Rheinisches Ärzteblatt 05/2025

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2025 3 Heft 5 • Mai 2025 Abschied von der Wissenschaft? Die US-Regierung hat seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump die Arbeit vieler Forschungseinrichtungen und Institutionen im Gesundheitswesen unter anderem durch Kürzungen sowie die Androhung und Ankündigung von Entlassungen deutlich schwieriger gemacht. Betroffen sind unter anderem die nationalen Gesundheitsinstitute National Institutes of Health (NIH), die Arzneimittelzulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) und die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Im Zuge eines Dekrets erfolgte auch die Abwicklung von USAID, der Behörde für internationale Entwicklung (siehe Seite 27). Schon wenige Stunden nach seiner Vereidigung unterzeichnete Trump im Weißen Haus zudem ein Dekret zum Ausstieg aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese Entwicklungen werden – so sind sich Experten einig – weltweit schwerwiegende Folgen nicht nur für den Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose haben, sondern auch das weltweite Monitoring von Krankheitsausbrüchen deutlich erschweren. Einmal mehr treibt einen die Frage nach den Motiven dahinter um. Denn Pandemien und globale Gesundheitskrisen machen nicht an Grenzen halt. Doch nicht nur das globale Ziel „Gesundheit für Alle“ gerät in Gefahr, auch die unabhängige Forschung und Wissenschaft weltweit könnten durch die Entwicklungen in den USA Schaden nehmen. Wenn medizinische Hilfsprogramme, Gesundheitsinformationen oder Leitlinien unter politischen Einfluss geraten und zensiert werden, gefährdet das nicht nur die medizinische Versorgung der betroffenen Patienten. Zensur gefährdet Wissenschaftsfreiheit, Innovationen und die evidenzbasierte Medizin. Eines der vielen Dekrete, die der neue US-Präsident in den ersten Tagen seiner zweiten Amtszeit erließ, verbietet es beispielsweise den Behörden in den USA, Begriffe wie gender, bias, transgender, pregnant person, pregnant people, LGBT, transsexual, mental health und weitere zu verwenden. Weder in eingereichten Manuskripten, die sich noch im Reviewprozess befinden, noch in bereits angenommenen, aber noch nicht veröffentlichten Manuskripten dürfen diese Begriffe vorkommen. In unserem aktualisierten Genfer Gelöbnis heißt es: „Ich werde mein medizinisches Wissen zum Wohle der Patientin oder des Patienten und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung teilen.“ Doch genau daran werden Ärztinnen und Ärzte im CDC aktuell wohl auch durch das genannte Dekret gehindert. Unklar scheint auch, wie es mit der Datenbank Pubmed weitergehen wird, die bei den NIH angesiedelt ist. Wenn hier zensiert wird oder Studien ohne Qualitätskontrolle veröffentlicht werden, dann wird diese Quelle für Forscherinnen und Forscher fast wertlos. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hat die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein im März die Politik aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Ausbau einer unabhängigen europäischen medizinischen Literaturdatenbank (beispielsweise auf Basis der bestehenden Strukturen von Europe PMC) einzusetzen und für eine ausreichende, gesicherte und nachhaltige Finanzierung des Portals durch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu werben. Angesichts der Entwicklungen in den USA müssen wir uns zukünftig in Europa und Deutschland konsequent für das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit einsetzen. Denn die Verfasser unseres Grundgesetzes haben sich vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte etwas dabei gedacht, als sie formulierten: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=