Rheinisches Ärzteblatt 05/2025

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 29 durch eine entsprechende Fixierung des Gewebetransplantats an der Kniescheibe und der inneren Oberschenkelrolle die Kniescheibe wieder in der richtigen Position auf dem Oberschenkelknochen zu halten und zu führen. Die Gutachterkommission hatte sich im Fall einer arthroskopischen Operation der habituellen Patellaluxation insbesondere mit der korrekten Durchführung der Operationstechnik und der intraoperativen Umsetzung der vom Hersteller empfohlenen Vorgehensweise zur Verankerung des Transplantats am Knochen mit Ankern beziehungsweise Schrauben auseinanderzusetzen. Sachverhalt Aufgrund einer habituellen Patellaluxation mit belastungsabhängigen Schmerzen rechts wurde eine 27-jährige Patientin stationär in der beschuldigten Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie aufgenommen. Die Patientin war am Knie voroperiert; zuvor waren bereits eine Spaltung des äußeren Kniescheibenseitenbands („lateral release“) sowie eine Raffung des inneren Kniescheibenseitenbands durchgeführt worden. Die bei der jetzigen Aufnahme erfolgte körperliche Untersuchung erbrachte unter anderem eine luxierbare Kniescheibe bei 30–40 Grad Beugung. Angesichts von mehr als 30 vorangegangenen Luxationen – die letzte passierte einen Monat vorher – wurde eine MPFL-Plastik unter Verwendung eines zuvor bei der Patientin entnommenen Sehnen-Transplantats aus dem M. gracilis (Muskel aus der Oberschenkelmuskulatur) geplant. Fünf Tage vor dem Eingriff wurde ein schriftlich dokumentiertes Aufklärungsgespräch mithilfe des Aufklärungsbogens „Arthroskopie des Kniegelenks“ (Thieme Compliance) geführt. Eingangs des Eingriffs erfolgte die klinische Überprüfung der Kniegelenkstabilität. Bei leicht valgischer (nach innen gerichteter) Beinachse bestand eine deutliche Lateralisierung der Patella über das äußere Ende des Oberschenkelknochens hinaus. Zur Gewinnung des Sehnentransplantats entnahm der Operateur zunächst die Sehne des M. gracilis. Danach erfolgte die Darstellung der medialen Kante der Kniescheibe über eine Inzision und die Festlegung der Insertionspunkte für den Eintritt der Sehnenplastik an der Patella. Nach Einbringung jeweils eines Bohrdrahts wurden mittels 3,25-mm-Bohrer zwei Bohrungen in horizontaler Richtung durch die Kniescheibe angelegt; dann wurde die Sehne mittels zweier Anker an der Kniescheibe fixiert. Unter Bildwandlerkontrolle legte der Operateur den Fixationspunkt der Sehnenplastik an der inneren Oberschenkelrolle fest. An dieser Position brachte er sodann den Bohrdraht ein, überbohrte diesen mit einem 5-mm-Bohrer auf einer Tiefe von 35 mm und fixierte das Sehnentransplantat mit einer Interferenzschraube in 30 Grad Beugestellung. Für den ersten postoperativen Tag ist im Krankenblatt unter „physikalische Therapie“ vermerkt, dass die Patientin mit Gehstützen unter 20 kg Teilbelastung auf dem Flur und der Treppe gelaufen sei. Die Beugung habe maximal 60 Grad betragen. Dem Entlassungsbrief einen Tag später ist zu entnehmen, dass bei Zustand nach „lateral release“ und medialer Raffung des rechten Kniegelenks eine MPFL-Plastik unter Verwendung der Gracilissehne erfolgte. Gemäß Therapieempfehlung sollte danach eine aktive, belastungsfreie Beugung bis 90 Grad möglich sein. Der Patientin wurde empfohlen, postoperativ über einen Zeitraum von sechs Wochen eine Kniegelenksorthese mit einer Limitierung bis 60 Grad zu tragen. Bis zum Abschluss der Wundheilung könne eine Teilbelastung von 20 kg und anschließend eine schmerzadaptierte Steigerung erfolgen; nach sechs Wochen könne mit leichten Aktivitäten wie Laufen oder Fahrradfahren begonnen werden. Die volle sportliche Aktivität würde erst nach Ablauf von drei Monaten möglich sein. Zwei Monate nach Entlassung erfolgte in einer anderen orthopädisch-unfallchirurgischen Klinik eine erneute Behandlung am rechten Knie. Dem dortigen Entlassungsbrief ist zu entnehmen, dass sich die Antragstellerin bei einer Mobilisationsübung in der Reha eine dislozierte Querfraktur des inferioren Patellapols rechts mit Bei arthroskopischen Eingriffen an der Patella gibt es – neben typischen Komplikationen – eine Reihe von Fehlermöglichkeiten. Besondere Anforderungen stellen sich nicht nur bei der korrekten Identifikation der Pathologie und damit der Indikationsstellung, der präoperativen Aufklärung und Nachbehandlung, sondern auch bei der angewandten Operationstechnik, bei der insbesondere die Anwenderhinweise des Herstellers zur korrekten anatomischen Platzierung von intraoperativ einzubringenden alloplastischen Fixierungs- und Verankerungsmaterialien berücksichtigt werden müssen. von Daniel Frank, Paul-Heinz Gröne und Tina Wiesener Die Luxation der Kniescheibe (Patella) ist eine der häufigsten Kniegelenksverletzungen. Die Inzidenz beträgt 5,8 Fälle/100.000/Jahr. Das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) spielt bei dieser Verletzung eine zentrale Rolle: Dieses Band verläuft dreiecksförmig vom oberen Drittel der Patella zur innenseitigen Oberschenkelrolle des Oberschenkelknochens (Femur). Es stabilisiert die Kniescheibe insbesondere zu Beginn der Beugung in strecknaher Position (0– 30 Grad Beugung) und verhindert, dass diese nach außen verrutscht, wohingegen es im weiteren Verlauf der Beugung zu zunehmender knöcherner Führung kommt. Bei einer Patellaluxation verschiebt sich die Kniescheibe aus ihrer Führung heraus zur Knie-Außenseite, wodurch die Bänder an der Knie-Innenseite mit der möglichen Folge einer Knieinstabilität verletzt werden können. Bei wiederholten Luxationen der Kniescheibe kann daher – nach erfolgter Identifikation möglicher weiterer Pathologien, die gegebenenfalls im selben Eingriff zu adressieren sind – eine plastische Rekonstruktion/Verstärkung dieses Bands erforderlich werden (MPFL-Plastik). Hierfür wird in der Regel ein autologes Sehnentransplantat, zum Beispiel aus der Oberschenkelmuskulatur, gewonnen, um Wissenschaft und Fortbildung – Aus der Arbeit der Gutachterkommission – Folge 146 Fehlerhafte arthroskopische Operation bei Patellaluxation

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