Rheinisches Ärzteblatt 05/2025

Kulturwandel durch KI Wenn Jugendliche zu Tätern werden Therapie im Maßregelvollzug zielt auf Resozialisierung Entkriminalisierung Ja oder Nein? Ärzteschaft ringt um Position zum Schwangerschaftsabbruch „Ein Erdbeben für das gesamte Hilfesystem“ Vom Aus für USAID sind bis zu 120 Millionen Menschen betroffen Mai 2025 Heft 5 / 30.04.2025 80. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts

Gesundheitskongress des Westens 14. und 15. Mai 2025 | KÖLN Prof. Eyal Zimlichman Sheba Medical Center, Israel Dimitri Varsamis Ph.D. Digital and Clinical Health Strategy Advisor Michael Weller Bundesministerium für Gesundheit Dr. Patricia Hinske AMBOSS SE Nina Boes Deutsche Rentenversicherung Westfalen Ina Schneider Heseta GmbH Prof. Dr. Christian Karagiannidis Kliniken der Stadt Köln gGmbH Frank Sieren Wirtschaftsjournalist China-Experte Sabine Deutscher AOK Rheinland/Hamburg Annette Hempen AdA - Bundesverband der Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnet Bernd Altpeter SHL Telemedizin Gruppe Dr. Gottfried Ludewig T-Systems International Karl-Josef Laumann Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen Dr. Frank Bergmann Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Dr. Alexia Zurkuhlen Kuratorium Deutsche Altershilfe Andreas Schlüter Knappschaft Kliniken GmbH Prof. Josef Hecken Gemeinsamer Bundesausschuss Helmut Watzlawik Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, NRW Prof. Dr. Anke Lesinki-Schiedat Hartmannbund Verband e.V. Martina Thelen Gesundheitsregion KölnBonn e.V. Linus Drop Lillian Care GmbH Dr. Anke Diehl Universitätsmedizin Essen ‹ Anmeldung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte www.gesundheitskongress-des-westens.de Kongressbüro +49(0)2234-95322-51 · info@gesundheitskongress-des-westens.de Veranstalterin WISO S. E. Consulting GmbH DABEI SEIN ZUM SONDERTARIF FÜR NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE WICHTIGE INFORMATION FÜR ÄRZTINNEN UND ÄRZTE Die Zertifizierung als ärztliche Fortbildung wird bei der Ärztekammer Nordrhein beantragt. Die Knoten lösen: Das Gesundheitswesen befreit sich! Dr. Florian Fuhrmann gematik GmbH Prof. Dr. Helga Rübsamen-Schaeff AiCuris Anti‐infective Cures AG

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 3 Heft 5 • Mai 2025 Abschied von der Wissenschaft? Die US-Regierung hat seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump die Arbeit vieler Forschungseinrichtungen und Institutionen im Gesundheitswesen unter anderem durch Kürzungen sowie die Androhung und Ankündigung von Entlassungen deutlich schwieriger gemacht. Betroffen sind unter anderem die nationalen Gesundheitsinstitute National Institutes of Health (NIH), die Arzneimittelzulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) und die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Im Zuge eines Dekrets erfolgte auch die Abwicklung von USAID, der Behörde für internationale Entwicklung (siehe Seite 27). Schon wenige Stunden nach seiner Vereidigung unterzeichnete Trump im Weißen Haus zudem ein Dekret zum Ausstieg aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese Entwicklungen werden – so sind sich Experten einig – weltweit schwerwiegende Folgen nicht nur für den Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose haben, sondern auch das weltweite Monitoring von Krankheitsausbrüchen deutlich erschweren. Einmal mehr treibt einen die Frage nach den Motiven dahinter um. Denn Pandemien und globale Gesundheitskrisen machen nicht an Grenzen halt. Doch nicht nur das globale Ziel „Gesundheit für Alle“ gerät in Gefahr, auch die unabhängige Forschung und Wissenschaft weltweit könnten durch die Entwicklungen in den USA Schaden nehmen. Wenn medizinische Hilfsprogramme, Gesundheitsinformationen oder Leitlinien unter politischen Einfluss geraten und zensiert werden, gefährdet das nicht nur die medizinische Versorgung der betroffenen Patienten. Zensur gefährdet Wissenschaftsfreiheit, Innovationen und die evidenzbasierte Medizin. Eines der vielen Dekrete, die der neue US-Präsident in den ersten Tagen seiner zweiten Amtszeit erließ, verbietet es beispielsweise den Behörden in den USA, Begriffe wie gender, bias, transgender, pregnant person, pregnant people, LGBT, transsexual, mental health und weitere zu verwenden. Weder in eingereichten Manuskripten, die sich noch im Reviewprozess befinden, noch in bereits angenommenen, aber noch nicht veröffentlichten Manuskripten dürfen diese Begriffe vorkommen. In unserem aktualisierten Genfer Gelöbnis heißt es: „Ich werde mein medizinisches Wissen zum Wohle der Patientin oder des Patienten und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung teilen.“ Doch genau daran werden Ärztinnen und Ärzte im CDC aktuell wohl auch durch das genannte Dekret gehindert. Unklar scheint auch, wie es mit der Datenbank Pubmed weitergehen wird, die bei den NIH angesiedelt ist. Wenn hier zensiert wird oder Studien ohne Qualitätskontrolle veröffentlicht werden, dann wird diese Quelle für Forscherinnen und Forscher fast wertlos. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hat die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein im März die Politik aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Ausbau einer unabhängigen europäischen medizinischen Literaturdatenbank (beispielsweise auf Basis der bestehenden Strukturen von Europe PMC) einzusetzen und für eine ausreichende, gesicherte und nachhaltige Finanzierung des Portals durch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu werben. Angesichts der Entwicklungen in den USA müssen wir uns zukünftig in Europa und Deutschland konsequent für das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit einsetzen. Denn die Verfasser unseres Grundgesetzes haben sich vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte etwas dabei gedacht, als sie formulierten: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes

Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: +49 211 4302-2751 E-Mail: iqn@aekno.de Die Veranstaltungen sind kostenfrei und mit 3 bzw. 5 Fortbildungspunkten anerkannt! Anmeldung erforderlich: www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Internet: www.iqn.de Präsenz-Veranstaltung mit Workshops Gewaltprävention in medizinischen Einrichtungen – Praktische Aspekte Achtung: Begrenzte Teilnehmerzahl, verbindliche Anmeldung erforderlich! Mittwoch, 14. Mai 2025, 15:30–18:30 Uhr, Präsenz-Veranstaltung im Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf • Vorträge zum Thema o Gewaltschutz in der Medizin o Agieren im Team – Schutzkonzepte und Schulung • Workshops zum Thema „Der aggressive Patient – Wie kann ich mich schützen?“ o Kommunikation, Deeskalation o Abwehrstrategien Prof. Dr. med. Marc N. Busche, Ass. jur. Miriam Mauss, Jessica Alica Odenthal, Marco Winzer, Dr. med. Sabine Mewes Save the Date Präsenz-Veranstaltung Fallkonferenz Multimorbidität – Der onkologische Patient Mittwoch, 04. Juni 2025, 15:30 – 17:45 Uhr, Präsenz-Veranstaltung im Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf • Fallvorstellung • Betrachtung des Falles aus hausärztlicher, chirurgischer und palliativmedizinischer Sicht • Interdisziplinäre Diskussion Prof. Dr. Bernd Hemming MPH, Dr. med. Sabine Mewes u.a. H epatologie im klinischen Alltag – Wichtige Lebererkrankungen in Praxis und Klinik Mittwoch, 02. Juli 2025, 15:30 – 17:45 Uhr, Live Online-Seminar • Virushepatitis A bis E – Überblick über Diagnostik und Therapie • Arzneimittelinduzierte Leberschädigung und Autoimmunhepatitis – ein Update zum klinischen Management • Metabolische Lebererkrankungen: Aktuelles zu Diagnostik und Therapie • Diagnose und Therapie primärer Lebertumore Prof. Dr. med. Sven Loosen MHBA, Dr. med. Stefan Mauss, Prof. Dr. med. Christoph Roderburg MHBA, PD Dr. med. Theresa Wirtz, Dr. med. Sabine Mewes

