Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 /2023 3 Heft 5 • Mai 2023 Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes Freiberuflichkeit erhalten Der 127. Deutsche Ärztetag in Essen wird sich mit dem Thema „Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ befassen. Vor dem Hintergrund von Kontrollbürokratie im Gesundheitswesen und einer sich verselbstständigenden Kommerzialisierung unserer gesundheitlichen Versorgung geht es darum, die Freiberuflichkeit als kennzeichnende Eigenschaft des Arztberufs zu erhalten. Wenn wir die Qualität der Patientenversorgung in Deutschland weiterhin auf einem hohen Niveau erhalten wollen, muss es uns Ärztinnen und Ärzten unabhängig vom Ort unserer Tätigkeit möglich sein, unseren Patientinnen und Patienten eine individuelle und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Behandlung zukommen zu lassen. Das setzt Therapiefreiheit ebenso voraus wie die Bereitstellung der dazu notwendigen Mittel. Eine so verstandene Freiberuflichkeit kennzeichnet unseren Beruf seit der Antike. „Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.“ So lautet der zweite Satz der Bundesärzteordnung. Mit der Bundesärzteordnung regelt der Bundesgesetzgeber den bundesrechtlichen Rahmen für die Ausübung des ärztlichen Berufs. Diese Sicht übernimmt auch die (Muster-)Berufsordnung (MBO) für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte. An ihrem Beginn heißt es wörtlich: „Ärztinnen und Ärzte dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung. Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe. Er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.“ Dann heißt es in der MBO weiter: „Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken.“ Die Berufsordnung regelt dann im Folgenden die für die einzelne Ärztin, den einzelnen Arzt geltenden Pflichten gegenüber Patienten, den Berufskollegen und der Ärztekammer. Dabei trifft die Berufsordnung keinerlei Unterscheidung, ob es sich um selbstständige Ärztinnen und Ärzte in eigener Praxis, angestellte Ärztinnen und Ärzte in einem Krankenhaus, in der Praxis eines anderen Kollegen, in einem MVZ, im öffentlichen Gesundheitsdienst oder bei einem anderen Arbeitgeber handelt – wo immer sie tätig werden, gilt, dass sie einen freien Beruf ausüben und dass sie den Regeln der Berufsordnung zu folgen haben. Diese Grundsätze sind für uns deshalb von Bedeutung, weil sie ausschließen, dass ein Arbeitgeber uns in Fragen der Ausübung der Heilkunde irgendwelchen Weisungen unterwerfen kann. Die Bundesärzteordnung ist da völlig klar: „Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung "Arzt" oder "Ärztin".“ Das heißt im Umkehrschluss: Wer als Unternehmen oder Institution eine angestellte Ärztin oder einen angestellten Arzt beschäftigt, der muss damit akzeptieren, dass er ihr oder ihm Weisungen nach Art, Ort und Zeit der Arbeit erteilen können mag, aber in die Ausübung der Heilkunde kann er nicht hineinregieren. Nur wenn wir die Klarheit darüber wahren, verhindern wir, dass die Rationalität der allgemeinen Waren- und Dienstleistungswirtschaft unsere Arbeit infiziert. Weder mehr Markt noch mehr Staat sind gute Alternativen zu der in der Bundesärzteordnung und den Regeln der ärztlichen Profession selbst getroffenen Definition über die Rolle und die beruflichen Pflichten des Arztes. Der Erhalt der Freiberuflichkeit bleibt für die Qualität der ärztlichen Berufsausübung und damit für die Qualität der Patientenversorgung von herausragender Bedeutung. Es scheint, dass wir in einer Zeit leben, in der wir diese Gedanken wieder stärker in den Vordergrund holen müssen.
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