Rheinisches Ärzteblatt 05/2025

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 25 Forum § 218: Ärzteschaft ringt um gemeinsame Position Der 129. Deutsche Ärztetag wird Ende Mai in Leipzig über das Für und Wider einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts diskutieren. Konkret geht es um politische Bestrebungen, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafrechts zu regeln und Frauen das Recht einzuräumen, innerhalb der ersten zwölf Wochen eine Schwangerschaft zu beenden. von Heike Korzilius Es war ein Projekt der Ampelkoalition. Sie hatte im März 2023 eine Regierungskommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingerichtet, die unter anderem Möglichkeiten prüfen sollte, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln. Ein Jahr später legten die 18 Expertinnen und Experten aus Medizin, Psychologie, Ethik und Recht ihre Ergebnisse vor und empfahlen, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche zu erlauben. Bei Abbrüchen in der mittleren Phase der Schwangerschaft solle der Gesetzgeber entscheiden, bis zu welchem Zeitpunkt ein Schwangerschaftsabbruch noch rechtmäßig sei. Ab dem Zeitpunkt der extrauterinen Lebensfähigkeit des Fetus solle ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich untersagt sein. Allerdings müssen den Experten zufolge in beiden Fällen Ausnahmen von einem Verbot möglich sein und zwar, wenn das Leben oder die körperliche und seelische Gesundheit der Schwangeren in Gefahr sind (medizinische Indikation) oder wenn die Schwangerschaft Resultat einer Vergewaltigung ist (kriminologische Indikation). Je fortgeschrittener das Gestationsalter sei, desto gewichtiger seien die Belange des Ungeborenen, argumentierte die Regierungskommission. Aus den Arbeitsergebnissen folgte zunächst einmal: nichts. Erst im Dezember 2024 brachte eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf ein, der die Grundzüge der Empfehlungen der Regierungskommission beinhaltete. Die weitere Beratung scheiterte am vorzeitigen Ende der Ampelkoalition. Grundsätzlich war bei Union und FDP die Bereitschaft wenig ausgeprägt, den vor 30 Jahren mühsam gefundenen Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruch aufzukündigen (siehe Kasten). Zu groß war die Furcht vor einer gesellschaftlichen Polarisierung. Besondere ethische Tragweite Berendes beschreibt das Papier als "work in progress". Es gelte in dem Prozess, sowohl das verfassungsrechtlich verbriefte Grundrecht der Frauen auf Leben, Gesundheit und Selbstbestimmung als auch das Lebensrecht des Ungeborenen zu beachten. Dabei betonte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer, die Freiheit der ärztlichen Entscheidung, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Ärztinnen und Ärzte seien „Die Auffassungen zum Schwangerschaftsabbruch sind breiter geworden und die Debatten darüber friedlicher.“ Professor Dr. Christiane Woopen, Hertz-Professorin für Life Ethics, Universität Bonn Foto: Reiner Zensen Wie weit die Meinungen zum Thema Abtreibung auch innerhalb der Ärzteschaft auseinandergehen, zeigte sich bereits beim 128. Deutschen Ärztetag im vergangenen Jahr in Mainz. Dem Plenum lagen damals fünf Anträge zum Schwangerschaftsabbruch vor, die von der Forderung einer Liberalisierung von Abtreibungen im ersten Trimenon bis hin zum „vehementen“ Widerstand gegen eine Änderung des geltenden § 218 reichten. Am Ende einigten sich die Abgeordneten darauf, dem Thema wegen seiner ethischen Tragweite einen eigenen Tagesordnungspunkt beim diesjährigen Deutschen Ärztetag in Leipzig einzuräumen. Zur Vorbereitung darauf richtete die Ärztekammer Nordrhein einen interfraktionell besetzten Lenkungskreis § 218 ein. „Wir sollten als Ärzteschaft Position beziehen“, erklärte dessen Vorsitzende Dr. Lydia Berendes, die zugleich dem Vorstand der Kammer angehört. Aus dem Lenkungskreis heraus solle deshalb eine Resolution erarbeitet werden, hinter der sich – so die Hoffnung der Mitglieder – in Leipzig die Mehrheit des Ärzteparlaments versammeln kann. hier einzig ihrem Gewissen verpflichtet. Das bedeute aber auch, dass Ärzte, die Abbrüche durchführten, vor Drangsalierungen und Bedrohungen geschützt würden. Im gesellschaftlichen „Echoraum“ Um die Mitglieder der Kammerversammlung im Rheinland und deren Delegierte zum Deutschen Ärztetag in Leipzig umfassend zu informieren, hatte der Lenkungskreis am 3. April die Medizinethikerin Professor Dr. Christiane Woopen von der Universität Bonn zu einem Gastvortrag eingeladen. Die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates war Mitglied der Regierungskommission zur reproduktiven Selbstbestimmung, die, wie sie betonte, hart um ihre Empfehlungen gerungen habe. Es gehe ihr deshalb in erster Linie nicht darum zu überzeugen, sondern die ethischen Probleme zu „kartieren“: Ab welchem Zeitpunkt seiner Entwicklung verfügt ein Embryo über Menschenwürde? Welchen Stellenwert hat das Selbstbestimmungsrecht der Frau? Welche Rolle kommt

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