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 5 Kulturwandel durch KI Ziel: zurück ins Leben Wenn Jugendliche schwere Straftaten begehen, aber aufgrund einer psychischen Erkrankung als schuldunfähig gelten, können sie im Maßregelvollzug untergebracht werden. Ein Besuch in der Jugendforensik in Viersen, einer von nur etwa zehn Einrichtungen in Deutschland § 218: Ärzteschaft ringt um gemeinsame Position Der 129. Deutsche Ärztetag wird Ende Mai über das Für und Wider einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts diskutieren. Aufhänger sind politische Bestrebungen, den Schwangerschaftsabbruch künftig außerhalb des Strafrechts zu regeln. Heft 5 • Mai 2025 Meinung Abschied von der Wissenschaft? Seite 3 Magazin Seite 6 bis 10 15. „Forum Gesundheit“: Null-Toleranz bei Gewalt · Vor 50 Jahren · Im Fokus: Chancen und Risiken von KI · Öffentlichen Gesundheitsdienst dauerhaft fördern · Kammer Online · KBV: Deutschland ist Praxenland – noch · Neues Hilfsangebot für Obdachlose in Düsseldorf · Studium und Berufseinstieg Thema Kulturwandel durch KI Seite 12 Spezial Ziel: zurück ins Leben Seite 18 Gesundheits- und Sozialpolitik KVNO-Vertreterversammlung: Politischer Neuanfang als Chance Seite 22 Praxis Ambulante Ethikberatung: Seite 24 Forum § 218: Ärzteschaft ringt um gemeinsame Position Seite 25 Das Ende des humanitären Systems? Seite 27 Wissenschaft und Fortbildung Fehlerhafte arthroskopische Operation bei Patellaluxation – Folge 146 der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ Seite 29 Tagungen und Kurse Seite 31 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 32 RÄ Regional Seite 36 Bücher Seite 39 An Rhein und Ruhr Seite 40 Kulturspiegel Rechtfertigt Unrecht Unrecht? Seite 41 Amtliche Bekanntmachungen Seite 43 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 43 Mein Beruf „Im Fokus steht immer die Patientensicherheit“ Seite 51 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: imaginima/istockphoto.com Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, Diagnostik und Therapie zu optimieren, Fachkräfte zu entlasten und die Gesundheitskompetenz der Patienten zu stärken. Um die Technologie sinnvoll in der Medizin einsetzen zu können, müssen Ärztinnen und Ärzte deren Chancen und Risiken beurteilen können.

Magazin 6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 Arztassistenten Entlastung für Praxen Physician Assistants (PA) können ein Stützpfeiler der ambulanten Versorgung sein. Das zeigen die Ergebnisse eines Modellprojekts, das die Kassenärztliche Vereinigung (KV) WestfalenLippe gemeinsam mit der Hochschule für Gesundheit, Soziales und Pädagogik Rheine und der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants initiiert hat. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung hat das Modellprojekt wissenschaftlich evaluiert. Das Ergebnis: Die teilnehmenden Ärzte berichteten von einer spürbaren Entlastung und einer hohen Akzeptanz der PA im Praxis-Team und bei den Patienten. Um das Modell flächendeckend zu etablieren, benötige man aber eine bessere Finanzierung der Assistenz-Stellen. HK Niederlassung Ärzte schätzen Autonomie 77 Prozent der neu nieder- gelassenen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten würden sich erneut für eine Niederlassung entscheiden. Das hat eine Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) unter 1.491 NeuNiedergelassenen ergeben. Als besonders positiv bei der Arbeit in eigener Praxis bewerteten diese die Autonomie und Therapiefreiheit, die gute Planbarkeit der eigenen Arbeitszeit sowie die Wertschätzung der Patienten. Unzufrieden waren sie dem Zi zufolge mit der administrativen Belastung, dem Aufwand für die Digitalisierung und dem finanziellen Risiko der Freiberuflichkeit. HK 15. „Forum Gesundheit“ Null-Toleranz bei Gewalt Gewalt gegen medizinisches Personal ist ein weltweit wachsendes Problem und auch in Deutschland kommt es vermehrt zu Übergriffen. Aktuelle Umfragen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung belegen den Trend. Grund genug für die Kreisstelle Mülheim der Ärztekammer Nordrhein, das Thema „Neue Dimensionen der Gewalt im Gesundheitswesen – wie gehen wir damit um?“ Anfang April auf die Tagesordnung des 15. „Forum Gesundheit“ zu setzen. „Tatort“ seien nicht immer die Praxisräume oder die Notaufnahmen, sondern auch die Sozialen Medien. Es seien zudem zunehmend Übergriffe aus rassistischen Motiven zu verzeichnen, erklärte Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, in seinem Grußwort. Er appellierte an die Anwesenden: „Wir müssen an dieser Stelle eine Null-Toleranz-Politik fahren.“ Professor Dr. phil. Peter Imbusch, Inhaber des Lehrstuhls Soziologie der Politik an der Bergischen Universität Wuppertal, beschäftigte sich aus soziologischer Perspektive mit dem Thema und stellte aktuelle Studienergebnisse vor. In der anschließend von Dr. Christian Köhne moderierten Podiumsdiskussion mit dem Polizeipräsidenten Essen/Mülheim, Andreas Stüve, dem Pflegedirektor des Evangelischen Krankenhauses Mülheim, Simon Härtel, und dem Vorsitzenden der Kreisstelle Mülheim, Uwe Brock, wurden Erfahrungen und Standpunkte mit dem Publikum ausgetauscht und die Möglichkeiten der Prävention und des Umgangs mit Gefahrensituationen in Klinik und Praxis aufgezeigt. usa 78. Deutscher Ärztetag Raue Zeiten im Gesundheitswesen Die Themen des 78. Deutschen Ärztetages Anfang Mai 1975 in Hamburg sind 50 Jahre später wieder aktuell: „Diskussionen um die Kostenexplosion und deren Eindämmung, um die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung bei ständig wachsenden Ansprüchen und Bedürfnissen der Bürger, um die Wahrung der Freiheit im Gesundheitswesen und der ärztlichen Berufsausübung“, waren zentrale Schwerpunkte der Debatten. Das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) berichtete in seiner zweiten Mai-Ausgabe 1975 ausführlich über den Ärztetag. Die Beobachter schätzten die damalige Situation im Gesundheitswesen als „rau und auf Veränderungen gestimmt“ ein. Neben den gesundheitspolitischen Themen standen die Neugestaltung der Weiterbildung zum Allgemein- und Facharzt sowie eine „effektive, möglichst alle Ärzte umfassende berufliche Fortbildung“ auf dem Programm. In der ersten Mai-Ausgabe 1975 des RÄ ging es unter anderem um eine Änderung der Satzung der Nordrheinischen Ärzteversorgung, die sich auf Ansprüche geschiedener Ehegatten aus der Rentenversorgung verstorbener Mitglieder bezog. Die bis dahin geltende Regelung, nach der diese leer ausgingen, sei mit dem geltenden Eherecht nicht mehr zu vereinbaren. Die Satzungsänderung sah deshalb vor, dass geschiedene Ehegatten verstorbener Mitglieder Hinterbliebenenrente erhalten, wenn die Unterhaltspflicht des Mitglieds festgestellt war. „Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung ist es gleichgültig, ob der Berechtigte eine Ehefrau oder ein Ehemann ist“, erläuterte das RÄ. bre Ob Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal stärker von Gewalt betroffen sind als andere Berufsgruppen, lasse sich nicht sagen. Noch fehlten repräsentative Studien, erklärte Professor Dr. phil. Peter Imbusch von der Bergischen Universität Wuppertal. Foto: Andreas Köhring

