patientin haftungsrechtlich einzustehen hat. Bei der Indikationsstellung zur Medikation wurden Fehler in etwa gleich häufig festgestellt (minus 0,7 Fälle auf 12,6 Fälle pro Jahr), wobei bei den Antibiotika eine geringe Zunahme um 2,1 auf 3,6 Fälle zu verzeichnen war. Etwas seltener lagen Dosierungsfehler vor (minus 2,9 auf 10,4 Fälle pro Jahr). Noch etwas häufiger wurden Aufklärungsfehler festgestellt (plus 1,9 Fälle auf 11,4 Fälle pro Jahr), wobei der Zuwachs bei den Analgetika (plus 1,2 Fälle auf 2,2 Fälle pro Jahr) zwar gering ausfiel, aber immerhin in elf von 49 festgestellten Fehlerfällen Risikoaufklärungsversäumnisse festgestellt wurden, wobei vier Medikamentengaben rechtswidrig erfolgten. Am häufigsten lag mit drei Fällen ein Aufklärungsmangel bei der Metamizolgabe vor. Metamizol wurde in drei der fünf Fehlerfälle zudem trotz mitgeteilter Unverträglichkeit verabreicht. Die Art und Weise der Verabreichung (beispielsweise Injektion statt oraler Gabe sowie nicht tief gluteale Verabreichung) wurde bei den Glukokortikoiden mit einem Minus von 3,3 auf 1,2 Fälle pro Jahr seltener als zuvor als Fehler festgestellt. Fehler bei der therapeutischen Aufklärung lagen gleich häufig vor (6,2 statt zuvor 6,5 Fälle pro Jahr), beispielsweise fehlte es bei der Entlassung am Hinweis zur nötigen Fortführung der Medikamenteneinnahme oder über kontrollbedürftige Befunde. Bei den die Gerinnung beeinflussenden Präparaten (minus 0,8 auf einen Fall pro Jahr) wurde beispielsweise in zwei Fällen nicht auf die zwingend nötige Fortführung und Dauer der Therapie hingewiesen. Die Folge war jeweils ein Stentverschluss. Weitere Beispiele 1. Vornahme einer nicht indizierten Arzneimitteltherapie Bei etwa jedem sechsten der 405 Patienten mit festgestellten Fehlern bei der Arzneimitteltherapie fehlte es an der Indikation zur Verabreichung, darunter waren 18-mal Antibiotika (vormals sechs von 350 Fehlerfällen). Gründe für die Fehlverordnung waren am häufigsten eine mangelnde Befunderhebung (n=10), eine Fehldiagnose (n=5) oder eine falsche Reaktion auf einen geklagten Leidensdruck des Patienten (n=3). Wenn auch etwas seltener als zuvor, fehlte es noch bei 14 Glukokortikoidverabreichungen an der Indikation (vormals 19 von 350 Fehlerfällen), darunter elf Injektionen (achtmal intramuskulär, jeweils einmal intraartikulär, intravitreal und an verschiedene Lokalisationen, siehe Fallbeschreibung), zwei Salbenanwendungen am Auge/Ohr und eine Augentropfentherapie über mehrere Wochen mit der Folge eines zu spät erkannten steroidbedingten Glaukoms. Im Einzelnen fehlte die Indikation z ur Verschreibung von Metronidazol 400 mg im Jahr 2019 bei einem Anfang 60-Jährigen mit seit zehn Tagen bestehenden „Magen-Darm-Beschwerden“, die zudem ohne Inaugenscheinnahme und körperliche Untersuchung erfolgte; die Einnahme war aber nicht ursächlich für einen nachfolgenden zerebralen Krampfanfall, z u neun intravenösen Gaben von Metronidazol über einen Zeitraum von sechs Wochen im Jahr 2018 sowie zu einer mehrwöchigen oralen „Borreliose-Kur“ unter anderem mit Azithromycin 500mg/Tag bei fälschlicher Annahme einer chronischen Borreliose ohne entsprechende Anamnese und Antikörperbestimmung bei einem Anfang 60-jährigen Patienten. z u insgesamt 20 Antibiotikagaben in den Jahren 2014 – 2016, da die Urinkulturen, mit Nachweis typischer Darmkeime (19-mal), lediglich anhand von Mittelstrahl- statt von Katheterurin ermittelt wurden. Die im Wechsel verabreichten Antibiotika waren zudem teilweise resistent getestet worden. Bei 37 Vorstellungen in diesem Zeitraum wurde nur zweimal eine entsprechende klinische Symptomatik wie „Miktionsstörung mit Pollakisurie/Algurie“ und siebenmal „Nierenschmerz“ dokumentiert, ohne dass jedoch weitere Befunde erhoben/veranlasst wurden. Letztlich lag bei einem Mitte 30-jährigen Patienten eine idiopathische Detrusorhyperaktivität vor. z u einer Injektionsserie an vier Tagen innerhalb von zwei Wochen im Jahr 2016 peridural in Höhe C5/C6, perineural und an zusätzliche Bezirke subacromial sowie intraartikulär in das Schultergelenk mit insgesamt acht Ampullen Kortison 25 mg bei einem zuvor nicht in der PraWissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission, Folge 137

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