Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 15 Entschließungen der Kammerversammlung am 22. März 2025 im Wortlaut Ärzteschaft fordert konkrete Vorschläge zur Sicherung der Gesundheitsversorgung im Koalitionsvertrag Die Ärztekammer Nordrhein fordert von Union und SPD, konkrete Reformvorschläge zur nachhaltigen Sicherung der ambulanten und stationären Versorgung in Stadt und Land im Koalitionspapier festzuhalten. Der Ärzteschaft ist bewusst, dass die Vielzahl der Krisen die nächste Bundesregierung vor große Herausforderungen stellen wird. Diese Krisen verlangen aber nach einer resilienten und verlässlichen Gesundheitsversorgung. Die bisherigen drei Sätze aus dem Sondierungspapier (https://www.spd.de/ fileadmin/Dokumente/Sonstiges/20250308_ Sondierungspapier_CDU_CSU_SPD.pdf) werden der Bedeutung des Gesundheitswesens auch für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht im Ansatz gerecht. Konkrete Forderungen der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte: 1. Entlastung der Krankenkassen von versicherungsfremden Leistungen Versicherungsfremde Leistungen (z. B. beitragsfreie Mitversicherung oder Beiträge von Bürgergeldempfängern) sollten schnellstmöglich aus der gesetzlichen Krankenversicherung herausgelöst und in voller Höhe steuerfinanziert werden. Wenn der Bund allein seiner Verpflichtung nachkäme und die Beiträge von Bürgergeldempfängern und die ihnen zuzurechnenden Familienversicherten auskömmlich finanzieren würde, könnte das die Kassen um bis zu zehn Milliarden Euro entlasten. 2. Umsetzung der Notfallreform Angesichts knapper Ressourcen müssen Zugänge zur Versorgung besser strukturiert werden. Nach wie vor nehmen zu viele Patienten mit Bagatellerkrankungen Notdienstpraxen und Notaufnahmen in Anspruch. Diese Fehlinanspruchnahme ist nicht nur teuer, sondern auch belastend für Patienten und medizinisches Personal gleichermaßen. Gegensteuern kann man hier mit klaren und vernetzten Behandlungspfaden. Die Einrichtung von integrierten Notfallzentren und die Zusammenlegung der Notrufnummern 116117 und 112 sind wichtige Schritte hin zu einer effizienteren Nutzung der Strukturen. Bei der Vernetzung sollten zudem Angebote von Kurzzeitpflege, über ambulante Terminvergaben bis hin zur Akutversorgung im Krankenhaus mitgedacht werden. Die Reform der Notfallstrukturen sollte mit hoher Priorität vorangetrieben werden, zumal im Rahmen der Krankenhausplanung die Standorte der integrierten Notfallzentren festgelegt werden müssen. 3. M odelle der Patientensteuerung einführen Auch für den Zugang zur ambulanten Regelversorgung bieten sich koordinierte Behandlungspfade an, so wie sie auf dem Deutschen Ärztetag in Mainz 2024 bereits beschlossen wurden. Um Fehlnutzung und Doppeluntersuchungen zu vermeiden, müssen Patienten besser durch das Gesundheitssystem gesteuert und Behandlungspfade klug koordiniert werden. Der Gesetzgeber sollte es Patientinnen und Patienten ermöglichen, sich freiwillig für ein Primärarztmodell zu entscheiden, in dem beispielsweise Hausärztinnen und Hausärzte die ersten Ansprechpartner bei Gesundheitsbeschwerden sind und, wenn erforderlich, die weitere Behandlung koordinieren. Patienten, die das nicht wünschen, sollten den freien Zugang zum System wählen können, dafür dann aber höhere Versichertenbeiträge zahlen müssen. 4. N achbesserung des Krankenhausreformgesetzes Die vom Bundestag im Oktober 2024 verabschiedete Krankenhausreform ist nicht geeignet, die drängenden finanziellen Probleme der Krankenhäuser in Deutschland zu lösen. Insbesondere die im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehenen Regelungen für eine Vorhaltevergütung müssen dringend nachgebessert werden. Um die Fehlanreize durch das DRGSystem wirklich zu stoppen, müssen neben den erbrachten Leistungen auch Vorhaltekosten vergütet werden, die naturgemäß von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich ausfallen und insbesondere die Kosten für das Personal in der unmittelbaren Patientenversorgung berücksichtigen müssen. Das im KHVVG enthaltene Modell der Vorhaltevergütung orientiert sich noch immer viel zu stark an der Zahl der behandelten Fälle und benachteiligt dadurch insbesondere kleine, bedarfsnotwendige Krankenhäuser auf dem Land. Diese sind auch von den teils zu strengen Facharztstandards als Voraussetzung für die Abrechnung von Leistungen betroffen. Gerade in ländlichen Regionen wird es oftmals schwer werden, die erforderliche Zahl an Fachärztinnen und Fachärzten vorzuhalten. Hier muss der Handlungsspielraum der Länder erweitert werden, damit regionale Besonderheiten berücksichtigt werden können. 5. B ürokratie abbauen Das deutsche Gesundheitswesen muss dringend von überbordender Bürokratie entlastet werden. In den Krankenhäusern verbringen sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte täglich im Schnitt drei Stunden mit Dokumentationspflichten, die häufig keinen unmittelbaren Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten haben. In den Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte ist es nicht besser. Aktuell verbringt jede Praxis mehr als einen Tag pro Woche mit bürokratischen Aufgaben. Das führt bei den Beschäftigten zu großer Unzufriedenheit und Frustration, zumal die Zeit, die für Bürokratie aufgewendet werden muss, für die Versorgung der Patienten fehlt. Ein Bürokratieentlastungsgesetz, das bereits für 2023 angekündigt wurde, muss dringend auf den Weg gebracht werden. Es muss unnötige, teils doppelte Dokumentationspflichten ebenso abschaffen wie überzogene Kontrollbürokratie durch die Krankenkassen. Ärztlichen Sachverstand in die Planungen der sicherheitspolitischen Entscheidungen und Strukturen integrieren Die Kammerversammlung fordert die politischen Entscheidungsträger auf, die Ärztekammern als sektorübergreifende Selbstverwaltung frühzeitig in die Planungen der sicherheitspolitischen Entscheidungen und Strukturen mit Bezug zum Gesundheitswesen zu integrieren. Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass die Integration der ärztlichen Selbstverwaltung und deren Sachverstandes eine wesentliche Grundlage war, die Pandemie in allen Facetten effektiv zu bewältigen. Auf diese gemeinwohlorientierte fachliche Ressource sollte auch in potentiellen zukünftigen Krisen zurückgegriffen werden. Die Kompetenz der Ärztinnen und Ärzte wird am effizientesten genutzt, wenn die Ärzteschaft bereits in der Planung integriert wird. Einbindung der Ärzteschaft in lokale Katastrophenschutzpläne Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Landes- und Bundesregierung auf, die Ärzteschaft in die Strukturen des regionalen und überregionalen Katastrophenmanagements einzubeziehen. Zudem ist die Bundesärztekammer in die konzeptionellen Überlegungen mit einzubinden. Hierbei ist sicherzustellen, dass Einsatzpläne und Zuständigkeiten, ebenso wie Meldeketten und Einsatzunterstützungen klar zu regeln sind.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=