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 7 129. Deutscher Ärztetag Im Fokus: Chancen und Risiken von KI Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend in Diagnostik, Therapie und Verwaltung in Krankenhäusern und Arztpraxen eingesetzt. Das setzt auch in der Ärzteschaft digitale Kompetenzen voraus, die es ermöglichen, die Chancen und Risiken von KI-Anwendungen im Sinne der Patientensicherheit richtig einzuschätzen. Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit KI müssen deshalb aus Sicht der Bundesärztekammer fest in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung verankert werden. Der 129. Deutsche Ärztetag, der vom 27. bis 30. Mai in Leipzig stattfindet, widmet dem Thema einen eigenen Schwerpunkt. KI steht auch im Zentrum der traditionell im Vorfeld des Ärztetages stattfinden Dialogveranstaltung mit jungen Ärztinnen und Ärzten am 26. Mai. Dort sollen ausgewählte medizinische KI-Lösungen mit ihren Einsatzmöglichkeiten und Limitationen vorgestellt werden. Ebenfalls auf der Tagesordnung des Ärzteparlaments steht die Entscheidung über die Novellierung der ärztlichen Gebührenordnung und eine Debatte über die mögliche Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Informationen: https://www.bundesaerztekammer. de/aerztetag/129-daet-2025-in-leipzig HK Kinderschutzzentrum wird weiter gefördert Mit 2,18 Millionen Euro wird das Land NRW das Kompetenzzentrum Kinderschutz im Gesundheitswesen NRW (KKG NRW) in den kommenden drei Jahren weiterhin unterstützen. Dies teilte kürzlich die Landesregierung mit. Das KKG NRW wird vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln getragen. Das Zentrum unterstützt seit 2019 Akteure im Gesundheitswesen bei Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung rund um Diagnostik, Befundsicherung oder auch bei Fragen zur Handlungs- und Rechtssicherheit. Das KKG NRW hat seit seiner Gründung rund 2.400 Einzelfälle bearbeitet. Über Fortbildungen konnte das Zentrum seit 2019 etwa 16.700 Akteure in dem Thema schulen. Informationen: www.kkgnrw.de bre Kurz gemeldet Bericht zu Tuberkulose erschienen Das Robert Koch-Institut (RKI) hat seinen jährlichen Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland veröffentlicht. Dieser spielgelt die Situation im Jahr 2023 wider. Vor zwei Jahren sind dem RKI insgesamt 4.481 Fälle der Infektionskrankheit gemeldet worden, was einer Inzidenz von 10/100.000 Einwohner entspricht. Damit zählt Deutschland zu den Niedrig-Inzidenzländern, wie das RKI mitteilte. Nachdem die Infektionszahlen von 2016 bis 2021 rückläufig waren, stiegen diese 2022 und 2023 auch im Kindesalter wieder an. Den vorläufigen Zahlen für 2024 zufolge verzeichnete das RKI wieder einen leichten Rückgang auf 4.391 Fälle. Informationen: www.rki.de bre Mehr Prävention im Kindes- und Jugendalter Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte (BVKJ) warnt vor den gesundheitlichen Folgen von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Um ungesunde Ernährungsmuster einzudämmen, fordern die Kinderärzte ein Werbeverbot für stark zucker-, fett- und salzhaltige Lebensmittel. Gleichzeitig sollten gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse steuerlich begünstigt und zuckerhaltige Getränke, Alkohol, Tabak und Cannabis mit einer Abgabe belegt werden, die in Präventionsprogramme fließen soll. Außerdem sollten Bildungseinrichtungen verstärkt als Orte der Gesundheitsförderung genutzt werden, so der BVKJ. Mehr Informationen: www.kinderaerzte-im-netz.de bre Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und ZusatzWeiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 7. bis 11. Juli 2025. Anmeldeschluss: Freitag, 9. Mai 2025 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Krankenhäuser Massiver Zuwachs von Personal Im Zeitraum von 2000 bis 2023 ist die Zahl der in deutschen Krankenhäusern Beschäftigten um 276.000 auf 1,42 Millionen gestiegen. Das geht aus dem Fachkräftemonitoring der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) hervor, das in Zukunft jährlich Daten und Entwicklungen zum Krankenhauspersonal abbilden soll. Danach ist allein die Zahl der Ärztinnen und Ärzte von 122.000 auf 212.000 gestiegen. Waren im Jahr 2000 noch 6.581 ausländische Ärzte in deutschen Krankenhäusern beschäftigt, lag deren Zahl 2023 bei 50.843. Als Gründe für den Personalzuwachs führt die DKG unter anderem gesetz- liche Vorgaben zur Personalausstattung und Arbeitszeitregelung an. Der Zuwachs löse zudem den Fachkräftemangel nicht. Denn allein in den kommenden zehn Jahren schieden rund 300.000 Beschäftigte der Krankenhäuser aus Altersgründen aus dem Beruf aus. HK In der Leipziger Nikolaikirche wird die Eröffnungsveranstaltung des diesjährigen Deutschen Ärztetages statt- finden. Im Herbst 1989 war sie Ausgangspunkt der „friedlichen Revolution“ in der DDR. Foto: travelview – stock.adobe.com

Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 Ärztekammer Nordrhein Beratungsangebot für Patienten berufe beschweren möchten, helfen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Patientenberatung dabei, die geschilderten Begebenheiten einzuordnen und im Falle einer begründeten Beschwerde den richtigen Ansprechpartner zu finden. Zahlreiche Themen aus dem Gesundheitswesen wie Krankheitsbilder, Arzneimittel oder Präventionsmaßnahmen sind in einer Liste zum Teil im Stil von FAQs aufbereitet und führen über Links zu vertiefenden Informationen. Die einzelnen Rubriken der Patientenberatung sind über die Reiter „Über uns“, „Aktuelles“, „Themen“, „Hilfreiche Links“ sowie „Flyer und Broschüren“ zu erreichen. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail- Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre Die Patientenberatung der Ärztekammer Nordrhein ist nicht nur unter der Telefonnummer 0211 4302 2500 zu erreichen. Manche Anliegen von Patientinnen und Patienten können auch mit einem Blick auf die Seiten der Patientenberatung auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein geklärt werden. Informationen rund um die Gesundheit und die Gesundheitsversorgung finden sich unter www. aekno.de/patientenberatung. Für Patienten sind diese Seiten oftmals die erste Anlaufstelle, um sich über Krankheitsbilder, Diagnose- und Therapieverfahren oder über Patientenrechte und -pflichten zu informieren. Wenn sich Patienten über das Verhalten von Ärztinnen und Ärzten oder Angehörigen anderer GesundheitsDie Bundesärztekammer (BÄK) fordert eine auskömmliche und vor allem nachhaltige Förderung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Zum Tag des Gesundheitsamtes am 19. März, der in diesem Jahr unter dem Motto „Klimawandel und Gesundheit“ stand, legte die BÄK ein Positionspapier mit Kernforderungen für einen starken und krisenfesten ÖGD vor (www.baek.de/kernforderungen-oegd). Um dies zu gewährleisten, müsse insbesondere der in der Coronakrise für den Zeitraum 2021–2026 beschlossene „Pakt für den ÖGD“ weitergeführt werden, mit dem vier Milliarden Euro zur personellen Stärkung und Modernisierung des ÖGD bereitgestellt wurden. „Mit den zusätzlichen finanziellen Mitteln des Pakts konnten wichtige personelle, administrative und technische Verbesserungen für die Gesundheitsämter erreicht werden. Aufgabe der neuen Bundesregierung ist es, diese Verbesserungen gemeinsam mit den Ländern langfristig finanziell abzusichern“, erklärte dazu BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhard. Neben der Fortführung des Pakts für den ÖGD macht sich die BÄK dafür stark, dass Gesundheitsämter sollten auch in Zukunft immer von Ärztinnen und Ärzten geleitet werden, fordert die Bundesärztekammer in einem Positionspapier. Foto: hkama/adobe.stock.com Bundesärztekammer Öffentlichen Gesundheitsdienst dauerhaft fördern Organspende Erklärung auch über die ePA Seit der Einführung des Organspenderegisters vor einem Jahr kann die Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende auch digital festgehalten werden. Neben der Registrierung über das zentrale Organspenderegister mithilfe der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises gibt es zusätzlich die Möglichkeit, mittels der App für die elektronische Patientenakte (ePA) auf das Register zuzugreifen und dort die Erklärung zur Organspende abzugeben. Darauf weist das Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit hin. Die Erklärung an sich wird nicht in der ePA gespeichert, sondern im digitalen Organspenderegister, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geführt wird. tg Karriere Steigender Anteil von Oberärztinnen Frauen besetzen mittlerweile 41 Prozent aller Oberarztstellen an Universitätskliniken. Dies zeigt die Studie des Deutschen Ärztinnenbundes „Medical Women on Top – Update 2024“ auf der Grundlage einer Erhebung in den 14 wichtigsten Fächern an 36 Kliniken. 2022 lag der Anteil der Oberärztinnen hier noch bei 37 Prozent. Dagegen stagniert die Entwicklung bei Frauen in Führungspositionen in der Universitätsmedizin. So ist der Frauenanteil unter den Klinikdirektoren mit 14 Prozent weiterhin gering. Einen Grund dafür sieht die Studie in der Schwierigkeit, Beruf und Karriere in Einklang mit dem Familienleben zu bringen. tg Gesundheitsämter auch zukünftig immer von Ärztinnen und Ärzten mit spezifischer medizinischer Expertise geleitet werden. Von der neuen Bundesregierung fordert sie, unter Einbeziehung der Ärzteschaft eine nationale Public-Health-Strategie zur Förderung gesunder Lebensführung zu entwickeln. Zudem solle die weitere Entwicklung der Public-Health-Institutionen auf Bundesebene, wie das Robert Koch-Institut und das neu errichtete Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, eng mit der Ärzteschaft und den weiteren Fachkreisen abgestimmt werden. tg

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 9 Düsseldorf Neues Hilfsangebot für Obdachlose dachlose Männer und Frauen mit Kleidung und warmen Getränken versorgt oder Gesprächsangebote macht. Etemad Parishanzade, Fachbereichsleiter Rettungsdienst und Krankentransport des Johanniter-Regionalverbandes, sagte, es sei geplant, den Pflasterlaster auch mit Ärztinnen oder Ärzte zu besetzen, um die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten zu erweitern. „Dann können wir beispielsweise auch Impfungen durchführen oder Medikamente verabreichen.“ Ärztinnen und Ärzte, die sich beim Pflasterlaster engagieren möchten, können sich melden bei der Ehrenamtskoordinatorin der Johanniter, Jessica Borbecker, Tel.: 0211 7383 0174, E-Mail: pflasterlaster.rhein-ruhr@ johanniter.de. Weitere Informationen unter www.johanniter.de/pflasterlaster. bre Seit Mitte März bietet der sogenannte Pflasterlaster der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. an zwei Standorten in Düsseldorf Hilfsbedürftigen medizinische Hilfe an. Das niedrigschwellige Angebot ist kostenfrei und für jeden zugänglich. Ein Krankenversicherungsnachweis wird nicht verlangt. Als Fahrzeug dient dem Regionalverband Rhein-Ruhr der Johanniter ein ehemaliger Rettungswagen. Er fungiert als mobiler Behandlungsraum und ist ausgestattet mit Materialien zur Wundversorgung und Diagnostik. Ziel des Projektes ist es, obdachlosen Menschen in der Landeshauptstadt niedrigschwellige medizinische Erstversorgung anzubieten. Wie die Johanniter mitteilen, geschehe dies in enger Abstimmung mit dem „gutenachtbus“, der ebenfalls regelmäßig an bestimmten Standorten obPflege Ausbildungszahlen auf Rekordhoch Die Zahl der Auszubildenden in der generalistischen Pflege erreichte in NordrheinWestfalen im Jahr 2023 einen Höchststand. Das geht aus der aktuellen Landesberichterstattung Gesundheitsberufe NRW hervor. Insgesamt verzeichnete das nordrheinwestfälische Gesundheitsministerium knapp 17.439 neu aufgenommene Ausbildungen zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann. Das ist ein Zuwachs um 10,1 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020, als die generalistische Pflegeausbildung eingeführt wurde. Die Quote der Auszubildenden, die ihre Ausbildung nach der Regelausbildungszeit erfolgreich abschließen, liegt nach Angaben des Ministeriums bei 69,6 Prozent. Damit positioniere sich NRW im bundesweiten Vergleich in den TOP 3 hinter Baden-Württemberg (72,3 Prozent) und Rheinland-Pfalz (69,8 Prozent). MST Für Patienten Diagnosen in Einfacher Sprache Für Patientinnen und Patienten bietet das Nationale Gesundheitsportal unter www. gesund.bund.de Erläuterungen zum gesamten ICD-Katalog in Einfacher Sprache an. Nach Angaben des gemeinnützigen Unternehmens „Was hab‘ ich“, das die Erklärungen zur Verfügung stellt, sind alle Inhalte ärztlich geprüft. Ziel sei es, Patienten nach einem Arztbesuch verständliche Informationen zu ihrer Diagnose an die Hand zu geben. Die Erläuterungen seien auf Deutsch, Englisch, Türkisch, Russisch und Arabisch verfügbar. MST Bundesarztregister KBV: Deutschland ist Praxenland – noch Zum Stichtag 31. Dezember 2024 waren insgesamt 189.551 Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der vertragsärztlichen Versorgung tätig und damit so viele wie nie zuvor. Das geht aus dem Bundesarztregister hervor, das die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Ende März veröffentlicht hat. Die Zahl der Vertragsärztinnen und -ärzte stieg demnach im Jahresvergleich um 0,6 Prozent. Bei den Psychologischen Psychotherapeuten war eine Zunahme von 3,6 Prozent zu verzeichnen, so die KBV. Rund 123.750 Personen seien Ende 2024 in eigener Praxis tätig gewesen, wobei der Trend zu flexibleren Arbeitsformen anhalte. Der Frauenanteil in der Versorgung sei auf 52 Prozent gestiegen. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 99.288 Frauen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung tätig. „Noch ist Deutschland Praxenland“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen. Es sei allerdings auch klar, dass die Ressource Arztpraxis kein Selbstläufer sei und die Arztzeit ein knappes Gut bleibe, da viele Berufseinsteiger in Teilzeit oder angestellt arbeiteten. Das liegt nach Ansicht von Gassen vor allem an den Rahmenbedingungen. „Die nächste Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, inwiefern sie die inhabergeführte Praxis wieder attraktiver macht“, so Gassen. Eine ausufernde Bürokratie und „dysfunktionale Digitalisierung“ seien keine positiven Anreize für den Schritt in die Selbstständigkeit. Das Bundesarztregister findet sich in der Rubrik „Themen A – Z“ auf www.kbv.de. bre Quelle: KBV Vertragsarztzahlen 2019 bis 2024 155.00 152.500 150.000 147.500 145.000 142.500 140.000 2024 2023 2022 2021 2020 2019 149.710 150.850 152.028 152.697 153.726 154.630

