Rheinisches Ärzteblatt 05/2025

28 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 Forum den vermutlich Organisationen sehen, die schrumpfen oder ganz verschwinden.“ Pessimisten sprächen bereits vom Ende des humanitären Systems, sagt Peruvemba. Er selbst glaubt jedoch, dass es Anpassungen geben wird. „Die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie action medeor wird durch das Wegbrechen öffentlicher Budgets zwar schwieriger, gleichzeitig wird sie aber an Relevanz gewinnen.“ Organisationen wie action medeor müssten daher ihre Bemühungen, Menschen Zugang zu Gesundheit zu verschaffen, eher verstärken als verringern. „Vielleicht zeigen sich die Menschen und das humanitäre System doch strapazierfähiger, als viele jetzt glauben, und die negativen Auswirkungen werden eingedämmt. Mittlerweile gibt es Zeichen, dass zumindest einige Verträge und Zahlungen von USAID für dieses Jahr weiterlaufen“, so Peruvemba. Entwicklungshilfe braucht neue Kooperationen Dem action medeor-Vorstand zufolge steht die Entwicklungszusammenarbeit vermutlich vor einem gewaltigen Systemumbau. Arbeitsschwerpunkte müssten verändert werden, damit die Kernaufgaben Gesundheit, Bildung und Nahrung finanziert werden können. „Neue Kooperationen mit der Wirtschaft und privatem Kapital müssen geschlossen werden. Die Entwicklungspolitik ist angewiesen auf eine breite, gesellschaftliche Akzeptanz, die in der letzten Zeit stark gelitten hat und wiederhergestellt werden muss.“ Entwicklungsbudgets würden nicht nur in den USA gekürzt und gestrichen, sondern jedoch nur für kurze Zeit möglich.“ Viele Medikamentenlieferungen drohten so auszufallen, erklärt Peruvemba. Mehr als 100 Länder betroffen „USAID ist ein entwicklungspolitscher Finanzierungsgigant. Es wird geschätzt, dass die Schließung der Behörde gravierende Auswirkungen auf die Versorgung von 120 Millionen Menschen in mehr als 100 Ländern hat“, sagt Peruvemba. Langfristig sieht er insbesondere Forschungs- und Behandlungsprogramme gegen infektiöse Krankheiten wie HIV, Malaria und Tuberkulose in Gefahr. Werden Behandlungsprogramme gegen diese und andere Krankheiten unterbrochen oder ganz ausgesetzt, könne das die langjährigen Erfolge bei der Bekämpfung dieser Krankheiten zunichtemachen, befürchtet Peruvemba. Stark betroffen seien auch die Strukturen des globalen humanitären und entwicklungspolitischen Systems, das die Entwicklungshilfen umsetze und manage. Auch die Projekte von action medeor arbeiteten nicht isoliert, sondern koordiniert und eingebettet in dieses System und in gewisser Weise auch davon abhängig. Wie konkret die Auswirkungen für action medeor sein werden, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand sagen. Möglicherweise kämen sie verzögert, sozusagen als „Nachbeben“. Für humanitäre Organisationen, die ihre Projekte größtenteils über USAID finanzieren, geht es Peruvemba zufolge ums Überleben. Fehlten die finanziellen Mittel für Projekte, fielen auch Gelder für Personal und Verwaltung weg. „Wir werauch in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bemerkt Peruvemba. „Diese Entwicklung hat übrigens schon lange vor dem Wahlsieg Trumps angefangen und steht in Verbindung mit der Notwendigkeit, stärker in Verteidigung zu investieren.“ Dabei könne niemand das 40-Milliarden-Jahrsbudget von USAID in Gänze kompensieren, sagt Peruvemba. Zudem reiße der Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein weiteres großes Loch in das Budget der UNEinrichtung mit noch nicht absehbaren Folgen für die globale Gesundheit und die Bewältigung von Krisen und Pandemien. Diese Lücke könne auch Europa nicht füllen, zumal auch dort Investitionen in die Verteidigung zurzeit im Vordergrund stehen. Abhängigkeit von großen Gebern Der plötzliche Stopp der Entwicklungsleistungen werde mittelfristig einen zusätzlichen Migrationsdruck entfalten, der auch Folgen für die Systeme in den reicheren Ländern habe, glaubt Peruvemba. „Humanitäre Hilfe und Entwicklungspolitik retten nicht nur direkt Menschenleben, sondern sie helfen, Länder und Gesellschaften zu stabilisieren. Konflikte können entschärft und damit unfreiwillige Migration und Flucht verhindert werden.“ Das Aus der US-Hilfen gefährdet nach Ansicht von Vertretern vieler Nicht-Regierungsorganisationen neben der konkreten Unterstützung für Menschen in Not auch Programme zur Pandemievorsorge, die internationale Zusammenarbeit an wichtigen Forschungsprojekten wie der Entwicklung neuer Antibiotika sowie den Austausch über Krankheitserreger und Pathogene mit pandemischem Potenzial. „Das betrifft dann auch Europa“, sagt MSF-Mitarbeiterin Dovifat und fordert schnelles und entschlossenes Handeln. Deutschland und andere Geber müssten hier einspringen und zwar mit einer flexiblen, bedarfsorientierten Finanzierung. Entscheidend sei es darüber hinaus, lokale Strukturen direkt zu unterstützen und multilaterale Instrumente wie Gavi oder den Global Fund zu stärken. Nur so könne die Abhängigkeit von einzelnen Gebern verringert werden. Gleichzeitig müsse humanitäre Hilfe klar nach Bedarf organisiert werden und sich konsequent an den humanitären Prinzipien der Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit orientieren, fordert Dovifat. „Geopolitische Interessen dürfen dabei nicht die Agenda bestimmen.“ MSF unterstützt verschiedene Impfprogramme. Hier impft ein Mitarbeiter von MSF ein kenianisches Baby gegen Tuberkulose. Foto: Lucy Makori/MSF

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