10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 Magazin – Studium und Berufseinstieg Aus dem Wald von heruntergetretenen Wahlplakaten schießt ein Augenpaar die schmerzhaftesten Pfeile. Sie treffen die Erinnerung an meine mündliche Virologie-Prüfung und meine Moral zugleich. Mit dem Gefühl, an allen Viren gleichzeitig erkrankt zu sein und doch nichts über sie zu wissen, sitze ich meinem Prüfer an der Laborbank gegenüber. Ich habe sein Gesicht und seinen Namen schon hunderte Male gesehen und gelesen. Er weiß, dass er sich nicht vorstellen muss und schon geht es los mit der ersten Frage. Glücklicherweise verfehlt er meine Lücken und mir gelingt es auch, seine weiteren Fragen zu beantworten. So wie auf seinen Wahlplakaten lächelt er mich an, als er mir eine 1,0 überreicht. „Wissen schafft Wirtschaft“, einer seiner Wahlslogans, verwandelt sich vor meinem geistigen Auge zu „Wissen schafft Leistungsdruck“. Der Druck, in jeder Prüfung alles in einem Moment parat zu haben, was man gelernt hat, gilt als Mahnung für meine Berufswahl. Wir werden immer den Druck haben, die Antwort auf alles zu kennen, immer die richtige Diagnose zu finden und dabei nichts zu übersehen. Wir werden immer die Verantwortung tragen, nichts vergessen zu dürfen, da die Gesundheit von Patientinnen und Patienten auf dem Spiel steht. Die Leistung, die wir erbringen müssen, um unserem Beruf gerecht zu werden, definiert uns und macht uns für dieses System wertvoll. Aber sind wir wirklich nur das Produkt unserer Leistung? Dürfen wir unseren Wert von Noten, Titeln, beruflichem und wirtschaftlichem Erfolg bemessen lassen? Ist ein Mensch nur etwas wert, wenn er etwas leistet? Keiner wird einfach nur um seiner selbst willen geschätzt. Dabei sollte das der Maßstab sein. Ein Mensch ist wertvoll, weil er existiert – nicht, weil er etwas leistet! Wie erlebt Ihr das Medizinstudium? Schreibt mir unter medizinstudium@aekno. de. Facharztprüfung Online-Lernplan vorgestellt Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat in Zusammenarbeit mit der digitalen Wissensplattform AMBOSS einen gemeinsamen Online-Lernplan zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung angehender Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte veröffentlicht. Der Lernplan sei in Anlehnung an die Weiterbildungsordnung und nach Analyse vergangener Prüfungen zusammengestellt worden, wie der BVKJ kürzlich mitteilte. Er biete eine Auflistung der wichtigsten Themen der Kinder- und Jugendmedizin, praxisnahe diagnostische Vorgehensweisen und konkrete Handlungsempfehlungen für die häufigsten pädiatrischen Krankheitsbilder. Die breite Themenauswahl könne an den individuellen Wissensstand angepasst werden und ermögliche eine strukturierte und effiziente Vorbereitung auf die Prüfung. Mit dem Lernplan sollen Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung angesichts von Zeitmangel und mancherorts eingeschränkten Weiterbildungsprogrammen bei der Prüfungsvorbereitung unterstützt werden. Das Angebot auf der kostenpflichtigen Plattform AMBOSS ist für Mitglieder des BVKJ für drei Monate kostenfrei nutzbar. Danach erhalten sie einen zehnprozentigen Rabatt auf ein Jahresabo. Laut AMBOSS übernehmen viele Krankenhäuser die Kosten für den Zugang zu der Wissensplattform für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weitere Informationen unter www. amboss.com/de. bre Mail aus Bonn Lüko Fischer Foto: privat Praktisches Jahr Positive Signale für eine faire Aufwandsentschädigung Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) zeigt sich erfreut darüber, dass die kommende Bundesregierung offenbar plant, die Aufwandsentschädigung im Praktischen Jahr (PJ) einheitlich mindestens auf den BAföG-Höchstsatz festzuschreiben. Die kommende Regierung habe die Notlage im PJ erkannt und wolle zwei Kernforderungen der Medizinstudierenden umsetzen, sagte der Präsident der bvmd, Pascal Lemmer, mit Blick auf die bekanntgewordenen Ergebnisse der Arbeitsgruppen zur Vorbereitung eines Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD. Neben einer finanziellen Angleichung der Aufwandsentschädigung im PJ sei auch eine faire Fehlzeitenregelung geplant. Nun komme es darauf an, die Regierung und die verhandelnden Gesundheitsminister der Länder beim Wort zu nehmen und auf eine schnelle Umsetzung zu drängen, so die bvmd. Bei der Novellierung der Approbationsordnung auf der Grundlage des seit Jahren auf dem Tisch liegenden Masterplans Medizinstudium setzt die Bundesvertretung ebenfalls große Hoffnungen in die kommende Bundesregierung. „Nun müssen wir Fahrt aufnehmen und die Reform der Approbationsordnung auf den Weg bringen“, forderte die Bundeskoordinatorin für medizinische Bildung im bvmd, Lilly Dydymski. bre Pascal Lemmer, Präsident der Bundesvertretung der Medizinstudierenden ist erfreut, dass die neue Bundesregierung Verbesserungen beim PJ plant. Foto: Paul Quasdorff

Stadtpartie Düsseldorf und Umgebung Freitag, 27. Juni 2025, 15:00 Uhr bis 20:30 Uhr 27.06. Landpartie Bergisches Land Freitag, 4. Juli 2025, 15:00 Uhr bis 20:30 Uhr 04.07. Jetzt informieren und teilnehmen! kvno.de/landpartien Die Teilnahme ist kostenlos. Erfolgreich in die Praxis Ihre Zukunft, Ihre Möglichkeiten Sie denken über eine Anstellung oder den Einstieg in eine Praxis nach? Unsere Veranstaltungsreihe bietet Ihnen: • Beratung zu Niederlassung und Anstellung • Infos zu Förderangeboten • Austausch mit Praxen aus der Region

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 „K ünstliche Intelligenz ist die Fähigkeit einer Maschine, Dinge zu tun, die bei Menschen Intelligenz voraussetzt“, zitierte Professor Dr. rer. nat. Andreas Dengel frei Marvin Minsky, einen der geistigen Väter der KI. Die Technologie habe das Potenzial, die Welt zu verändern, weil sie menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität imitieren könne, sagte der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern bei der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 22. März im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft, die dem Thema „KI in der Medizin“ einen eigenen Tagesordnungspunkt gewidmet hatte. Befeuert werde die Entwicklung durch das Vorhandensein massiver Datenmengen, enorme Rechenleistung und Machine Deep Learning, maschinelles Lernen, das sich auf künstliche neuronale Netze und große Datenmengen fokussiere. Deep Learning werde unter anderem dazu genutzt, Bilder zu erkennen und Texte zu verstehen. Doch neben den großen Chancen von KI wies Dengel gleich zu Beginn seines Vortrags auch auf die Risiken hin: Große generative Sprachmodelle wie ChatGPT arbeiteten rein auf Basis von Wahrscheinlichkeiten und nicht faktenbasiert. „ChatGPT halluziniert. Das ist ein großer Schwachpunkt“, warnte Dengel. Künstliche Intelligenz kommt zunehmend in der Gesundheitsversorgung zum Einsatz, insbesondere in der Bildgebung, in der Diagnostik und bei der Dokumentation. Einer Umfrage zufolge nutzt bereits ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland KI-­ Anwendungen in der Patientenversorgung. Fast zwei Drittel schätzen das Potenzial von KI als hoch oder sehr hoch ein. Die Ergebnisse entstammen einer Befragung des Vereins Gesundheitsstadt Berlin von Ende 2024 unter rund 300 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. An der Trendstudie, die finanziell vom Terminbuchungsportal Doctolib unterstützt wurde, wirkten Experten mehrerer Kassenärztlicher Vereinigungen und Landesärztekammern mit. Ein weiteres Ergebnis: 80 Prozent der Befragten wünschten sich mehr Aufklärung und Fortbildung für einen sichereren Umgang mit KI. Der Kompetenzerwerb für eine informierte Anwendung von KI ist aus Sicht des Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer, eine der zentralen Herausforderungen. Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit KI-Anwendungen müssten in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung fest verankert werden – und zwar für alle Ärztinnen und Ärzte. „Wir wollen dafür nicht nur unsere eigenen Gremien in die Pflicht nehmen, sondern appellieren auch an Universitäten und Anbieter von ärztlichen Fortbildungen, entsprechende Curricula und Module zu entwickeln“, sagte Dreyer bei der Kammerversammlung. Nur wer Chancen und Risiken von KI-Anwendungen beurteilen könne, könne die neuen Technologien auch im Sinne der Patientensicherheit in der Versorgung anwenden. Und nur so lasse sich verhindern, dass die zunehmende KI-Unterstützung in Diagnostik und Therapie zu einem Kompe- Foto: imaginima/istockphoto.com Kulturwandel durch KI Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die medizinische Diagnostik und Therapie zu optimieren, Fachkräfte zu entlasten und die Gesundheitskompetenz der Patienten zu stärken. Doch die Technologie birgt auch Risiken: So ist nicht immer nachvollziehbar, welche Daten einer Anwendung zugrunde liegen und möglicherweise Ergebnisse verzerren. Zudem neigen Modelle wie ChatGPT zum Halluzinieren, warnen Experten. von Heike Korzilius

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 13 tenz- und Kontrollverlust bei Ärztinnen und Ärzten führe, weil sie sich blind auf KIModelle verließen. Die Kammerversammlung bekräftigte diese Einschätzung und forderte darüber hinaus die Bundesregierung und die NRW-Landesregierung auf, die Ärzteschaft in die Zulassung, Regulierung und Qualitätssicherung von KI-Anwendungen in der Medizin einzubeziehen. „KI ist kein Ersatz für menschliche Intelligenz, und medizinische Entscheidungen können nicht an KI delegiert werden“, betonte Informatiker Dengel. Er sieht die Technologie in bestimmten Medizinfeldern als wichtiges Unterstützungssystem, das man wie die Zweitmeinung eines Kollegen in Diagnostik und Therapie einbeziehen sollte. Selbst wenn in Zukunft Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften den Einsatz von KI vorschrieben, sei es juristisch immer noch so, dass letztlich der Mensch verantwortlich sei, betonte Dengel. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das in absehbarer Zeit ändert.“ Ärztliche Fähigkeiten erhalten Allerdings sieht auch der Informatiker die Gefahr, dass die zunehmende Nutzung von Assistenzsystemen dazu führen kann, dass ärztliche Fähigkeiten verloren gehen. Dengel verglich das mit dem Navigationssystem im Auto. Dessen Routenvorschläge würden von den meisten Fahrern nicht mehr kritisch hinterfragt, weil sie meistens funktionierten. Er appellierte deshalb an die Ärztinnen und Ärzte, stets die Verlässlichkeit der Datenbasis einer KI-Anwendung zu überprüfen. Hier sei auch der Gesetzgeber in der Pflicht, angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine hohe methodische Expertise zur Einordnung der Ergebnisse von KI-Anwendungen hatte der Deutsche Ethikrat bereits im März 2023 denjenigen empfohlen, die KI routinemäßig anwenden. Zugleich hatte er strenge Sorgfaltspflichten bei der Datenerhebung und -weitergabe sowie bei der Plausibilitätsprüfung „maschinell gegebener Handlungsempfehlungen“ gefordert. Wie Dengel hob auch der Ethikrat die menschliche Letztverantwortung hervor. Ein vollständiger Ersatz ärztlicher Fachkräfte durch ein KI-System gefährde das Patientenwohl und sei auch nicht durch Personalmangel zu rechtfertigen. Die Bundesärztekammer (BÄK) hält das Thema „KI in der Medizin“ für so wichtig, dass sie es zu einem Schwerpunkt der aktuellen Wahlperiode 2023–2027 gemacht hat und ihm auch beim diesjährigen Deutschen Ärztetag Ende Mai in Leipzig einen eigenen Tagesordnungspunkt widmet. Als Diskussionsgrundlage für die rund 250 Delegierten haben die Gremien der BÄK eine Stellungnahme und ein Thesenpapier erarbeitet. Den Status quo von KI in der Medizin und damit verbundene Risiken und Chancen aus medizinischwissenschaftlicher Perspektive darzustellen, war das Ziel der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK, die dieser Ende Februar vorlegte. Auch er sieht klar das Potenzial von KI, Diagnostik und Therapie zu optimieren und Fachkräfte zu entlasten. Wie der Ethikrat fordert aber auch der Wissenschaftliche Beirat, die Ergebnisse von KI-Anwendungen stets einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und auch er betont, dass die Verantwortung für Diagnostik, Indikationsstellung und Therapie Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten bleibt. Das Thesenpapier „Künstliche Intelligenz in der Gesundheitsversorgung“, das die BÄK Ende März vorlegte, fasst die Entwicklungen und Herausforderungen für Ärzte und Patienten durch die Einführung von KI-Systemen in den kommenden drei bis fünf Jahren zusammen. Formuliert hat die BÄK ihre Thesen nach eigenen Angaben auf der Grundlage von Werkstattgesprächen mit Experten aus Politik, Gesundheitsversorgung und Gesundheitswirtschaft. „KI-Systeme werden die auf genetischen und anderen individuellen Gesundheits- KI ist kein Ersatz für menschliche Intelligenz, und medizinische Entscheidungen können nicht an KI delegiert werden. Professor Dr. rer. nat. Andreas Dengel, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern, stellt die menschliche Letztverantwortung heraus. Foto: Jochen Rolfes Ein Bericht über die gesundheitspolitischen Schwerpunkte der Kammerversammlung am 22. März sowie die dort verabschiedeten Entschließungen finden sich unter www.aekno.de/kammerversammlung/maerz-2025. Die Entschließungen sind in dieser Ausgabe des Rheinischen Ärzteblatts ab Seite 15 veröffentlicht. Die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer „Künstliche Intelligenz in der Medizin“ ist abrufbar unter https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/ wissenschaftlicher-beirat/Veroeffentlichungen/KI_in_der_ Medizin_SN_neu.pdf. Das Thesenpapier „Künstliche Intelligenz in der Gesundheitsversorgung“ ist abrufbar unter https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/ BAEK/Themen/Digitalisierung/Thesenpapier_KI_in_der_ Gesundheitsversorgung_03.2025.pdf. Kammerversammlung online

Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 wicklung des Arzt-Patienten-Verhältnisses geknüpft, folgert daraus die BÄK. Von Ärztinnen und Ärzten werde mithin nicht nur Offenheit gegenüber KI-Technologien erwartet, sondern auch deren verantwortungsvoller Einsatz zum Wohle der Patientinnen und Patienten. Neben der Mustererkennung in bildgebenden Verfahren hält die BÄK zunächst insbesondere solche KILösungen für erfolgreich, die auf Effizienzsteigerung abzielen und verwaltungstechnische und organisatorische Prozesse sowie Routinetätigkeiten und gewisse standardisierte Kommunikationstätigkeiten übernehmen oder unterstützen. Zudem rechnet sie damit, dass Patientinnen und Patienten KI verstärkt nutzen und ihre Ärzte mit den Ergebnissen konfrontieren werden. Nach der Bitkom-Umfrage können sich 51 Prozent der Befragten vorstellen, KI künftig um eine Zweitmeinung zu bitten. Ärztinnen und Ärzte, so die BÄK, seien in Zukunft daher auch in der Rolle als „digitale Lotsen“ zur Nutzung von KI-Anwendungen gefragt. „KI hat das Potenzial, die Medizin und die ärztliche Profession vollumfänglich zu verändern“, betont die BÄK. Es sei ärztliche Kernaufgabe, diese Veränderung im Sinne der Patienten zu begleiten und zu gestalten. Dafür brauche es einen gewissen Technikoptimismus und ein grundsätzliches Vertrauen in die Potenziale von KI. daten basierenden, maßgeschneiderten Therapiepläne weiter präzisieren und noch passgenauere Therapien ermöglichen“, sagte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt anlässlich der Veröffentlichung des Papiers. „KI kann Ärztinnen und Ärzte zudem bei Routineaufgaben wie der Dokumentation, der Abrechnung und der Terminplanung unterstützen.“ Diese Entwicklung wolle die Ärzteschaft im Sinne der Patientinnen und Patienten aktiv mitgestalten. Dazu müsse auch die Forschung zu medizinischen KI-Anwendungen gestärkt und es müssten Strukturen geschaffen werden, damit evidenzbasierte KI-Anwendungen zügig in der Gesundheitsversorgung zum Einsatz kommen könnten, forderte PD Dr. Peter Bobbert, Co-Vorsitzender des BÄK-Ausschusses „Digitalisierung der Gesundheitsversorgung“. Denn die Bevölkerung scheint dem Thema grundsätzlich offen gegenüber zu stehen. Nach einer repräsentativen Befragung des Branchenverbandes Bitkom unter 1.140 Personen in Deutschland, die das Thesenpapier zitiert, finden 71 Prozent, Ärztinnen und Ärzte sollten, wann immer möglich, Unterstützung von einer KI erhalten. Fast die Hälfte (47 Prozent) meint, eine KI könne in bestimmten Fällen bessere Diagnosen stellen als eine Ärztin oder ein Arzt. Von allen Seiten würden hohe Erwartungen an den Einsatz von KI in der Versorgung allgemein, an die ärztliche Tätigkeit und an die WeiterentDetaillierte Informationen zum Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter www.aekno.de/veranstaltungen/kindergesundheit2025. Die Teilnahme ist kostenfrei. CME-Punkte: Die Veranstaltung ist mit 5 CME-Punkten anerkannt. Fragen zur Veranstaltung beantwortet Ihnen das Team des Veranstaltungsmanagements, Tel. 0211 4302-2216, E-Mail: veranstaltungen@aekno.de. © tina ennen Save the date – Terminvorankündigung: 28. Juni 2025, 10:00 – 15:00 Uhr, im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf 12. Kammerkolloquium Kindergesundheit Ess- und Ernährungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen Die Ärztekammer Nordrhein lädt Sie herzlich zum 12. Kammerkolloquium Kindergesundheit ein. Unter dem Titel „Ess- und Ernährungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen“ werden wir Ihnen aktuelle Entwicklungen und eine Übersicht u. a. zu den Themen Anorexia nervosa und Adipositas aber auch dem Einfluss von Social Media auf das Körperbild bei Kindern und Jugendlichen vorstellen. AZ_Kindergesundheit_2025_179x125,5mm_v1.indd 1 02.04.25 11:40

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 15 Entschließungen der Kammerversammlung am 22. März 2025 im Wortlaut Ärzteschaft fordert konkrete Vorschläge zur Sicherung der Gesundheitsversorgung im Koalitionsvertrag Die Ärztekammer Nordrhein fordert von Union und SPD, konkrete Reformvorschläge zur nachhaltigen Sicherung der ambulanten und stationären Versorgung in Stadt und Land im Koalitionspapier festzuhalten. Der Ärzteschaft ist bewusst, dass die Vielzahl der Krisen die nächste Bundesregierung vor große Herausforderungen stellen wird. Diese Krisen verlangen aber nach einer resilienten und verlässlichen Gesundheitsversorgung. Die bisherigen drei Sätze aus dem Sondierungspapier (https://www.spd.de/ fileadmin/Dokumente/Sonstiges/20250308_ Sondierungspapier_CDU_CSU_SPD.pdf) werden der Bedeutung des Gesundheitswesens auch für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht im Ansatz gerecht. Konkrete Forderungen der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte: 1. Entlastung der Krankenkassen von versicherungsfremden Leistungen Versicherungsfremde Leistungen (z. B. beitragsfreie Mitversicherung oder Beiträge von Bürgergeldempfängern) sollten schnellstmöglich aus der gesetzlichen Krankenversicherung herausgelöst und in voller Höhe steuerfinanziert werden. Wenn der Bund allein seiner Verpflichtung nachkäme und die Beiträge von Bürgergeldempfängern und die ihnen zuzurechnenden Familienversicherten auskömmlich finanzieren würde, könnte das die Kassen um bis zu zehn Milliarden Euro entlasten. 2. Umsetzung der Notfallreform Angesichts knapper Ressourcen müssen Zugänge zur Versorgung besser strukturiert werden. Nach wie vor nehmen zu viele Patienten mit Bagatellerkrankungen Notdienstpraxen und Notaufnahmen in Anspruch. Diese Fehlinanspruchnahme ist nicht nur teuer, sondern auch belastend für Patienten und medizinisches Personal gleichermaßen. Gegensteuern kann man hier mit klaren und vernetzten Behandlungspfaden. Die Einrichtung von integrierten Notfallzentren und die Zusammenlegung der Notrufnummern 116117 und 112 sind wichtige Schritte hin zu einer effizienteren Nutzung der Strukturen. Bei der Vernetzung sollten zudem Angebote von Kurzzeitpflege, über ambulante Terminvergaben bis hin zur Akutversorgung im Krankenhaus mitgedacht werden. Die Reform der Notfallstrukturen sollte mit hoher Priorität vorangetrieben werden, zumal im Rahmen der Krankenhausplanung die Standorte der integrierten Notfallzentren festgelegt werden müssen. 3. M odelle der Patientensteuerung einführen Auch für den Zugang zur ambulanten Regelversorgung bieten sich koordinierte Behandlungspfade an, so wie sie auf dem Deutschen Ärztetag in Mainz 2024 bereits beschlossen wurden. Um Fehlnutzung und Doppeluntersuchungen zu vermeiden, müssen Patienten besser durch das Gesundheitssystem gesteuert und Behandlungspfade klug koordiniert werden. Der Gesetzgeber sollte es Patientinnen und Patienten ermöglichen, sich freiwillig für ein Primärarztmodell zu entscheiden, in dem beispielsweise Hausärztinnen und Hausärzte die ersten Ansprechpartner bei Gesundheitsbeschwerden sind und, wenn erforderlich, die weitere Behandlung koordinieren. Patienten, die das nicht wünschen, sollten den freien Zugang zum System wählen können, dafür dann aber höhere Versichertenbeiträge zahlen müssen. 4. N achbesserung des Krankenhausreformgesetzes Die vom Bundestag im Oktober 2024 verabschiedete Krankenhausreform ist nicht geeignet, die drängenden finanziellen Probleme der Krankenhäuser in Deutschland zu lösen. Insbesondere die im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehenen Regelungen für eine Vorhaltevergütung müssen dringend nachgebessert werden. Um die Fehlanreize durch das DRGSystem wirklich zu stoppen, müssen neben den erbrachten Leistungen auch Vorhaltekosten vergütet werden, die naturgemäß von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich ausfallen und insbesondere die Kosten für das Personal in der unmittelbaren Patientenversorgung berücksichtigen müssen. Das im KHVVG enthaltene Modell der Vorhaltevergütung orientiert sich noch immer viel zu stark an der Zahl der behandelten Fälle und benachteiligt dadurch insbesondere kleine, bedarfsnotwendige Krankenhäuser auf dem Land. Diese sind auch von den teils zu strengen Facharztstandards als Voraussetzung für die Abrechnung von Leistungen betroffen. Gerade in ländlichen Regionen wird es oftmals schwer werden, die erforderliche Zahl an Fachärztinnen und Fachärzten vorzuhalten. Hier muss der Handlungsspielraum der Länder erweitert werden, damit regionale Besonderheiten berücksichtigt werden können. 5. B ürokratie abbauen Das deutsche Gesundheitswesen muss dringend von überbordender Bürokratie entlastet werden. In den Krankenhäusern verbringen sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte täglich im Schnitt drei Stunden mit Dokumentationspflichten, die häufig keinen unmittelbaren Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten haben. In den Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte ist es nicht besser. Aktuell verbringt jede Praxis mehr als einen Tag pro Woche mit bürokratischen Aufgaben. Das führt bei den Beschäftigten zu großer Unzufriedenheit und Frustration, zumal die Zeit, die für Bürokratie aufgewendet werden muss, für die Versorgung der Patienten fehlt. Ein Bürokratieentlastungsgesetz, das bereits für 2023 angekündigt wurde, muss dringend auf den Weg gebracht werden. Es muss unnötige, teils doppelte Dokumentationspflichten ebenso abschaffen wie überzogene Kontrollbürokratie durch die Krankenkassen. Ärztlichen Sachverstand in die Planungen der sicherheitspolitischen Entscheidungen und Strukturen integrieren Die Kammerversammlung fordert die politischen Entscheidungsträger auf, die Ärztekammern als sektorübergreifende Selbstverwaltung frühzeitig in die Planungen der sicherheitspolitischen Entscheidungen und Strukturen mit Bezug zum Gesundheitswesen zu integrieren. Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass die Integration der ärztlichen Selbstverwaltung und deren Sachverstandes eine wesentliche Grundlage war, die Pandemie in allen Facetten effektiv zu bewältigen. Auf diese gemeinwohlorientierte fachliche Ressource sollte auch in potentiellen zukünftigen Krisen zurückgegriffen werden. Die Kompetenz der Ärztinnen und Ärzte wird am effizientesten genutzt, wenn die Ärzteschaft bereits in der Planung integriert wird. Einbindung der Ärzteschaft in lokale Katastrophenschutzpläne Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Landes- und Bundesregierung auf, die Ärzteschaft in die Strukturen des regionalen und überregionalen Katastrophenmanagements einzubeziehen. Zudem ist die Bundesärztekammer in die konzeptionellen Überlegungen mit einzubinden. Hierbei ist sicherzustellen, dass Einsatzpläne und Zuständigkeiten, ebenso wie Meldeketten und Einsatzunterstützungen klar zu regeln sind.

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